Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Bei der Arbeit auf dem Hof habe ich das als kleines Kind sehr einfach und klar erlebt. An den Werktagen gab es eine bestimmte Kleidung. Es war die Arbeitskleidung, die eine Woche lang getragen wurde. Oft wurde noch eine Schürze umgebunden, damit die Kleidung selbst nicht so schmutzig wurde. Am Sonntag dagegen wurde das „Sonntagsgwand“ angezogen. Nach dem Stall eine kurze Wäsche, rein in den Anzug und ab in die Kirche. Danach wurde vielleicht die Krawatte abgenommen. Aber sonst war das eben diese besondere Kleidung, die den Sonntag ausmachte. Wenn ein Wahlsonntag war, wurde die beste Kleidung im Schrank genommen. Nach den Erlebnissen im sog. „3. Reich“ wussten die Menschen um die Freiheit der Demokratie und was es bedeutet hat, dass freie Wahlen möglich waren.
Kleider spielen eben doch den Charakter einer Gesellschaft und eines Menschen wieder. Im aufkommenden Wirtschaftswunder der 60-er und 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts spielte dann die Mode eine immer größere Rolle. Jetzt waren nicht mehr nur praktische Kleidungsstücke gefragt, sondern auch modische. Die Werbung hat das sehr schnell gemerkt und nach Möglichkeit jedes Jahr vor allem junge Menschen damit manipuliert. Sie müssen auf der Höhe der Zeit sein und können das mit den jährlich wechselnden Modeaccesoires gegenüber den anderen zeigen.
Heute am 27.04.2020 werden die Menschen um eine bestimmte Modeerscheinung mehr bereichert. Und ich habe mich dabei ertappt, bei den Probevorführungen auch genau hingeschaut zu haben: der Mundschutz. Ab heute ist er Pflicht. Wer hat einen weißen Mundschutz, wer nicht? Welche Motive und Farbe am Mundschutz hat ein Träger? Wirkt er abstoßend auf mich oder durchaus erheiternd? Als ich meinen ersten Mundschutz vor drei Wochen gekauft habe und die Auswahl auf der Verkaufsthese lag, habe ich mich sofort für einen bestimmten entschieden: der Mundschutz mit Kühen. Als Landwirtssohn und Beauftragter für Landwirtschaft passt das doch für Dich. Mit solch einer ähnlichen Bemerkung hat mir meine Frau sogleich zugestimmt. Sogar beim Mundschutz hat das durchaus eine Rolle für mich gespielt, welches Motiv ich nehme! Nicht zu fassen! Aber bevor ich mich zu einer zu starken Buße dafür zwinge, gehe ich lieber auf die biblische Ebene (Gott sei Dank finde ich damit eine „fromme“ Entschuldigung).
Ich habe tatsächlich schon beim Hinausgehen aus dem Geschäft an das Thema „Kleider in der Bibel“ gedacht. Wie viele Diskussionen habe ich schon in der Jugendgruppe und im Schülerbibelkreis darüber gehabt? Und einige Mitschüler/-innen waren der vollen Überzeugung, dass es in der Bibel genaue Anweisungen zum Anziehen von Kleidung gibt. (Hat Gott nicht wichtigere Dinge zu sagen?) Da haben es Mitglieder von Klosterorden und Kommunitäten wirklich leichter. Sie tragen ihr Gewand und müssen nicht jeden Tag eine lange Entscheidung darüber treffen, was sie heute anziehen werden. Mir persönlich ist es viel wichtiger zu sehen, was die Bibel im übertragenen Sinn vom „Kleider anziehen“ hält. „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen“ (Gal 3, 27). Eine eindeutige Feststellung in Form eines Zuspruches von Paulus. Durch die Taufe habe ich Jesus angezogen. Bei der nächsten Überlegung wird es schwieriger. Es gibt eine Anweisung, ja sogar einen Befehl zum Anziehen von bestimmten Kleidern: „Zieht nun an als die Auserwählten Gottes…Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit“ (Kol 3, 12-a.14). Das ist eine Bibelstelle, die bei einer kirchlichen Trauung gelesen wird. Was für eine Aufgabe? „Gott hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet“ (Jes 61, 10b). Ich erkenne: Gott hilft mir in die richtigen Kleider hinein. Es sind die Kleider des Heils. Diese Kleider tragen die Farbe Weiß. Es ist die Farbe der Auferstehung, des Sieges von Jesus über den Tod, die Farbe von Ostern. Es ist das Kennzeichen der Überwinder im Buch der Offenbarung. „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln“ (Offb. 3, 5). Daran lasse ich mich gerne erinnern, wenn ich in den nächsten Tagen selbst mit einem Mundschutz herumlaufen muss.