Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Es ist der 29.04.1986, ein Dienstag. Heute vor genau 34 Jahren bin ich mit dem Auto unterwegs auf der A 7 von Bad Brückenau zum Hesselberg. Ich hatte eine besondere Stimmung. Mit meinen damals gerade 28 Jahren hatte ich einen Gemeindepraktikanten für vier Wochen gehabt. Er hat im Pfarrhaus gewohnt und so die Arbeit eines Pfarrers hautnah kennengelernt. Im Landgemeindepraktikum kommt hinzu, dass der Theologiestudent im Pfarrhaus wohnen muss um auch den Alltag der Pfarrfamilie kennenzulernen. Solch ein Gemeindepraktikum ist vorgeschrieben. Am Ende steht ein Mentorentreffen. Mentoren und Studenten sollen schließlich richtige Schlüsse aus dem Erlebten ziehen. Damals gab es noch nicht den Ereigniskanal „B 5 aktuell“, den ich heutzutage im Autoradio fast immer höre. Ich schalte ein wenig hin und her und lande schließlich bei Bayern 3. Die beiden damals noch nicht ganz so bekannten Entertainer Thomas Gottschalk und Günther Jauch moderieren die Sendung „B 3 – Radioshow“. Aber an diesem Nachmittag verläuft die Sendung anders als sonst. Statt viel Musik und Blödeleien gibt es ernste Nachrichten. An diesem Tag wurde in den Nachrichten gemeldet, dass die seit einem Tag gemeldeten erhöhten Strahlenwerte von einem Kernkraftwerk in der Ukraine kommen. Der Name Tschernobyl fällt. Einen Tag vorher wurde erstmals aus dem Kernkraftwerk Forsmark in Schweden solche Werte gemeldet. Jetzt aber wird es mehr und mehr amtlich. Die Nachrichtentransparenz hielt sich von seiten der UDSSR in Grenzen, so wie das in der Coronakrise auch bei den chinesischen Behörden war. Offenbar wollen diktatorische Staaten mit allen Mitteln verhindern, eigene Fehler zuzugeben. Die beiden Moderatoren schwanken von Lustig auf Ernst hin und her. Zum ersten Mal habe ich von einem GAU oder SUPERGAU gehört. Ich erinnere mich noch, dass Thomas Gottschalk gesagt hat, dass solche Unfälle statistisch gesehen etwa alle 1000 Jahre geschehen. Günther Jauch antwortete trocken: Das schon. Ich weiß aber nicht, ob das in einem Jahr passiert und dann 1000 Jahre keine. Oder ob das eben erst in 1000 Jahre passieren wird. „Die haben auch noch Humor inmitten dieser komischen Berichtslage“ habe ich still für mich gedacht.
Auf dem Hesselberg angekommen, habe ich die Infos gleich an dem Leiter des Treffens weitergegeben. Es war der von mir sehr geschätzte Professor im Fachbereich Praktische Theologie der Uni Erlangen, Manfred Seitz. „Herr Metzger. Ist der Name GAU oder SUPERGAU gefallen?“ Seine Antwort konnte ich bestätigen. Und heute fällt mir diese Geschichte auch wieder ein. GAU = Größter Anzunehmender Unfall. Im Gespräch mit anderen Menschen wurde diese Situation von vor 34 Jahren immer wieder mit der Coronakrise verglichen. Ich sehe nichts – ich höre nichts – ich schmecke nichts – ich rieche nichts – ich merke (noch) nichts. Wer sich an damals erinnert, zieht Vergleiche mit heute.
Für mich ist noch ein anderer Impuls interessant. Es soll ja Menschen geben, die immer noch behaupten: Gott gibt es nicht, weil ich ihn nicht sehe, nicht höre, nicht rieche, nicht bemerke. Die Coronakrise verdeutlicht mir wieder einmal, wie wenig ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann. Das dreidimensionale Denken ist wirklich sehr klein, um diese Welt zu erfassen. Erst recht, wenn es um den Glauben an Gott geht. Der Verstand kann mir dazu helfen, mich mit Dingen des Glaubens zu beschäftigen. Aber letztlich kann ich Gott nicht beweisen. Letztlich sagt auch schon die Bibel, dass Glaube viel mit Vertrauen und Beziehung zu tun hat. Und in dieser sichtbaren Welt kann ich Gott in seinem tiefen Wirken wohl nicht erkennen. Um so wichtiger ist es, den Glauben an Gott zu bekennen und zu leben. „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Durch diesen Glauben haben die Vorfahren Gottes Zeugnis empfangen“ (Hebräerbrief 11, 1 – 2).