Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Das ist eine sehr gute Idee der Stadt Hersbruck. Mitten in dieser Coronakrise startet sie eine Umfrage zum Lebensgefühl der Menschen. Unter mein.hersbruck.de kann sich jeder dazu äußern, was ihm an dieser Stadt liegt und welche Vorzüge und Verbesserungen er nennen will. Dabei soll der Heimatbegriff gestärkt werden.
Ich erinnere mich an den jährlichen Landfrauentag vor einigen Jahren. Das Thema „Heimat“ sollte in einem Referat umschrieben werden. Die Verantwortlichen dieser Veranstaltung legen weniger Wert auf lange und oft langatmige Grußworte. Stattdessen bitten sie einige Personen aus den verschiedenen Bereichen gleichzeitig nach vorne und diese werden mit einer oder zwei Frage interviewt. „Was bedeutet für sie Heimat“? Ich stand damals als Vertreter der Kirchen auf dem Podium. Weil ich als letzter dran kam, surrten die Gedanken in meinem Kopf. Schon damals war ich nirgends länge an einem Ort als jetzt in Hersbruck-Altensittenbach. Denn ich bin mit 19 Jahren wegen des Studiums ausgezogen und habe danach nie mehr richtig meinen Geburtstort als Heimat empfunden. Das geht ja vielen Studenten so. Und als Pfarrer bin ich einschließlich meiner Vikarszeit in 4 Gegenden gewesen: Erlangen – Rhön – Ries – Ostmittelfranken. Für Kinder aus Pfarrfamlien ist das deshalb nicht immer einfach, immer wieder alte Freundschaften zu begraben und neue aufzubauen. auch schulisch ist das manchmal ein Problem. Unter Pfarrer/-innen gibt es einen schönen Spruch. Er stammt noch aus der Zeit als die Frauen zum Pfarrdienst nicht zugelassen waren. „Der Vater geht, das Kind bleibt sitzen“.
In meinem ersten Pfarramt in der Kirchengemeinde Detter hatte ich ein Beerdigungsgespräch. Eine Frau mit 86 Jahren war gestorben. Es geht bei diesen Treffen natürlich auch darum, das Leben einer Verstorbenen zu verstehen und in der Predigt aufzugreifen. Detter ist ein Dorf mit ca. 400 Einwohnern der südlichen Rhön. Die nächste Stadt Bad Brückenau ist 10 km entfernt. Die Angehörigen sagten mir, dass Ihre Mutter ihr ganzes Leben lang nur das Dorf gekannt hat. Nur ab und zu kam sie mal in die Stadt. Aber sonst war sie nie irgendwo anders als in ihrem kleinen Dorf. Mich hat das bewegt. Eine zufriedene Frau in ihrem kleinen Wohnradius. Sie hatte ihre „Heimat“.
Die Umfrage der Stadt Hersbruck hat mich persönlich wieder stärker zum Nachdenken über dieses Thema gebracht und meine Frau und ich haben uns schon an der Umfrage beteiligt. Für uns beide ist diese Kleinstadt unsere Heimat geworden und wir sind gespannt, ob das auch für den Ruhestand gelten wird. Aber dazu benötigen wir dann natürlich auch eine bezahlbare Mietwohnung.
Trotz dieser Liebe zur Stadt Hersbruck gehen meine Gedanken noch weiter. Denn in der Bibel lese ich, dass Gott Menschen immer wieder dazu beruft, ihre Heimat zu verlassen. Das bekannteste Beispiel ist wohl Abraham. „Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will“ (1. Mose 12, 2). So hat Gott zu ihm gesagt. Jesus sagt von sich selbst: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege“ (Matthäus 8, 20). Die Bibel spricht deshalb auch von einer Heimat, die außerhalb unserer Wirklichkeit liegt. Es ist die ewige Heimat bei Gott. „Unsere Heimat ist im Himmel, woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus“ (Phil 3, 20). Diese Verheißung gilt allen, die an Jesus glauben. Noch aber leben wir hier auf Erden. Noch aber kann jeder mit seinem Einsatz diese Heimat gestalten und z.B. Ideen, Meinungen und Vorschläge für die Stadt Hersbruck abgeben. Und in dieser Krisenzeit gilt mehr denn je, was Dr. Till Magnus Steiner im Rahmen der Caritas Jahreskampagne 2017 geschrieben hat: „Heimat ist mehr als der Ort der Geburt oder der Kindheitserinnerung. Es ist das Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit auf die Gegebenheiten – ein Ort des tieferen Vertrauens, vor allem in das soziale Umfeld“.