Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
„Der Spuk namens Geisterspiel“. Das war die große Überschrift in der HZ vom 15.05.2020. Darunter ein großes Bild mit einem Geist, der den Schal von Borussia Dortmund um seinen Hals trägt. Was war geschehen? Die DFL (Deutsche-Fußball-Liga) hat sich durchgesetzt und die Bundesliga konnte mit Spielen der ersten und zweiten Bundesliga einen Tag später starten, allerdings ohne Zuschauer und mit allen notwendigen Sicherheitsregeln. Die Spieler werden ständig getestet und müssen aus einer einwöchigen Quarantäne direkt ins Stadion einreisen.
Im Zeitungsartikel gibt es dazu einen sehr interessanten Hinweis. Am Ende wird nämlich auf die „Mutter aller Geisterspiele“ vom 26.01.2004 hingewiesen. Die Clubfans nicht nur in Hersbruck und Umgebung haben dieses Datum wohl in schlechter Erinnerung. Damals spielte der 1. FC Nürnberg in Aachen bei der Alemannia auf dem dortigen Tivoli. Der Grund war damals aber nicht eine Pandemie, sondern eine Verletzung des Nürnberger Trainers Wolfgang Wolf. Ihm war beim ersten Spiel ein Gegenstand auf den Kopf gefallen. Das zog einen Spielabbruch nach sich und das Spiel wurde ohne Zuschauer wiederholt. Es ging mit 2 : 3 für den Club verloren.
Interessant ist für mich eine kleine Nebenbemerkung des damaligen Rundfunkreporters Günther Koch. Er sprach ins Mikrofon: „Hören Sie diese Stille“. Kann ich eine Stille hören? Günther Koch war in seinem anderen Beruf Religionslehrer. Er hat also durchaus Kenntnis von verschiedenen Stellen aus der Bibel. Ich habe die Vermutung, dass er eine der wichtigsten Geschichte aus dem Alten Testament bei seiner Bemerkung im Kopf hatte. Sie steht im ersten Buch der Könige in den Kapiteln 17 – 19. In Israel hatte der damalige König Ahab Isebel geheiratet. Mit ihr wurde der Baalskult hofiert. Er stand in direkter Konfrontation zum Glauben an den Gott Jahwe, der sich Mose gezeigt, das Volk Israel aus Ägypten geführt und durch die Jahre begleitet hat.
Jahwe oder Baal? Es gab keine Kompromisse. Gott beruft Elia zum Propheten. Er stellt sich gegen das Königshaus um Ahab und Isebel. Es kommt unter anderem zum sog. Gottesurteil auf dem Karmel. Die Macht Gottes erweist sich dort eindeutig. Elia aber muss vor den Nachstellungen von Ahab flüchten. Er kommt zum Berg Horeb, an dem Jahwe seinem Volk nach der Flucht aus Ägypten die Gebote gegeben hatte. Elia ist völlig am Ende, steht in einer Lebenskrise und fragt Gott nach seiner Gegenwart. „Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN“! So lautet dessen Antwort. Aber worin soll Gott erkannt werden? Es kommen verschiedene Zeichen. Ein starker Wind, ein Erdbeben, ein Feuer. Nirgends war die Gegenwart Jahwes zu greifen. Dann aber: „Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen“ (1. Kön 19,12b). So hat es Luther übersetzt. Wörtlich ist damit eine „hörbare Stille“ gemeint. „Sausen“ trifft es also nicht ganz genau.
Wie kann das aber so übersetzt werden, dass wir dem ursprünglichen Wortlaut nahe kommen. Ich nehme Unterricht bei dem jüdischen Philosoph Martin Buber. Er übersetzt mit: „Stimme verschwebenden Schweigens“. Gemeint ist also eine Stimme, in der Gott redet und der Mensch hört. Mitten in seiner Lebenskrise, mitten im Zerbruch wird Elia fähig, das Reden Gottes zu erkennen und sich neu von Gott füllen zu lassen. Wo er nicht mehr kann, holt ihn Gott heraus und schenkt ihm neue Kraft. Eine Anleitung zum neuen Leben mit Gott auch für mich mitten in dieser Coronakrise. Und deshalb hat Günther Koch tatsächlich Recht. Es gibt diese „hörende Stille“, allerdings nicht nur im Fußball bei den sog. Geisterspielen.