Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
„Schaut euch doch mal diesen Vornamen an: Jan. Wer kennt jemand, der so heißt?“ Tatsächlich ist dieser Vorname in Deutschland gar nicht so selten. Die Schüler/-innen der vierten Klasse überlegen. Sie nennen einige andere Kinder mit diesem Namen. „Dieser Name ist die tschechische Form und damit eine kurze Form eines anderen Vornamens. Überlegt mal, welche deutsche Bezeichnung ich meine!“ Nach kurzer Überlegung und auch mal mit Raten kommen die Kinder dann schon darauf. „Johann“ oder „Hans“ ist damit gemeint. Dann gibt es ein kurzes Gespräch über die Herleitung aus dem Hebräischen. „Channan“ oder auch die bekanntere weibliche Form „Hannah“, mit der auch viele Mädchen in unserem Land bezeichnet werden. Ich weise noch auf Ableitungen wie z.B. „Jannis“ oder auch „Johannes“ hin. Wir reden noch kurz über die Bedeutung des Namens. „Gott ist gnädig“. Wirklich eine sehr schöne Bedeutung.
„Jetzt schaut euch den Nachnamen der gesuchten Person an: Hus. Den kennen die Schüler/-innen in der Regel nicht. Ich erkläre ihnen die Bedeutung: „Gans“. Der Name „Jan Hus“ bedeutet auf Deutsch also: „Hans Gans“. Wir alle in der Klasse haben ein kleines Lächeln auf dem Gesicht bei der Übersetzung des Namens. Dieses Lächeln verschwindet dann aber sehr schnell, wenn ich im Rahmen der Reihe über das Leben von Martin Luther auf den wohl berühmtesten böhmischen Reformator eingehe.
Genau 100 Jahre vor Martin Luther hat er gelebt. Er war von 1409 – 1410 Rektor an der Prager Universität. Er lehrte Theologie und Philosophie. Aber er war vom englischen Philosophen und Theologen John Wyclif (gest. 31.12.1384) beeinflusst, der eine Reformation der Kirche forderte. Dazu gehörte die Predigt in Landesssprache und das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Er kämpfte für eine Reform der verweltlichten Kirche und trat für die Gewissensfreiheit ein. Die Bibel war für ihn die einzige Autorität in Glaubensfragen. Nicht nur Kenner der Kirchengeschichte bemerken spätestens jetzt die Ähnlichkeit mit der Lehre von Martin Luther. Deshalb gilt er nicht nur als Vorreformator, sondern als der grundlegende Vorbereiter von Martin Luther. Aber er hatte noch nicht den Buchdruck zur Hand und konnte so seine Lehren noch nicht unter das breite Volk mischen. Aber wie 100 Jahre später sollte eine große Versammlung die theologischen Fragen klären. Er erhielt freies Geleit zum Konzil nach Konstanz. Gut drei Wochen, nachdem er dort angekommen war, kam er in das Gefängnis und wurde teilweise gefoltert. Nach etwa einen halben Jahr wurde Jan Hus am 06.07.1415 und damit genau heute vor 605 Jahren zum Feuertod verurteilt und am Scheiterhaufen getötet. Er soll gesagt haben: „Jetzt verbrennt ihr eine Gans. Einmal wird ein Schwan kommen, den werdet ihr nicht verbrennen können“. Das Familienwappen von Martin Luther war der Schwan. Und so wird dieses Wort als prophetisches Wort auf Luther gedeutet. Ob diese Geschichte nur eine Legende ist, kann ich nicht beurteilen. Aber es drückt aus, was die Kirchengeschichte gelehrt hat.
Martin Luther wurde von seinen Freunde vor der Fahrt zum Reichsparteitag nach Worms im April 1521 davor gewarnt, dass er dasselbe Schicksal wie Hus erleiden würde, weil man sich nicht auf das freie Geleit des Kaisers verlassen kann. Aber Luther widerstand diesem Rat und fuhr hin. Er hatte eben mehr Möglichkeiten im öffentlichen Raum als Jan Hus. Und so wurde aus der brennenden Gans tatsächlich der siegende Schwan. Seit 1925 ist der Todestag von Jan Hus, der 6. Juli, in der damaligen Tschechoslowakei und im heutigen Tschechien ein Staatsfeiertag. Und das ist ein sehr gutes Beispiel, wie Gott aus einer Krise neues Leben auferstehen lassen kann. Jan Hus hat gelebt wie er das selbst einmal so ausgedrückt hat: „Darum frommer Christ, suche die Wahrheit, höre auf die Wahrheit, lerne die Wahrheit, liebe die Wahrheit, sprich die Wahrheit, halte die Wahrheit fest, verteidige die Wahrheit bis zum Tode denn die Wahrheit befreit dich von der Sünde, vom Teufel, vom Tod der Seele und schließlich vom ewigem Tod“.