Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, update 114 vom 07.07.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Es ist Juli 1983. Vor mir liegt der Brief vom Landeskirchenamt. Im Brief liegt die Nachricht über den Predigttext anlässlich meines zweiten Examens. Lukas 17, 11 – 19 wird mir als Predigttext zur Aufgabe gestellt. Ich sollte meinen Examensgottesdienst im Mai 1984 halten. Es ist nie ganz einfach, schon fast ein Jahr vorher sich konkrete Gedanken zu einem Predigttext zu machen. Er soll ja auch aktuell sein. Damals war es noch so, dass der Gottesdienst dazu nicht in der Vikariatsgemeinde stattfinden durfte. Jetzt ist das anders. Aber diese Vorgehensweise beschert mir einen besonderen Gottesdienstraum. Es ist die Kirche auf dem Johannesfriedhof in Nürnberg. Nur dieses eine Mal habe ich dort gepredigt. Und nur noch ein weiteres Mal, im Mai 2003, war ich dort in der Kirche bei der Beerdigung von John Mac Farlane, der auch in Altensittenbach insgesamt sechs Mal Vorträge gehalten hat.

Lukas 17, 11 – 18: „Die zehn Aussätzigen“ lese ich. Mir fallen sofort Worte meines Heimatpfarrers aus dem Religionsunterricht der Grundschule ein. „Nur einer ist umgekehrt und hat dem Jesus gedankt“. So hat er die Geschichte zusammengefasst und so habe ich sie immer verstanden. Geschichten mit solch einer klaren und eindeutigen Botschaft reizen mich, besonders genau hinzusehen und zu ergründen, ob nicht auch andere Botschaften in den Worten Jesu stecken. Geht es wirklich nur um ein „Dankbar sein“ im allgemeinen Sinn. So hatte ich dazu schon Predigten gehört. Aber dann würde diese Erzählung doch besser zum Erntedankfest passen – so mein erster Eindruck. Dieser Text an Kantate. Also muss sie irgendetwas mit dem Singen zu tun haben. Es hilft nichts. Ich musste mich sehr intensiv und genau mit dem Text auseinandersetzen. Die Arbeit wird auch von genau drei Korrektoren (ein Oberkirchenrat, ein Dekan, ein Pfarrer) gelesen, dann muss sie schon auch sehr intensiv bearbeitet sein.

Und tatsächlich! Ich werde überrascht! Es geht bei diesem Wunder vor allem und genau darum, was ich vor zwei Tagen beschrieben habe: Das Ziel ist, in Jesus den Christus zu erkennen. Es geht weniger um das allgemeine Thema „Dankbarkeit“ (auch wenn das durchaus sehr wichtig ist). Es ist nämlich so, dass alle zehn Aussätzigen sich aufmachen und zum Tempel gehen. Dort sitzen die Priester und nur sie entscheiden, ob jemand noch aussätzig ist oder nicht. Neun von ihnen gehen zum Tempel nach Jerusalem. Dort angekommen stellt der Priester fest, dass sie nicht mehr aussätzig sind. Sie zeigen ihren Dank gegenüber Gott mit einer vorgeschriebenen Liturgie, die im 3. Mose 14 genau beschrieben ist. Also nicht nur der eine Samariter war dankbar, auch die anderen neun waren es. Was war dann bei diesem einen Samariter anders? Warum hat ihn Jesus so herausgestellt?

Dieser Eine ging nicht zum Tempel nach Jerusalem, sondern zum Tempel der Samariter nach Garizim. Auf dem Weg dorthin wurde er wie die anderen gesund. Aber er ging – im Gegensatz zu den anderen neun – nicht weiter, sondern kehrt um und fällt vor Jesus mit seinem ganzen Körper auf die Erde. Der Fachausdruck hierfür ist „Proskynese“. Mit seinem ganzen Körper mit dem Gesicht nach unten vor jemanden fallen bedeutet: „Du bist mein Herr. Dir habe ich alles zu verdanken. Ich ehre Dich und lobe Dich für das, was Du an mir getan hast und auch weiterhin tust. Ich gebe dir mein Leben im Vertrauen, dass Du es gut mit mir meinst“.

Wer genau den Text liest, stellt fest, dass Jesus nicht sagt: „Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott dankbar zu sein…“. Nein. Jesus sagt: „Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde“? Bei diesem Wunder der Heilung der Aussätzigen geht es darum, dass durch das Wunder Gott die Ehre gegeben und Jesus als Herr anerkannt wird. Wir erleben hier Wunder in seiner ursprünglichen Bedeutung: es ist Zeichen des Beginns des Anbruches des Reich Gottes durch Jesus Christus. Der eine Samariter hat das erkannt, die anderen neun Geheilten leider nicht. Für sie blieb Jesus eine Episode in ihrem Leben. Für den Samariter war seine Lebenskrise der Krankheit und die Heilung davon der Beginn eines neuen Lebens mit Gott. Wer wird diesen Weg durch die Coronakrise mitgehen?

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