Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 178 vom 09.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Zu den Siegern gehören wollen (dieses Update ist in verkürzter Form im Gemeindebrief September/Oktober 2020 veröffentlicht worden)

Am 17.06.2020 sitzen die Pfarrer der Regionalgruppe Hersbruck im Nikolaus-Selnecker-Haus zusammen. Überlegt wird, ob und wann wieder ein gemeinsamer Gemeindebrief inmitten der Coronakrise geschrieben werden soll. Ende August/Anfang September soll einer erscheinen. „Wer macht die Andacht auf der ersten Seite? Gerhard, Du hättest doch diese beim normalen Gemeindebrief Anfang Mai geschrieben. Wie wäre es also damit?“ „Ja, stimmt. Ich hatte zwei tolle Bilder von Schülerinnen aus der vierten Klasse zum Pfingstgeschehen und die Andacht war schon abgeschickt. Aber von diesem Thema kann ich jetzt erst einmal nicht mehr schreiben“. „Dir fällt schon etwas ein. Schließlich schreibst Du doch seit dem 16.03. jeden Tag etwas“. „O.k., mach ich. Irgendetwas wird mir schon einfallen“.

Aber welches Thema soll ich jetzt Ende August/Anfang September nehmen? „Nicht schon wieder etwas über Corona“ – war mein Stoßseufzer. Der „normale“ Gemeindebrief wäre Ende Juli erschienen. Ganz klar: Da ist das Thema „Urlaub, Ruhe, Erholung“ dran. Da hat die Bibel viel zu sagen. Erntedankfest ist auch erst im Oktober. Zu spät für ein Thema auf der ersten Seite. Also nehme ich meinen Kalender her und denke über Tage Anfang September in meinem Leben nach.

Da fallen mir Gedanken zum 09.09. ein. Und damit habe ich mein Thema. Denn ich erinnere mich an den 09.09.1966. Es ist ein Freitag. Ich stehe mit so zehn anderen Jungs in der Mitte unseres Dorfes Habelsee. Jeder hat sein Fahrrad in der Hand und es kommt zum Gespräch. Die anderen diskutieren lebhaft über eine Fußballmannschaft, den sie den „Club“ nennen. Ich habe keine Ahnung von wem sie reden. In mir ist mit meinen acht Jahren eine Fußballbegeisterung erst vor kurzem erwacht, weil ich die Fußballweltmeisterschaft in England verfolgt habe. Das sog. „Wembleytor“ ist heute noch in aller Munde bei Fußballkennern. Meine Freunde reden und reden über den „Club“ und wie toll dieser ist und dass er deutscher Rekordmeister ist. Diese Empathie hat mir gefallen. Im Stillen habe ich bei mir gedacht: Ich will jetzt auch ein Fan des besten deutschen Fußballvereins sein. Aber wie bekomme ich das heraus? Ich denke mir: „Na, das ist der, der morgen am höchsten gewinnt“.

Gespannt warte ich auf die Ergebnisse des Spieltages. Am Abend in der Sportschau passe ich genau auf und lese, dass der Karlsruher SC zu Hause gegen Bayern München mit 1 : 6 verloren hat. Keine andere Mannschaft hat an diesem Spieltag höher gewonnen. Also muss dieser Verein, der FC Bayern München, jetzt mein Verein sein so wie auch bei den anderen Freunden im Dorf. Einen Tag später habe ich stolz verkündet, dass ich jetzt auch wie sie Fan von Bayern München bin. Aber die anderen schauen mich mitleidenswert an. „Fan von Bayern München. Bist du blöd? Wie kannst du das denn sein? Diese Mannschaft ist doch erst einmal deutscher Meister geworden. Wir sind Fans vom 1. FC Nürnberg“.

Da hatte ich es. Anscheinend hatte ich auf das falsche Pferd gesetzt. Mir war damals wichtig, ganz vorne dabei zu sein. Ich wollte zu den Siegern gehören. Damals gewann übrigens Fortuna Düsseldorf bei Hannover 96 mit 2 : 0. Viel hätte also nicht gefehlt und ich wäre Fan von Fortuna Düsseldorf geworden. Offenbar hatte ich im Hinterkopf schon etwas geahnt von dem, was Paulus so ausdrückt: „Wisst ihr nicht: Die im Stadion laufen, die laufen alle, aber nur einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge, jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen“ (1. Korinther 9, 24 – 25).

Und irgendwie wollte ich zu den absoluten Siegern gehören. Das Gelächter der anderen von damals höre ich manchmal heute noch in meinen Ohren. Heute allerdings lacht mich dafür keiner mehr aus.

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