Wenn Corona will, steht (wieder) vieles still, Update 230 vom 31.10.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Was Edgar Wallace mit Martin Luther zu tun hat

Als Kind durfte ich die Edgar-Wallace-Krimis nicht anschauen. Solche schreckliche Szenen wollten meine Eltern den Kindern vorenthalten. Vermutlich hatten sie auch Recht. Aber heute bin ich ein Fan davon geworden. Nicht nur, dass so bekannte Schauspieler wie Joachim Fuchsberger, Eddie Arent, Eva Pflug oder Siegfried Lowitz mitgespielt haben faszinieren mich, sondern auch die Titel sind sehr kreativ: „Der Hexer“, „Der Frosch mit der Maske“, „Der unheimliche Mönch“ oder auch „Das Messer“ bauen schon vom Titel her Spannung auf. Die Filme zeigen zumeist Szenen in der Nacht. Ein Nebel zieht auf, das eigene Gesicht ist kaum zu erkennen, Schatten sind zu erahnen – ich sitze immer wieder gespannt vor dem Fernseher. Und vor allem auch: Es gibt am Ende oft keine Lösung. Es sind keine „08/15-Krimis“. Dazu kommt, dass sie immer noch (Gott sei Dank) in Schwarz-Weiß gezeigt werden. Dadurch wird die Atmosphäre dunkel gehalten.

Ich gestehe: So habe ich mir das vorgestellt, was am 31.10.1517 in Wittenberg geschehen ist. Es ist sehr spät am Abend. Ein 34-jähriger Mann zieht mit Hammer, Nägel und einem großen Blatt in Richtung der Schloßkirche. Er schaut nach links und nach rechts. Er versucht sich hinter seiner Professorenkleidung zu verstecken. Niemand soll merken, was jetzt gleich geschieht. Er geht zum Eingangstor und hämmert mit gezielten Schlägen sein Papier an das Tor. Er schlägt nicht zu heftig zu, damit niemand aufgeweckt wird. Nach getaner Arbeit schleicht er sich in sein nahegelegenes Haus zurück. Martin Luther als Teil eines Krimis. Das war für mich immer eine wundervolle Vorstellung. Und meine Pfarrer und Religionslehrer haben dieser Version immer auch Nahrung gegeben.

Leider stimmt sie so nicht. Die 95 Thesen von Martin Luther waren vorher längst in lateinischer Sprache geschrieben. Sie waren ein Impuls zu einer Disputation an der Universität. Martin Luther war Professor für Altes und Neues Testament. Es war durchaus Brauch, dass Professoren solch ein Streitgespräch angefangen haben um neue Erkenntnisse mit Studenten und Kollegen zu diskutieren. Von heimlicher Abfassung und Veröffentlichung dieser Thesen kann also keine Rede sein. Aber immerhin: dieses Mal sollte solch eine Schrift die Welt erzittern lassen. Denn am 1. November feiert die katholische Kirche bis heute den Allerheiligentag. Da kamen viele Menschen in die Kirche um einen Gottesdienst zu feiern. Martin Luther wollte, dass auch ganz „normale“ Mitbürger seine Thesen lesen konnten, die es tatsächlich in sich hatten. Studenten übersetzten sie deshalb in die deutsche Sprache und so konnte auch der „gemeine“ Mann sie lesen. Und an einem Tag waren Hunderte von Wittenberger informiert. Innerhalb sehr kurzer Zeit wurden die Thesen gedruckt und als „Flyer“ weit verbreitet. Erst dann nahm die Leitung der katholischen Kirche das Wirken von Martin Luther ernst und es gab verschiedene Streitgespräche mit Vertretern aus Rom, von denen ich schon im Mai als Updates geschrieben habe. Im Gegensatz zu Jan Hus 100 Jahre vorher, wusste Martin Luther die „neuen“ Medien zu nutzen, weil erst ungefähr 40 Jahre vorher Gutenberg die Buchdruckkunst erfunden hatte.

Und so gilt der 31.10. bis heute als Geburtstag der evangelischen Kirche, obwohl Martin Luther keine eigene Kirche gründen wollte, sondern sich für eine Reform der bestehen Kirche aussprach. Aber dazu war es jetzt zu spät und seine Thesen zu extrem. Und auf seine Forderung nach einem Reformkonzil wurde auch nicht eingegangen. Und so lernen noch heute die Menschen die vier Allein-Bestimmungen von Martin Luther: Allein Christus – allen der Glaube – allein die Schrift – allein aus Gnade. Und das soll auch weiterhin so verkündigt werden. Und deshalb plane ich, zumindest in der kommenden Reformationswoche dieses Thema noch einmal aufzugreifen.

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