Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Die drei Weisen und die Frau
In diesem Jahr habe ich viele Gedichte und Geschichten um das Weihnachtsfest erhalten. Es war Lustiges dabei und dann wieder Geschichten zum Nachdenken. Ich habe durchaus Sinn für Beides. Eine Geschichte hat mich aber besonders angesprochen. Das ist die Geschichte „Die drei Weisen und die Frau“. Sie stammt von Katja Süß und diese Erzählung will ich heute weitergeben:
„Was die alten Geschichten nicht erzählen, ist, dass mit den drei Weisen, die das Kind suchten und fanden, auch eine Frau unterwegs war. Mit den drei Männern folgte sie dem Stern, befragte Herodes und kam nach Bethlehem. Aber dort ging sie nicht mit in das Haus, nur durch ein Fenster sah sie das Kind mit seiner Mutter und die drei, die vor dem Neugeborenen niederknieten, ihre Schätze auftaten und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe schenkten, als habe sie nicht damit zu tun.
Bald wandte sie sich um, ging raschen Schrittes davon. Sie hatte ihren Sinn schon auf die Heimat gerichtet, aber plötzlich hielt sie inne und lief zurück, zurück zum Kind. Den Stern brauchte sie nicht mehr, denn der Ort war noch in ihrem Herzen. Und jetzt kniete auch sie vor dem Neugeborenen nieder und reichte ihm ihre Gabe: ihren Wanderstab. „Nimm meine Starrheit“, sagte sie. „Mein unerlöstes Bestreben, alles richtig zu machen, meine Angst, man könne mir einen Fehler nachweisen. Mit deinen Augen vermag ich zu sehen, wie ich dadurch viele Menschen zurechtweise und auf Distanz halte. Du kleingewordener Gott, du vollkommene Liebe zum unvollkommenen, lehr mich deinen Blick. Lehr mich sein wie du“.
Sie schaute das Kind an und ahnte: Der Same war gelegt, das Neue konnte wachsen in ihr. Noch im Hinausgehen zögerte sie: „Und wenn ich jetzt stolpere – ohne Stock, ohne Stütze…?“ Doch ehe sie die Frage beendet hatte, wusste sie: „Dann stehe ich wieder auf. Ich kann jederzeit zurückkehren zu diesem Kind, zu diesem neuen Anfang. Jeden Tag, jede Minute werden Kinder geboren, und mit jedem von ihnen beginnt das Leben neu. Jeden Augenblick neu kann aus meinem Nein ein Ja werden – ein Ja zu dem, was ist. Jetzt kehre ich wirklich auf anderem Weg heim“, dachte sie und ging“.