Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Palliativ betreute Menschen impfen?
Viele Hoffnungen werden jetzt auf die verschiedenen Impfstoffe gesetzt. Offenbar haben viele Wissenschaftler auf der ganzen Welt zusammengearbeitet und so wurden im Schnellverfahren verschiedene Vakzine entwickelt. Viele Länder haben eine besondere Impfstrategie entworfen. Deutschland gehört auch dazu. Zuerst sollen die Menschen, Ärzte und Pfleger/-innen in den Alten- und Pflegeheimen geimpft werden. Neben Erfolgen gibt es nach den ersten Tagen auch negative Rückmeldungen. So sind einige Bewohner dieser Heime einige Tage nach der Impfung an Corona erkrankt und gestorben. In einer Woche wurden mir sechs Beerdigungen für unseren Friedhof gemeldet. Es sind alles Menschen, die zuletzt in einem Heim gelebt haben und an Corona gestorben sind.
Vorgestern habe ich dann eine besondere Meldung gelesen: „Geimpfte Bewohnerin in einer stationären Palliativstation nach der Impfung an Corona erkrankt und gestorben“. Diese Schlagzeile hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Ich habe selbst schon mehrere Leute seelsorgerlich betreut, die palliativ behandelt worden sind. Dieser Lebensabschnitt bereitet einen Menschen auf das Sterben vor. Helfer/-innen sind da und begleiten 24 Stunden. Jederzeit kann ein Arzt gerufen werden, der sofort kommt. Viele Menschen in diesem Stadium haben diese Begleitung sehr geschätzt im Wissen: Mein eigenes Sterben steht unmittelbar vor der Tür. Bei den verschiedenen Verstorbenen in letzter Zeit war kein einziger dabei, der trotz Corona einen „schlimmen“ Tod hatte. Mittels Medikamente konnte sehr gut geholfen werden, so dass der Sterbende ohne Schmerzen in Ruhe „einschlafen“ konnte. Ich bin darüber dankbar trotz aller Trauer für die Angehörigen.
Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob es eine gute Entscheidung ist, Menschen bei Palliativbehandlung zu impfen und womöglich einer zusätzliche Coronainfizierung auszusetzen. Ich weiß auch nicht, ob diese Impfung immer im Sinne des Patienten geschehen ist. Oder ist es vielleicht Ausdruck dafür, dass ich als Mensch machtlos gegenüber den Tod bin und mit allen Mitteln versuche, diesen „nicht wahr werden zu lassen“.
Ich denke daran, dass ich bei fast jedem Beerdigungsgespräch die bekannten Worte aus dem Psalm 91, 12 bete: „HERR, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“. In diesen Tagen ist mir dieser Gedanken wieder viel bewusster als sonst. Beim Gebet füge ich dann immer auch noch hinzu: „… und dir nachfolgen“. Und das ist mir ganz wichtig.