Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Johann Heinrich Wichern – der Gründer der Inneren Mission
„Jedes Kind ist etwas Einzigartiges, so dass ihm eine individuelle Pflege und Behandlung zustehe. Der Mensch habe die Fähigkeit, sich zum „Guten“ zu entscheiden oder aber seine Neigung zum „Bösen“ auszuleben. Der Mensch ist eine freie Persönlichkeit, deshalb sollen Kinder und Jugendliche in Freiheit erzogen werden. Die Erlösung zum „Guten“ kann nur durch den christlichen Glauben geschehen“. Ich finde diese Grundsätze sehr interessant. Sie klingen sehr modern, sind aber schon über 150 Jahre alt. Sie haben dazu geführt, dass sie Teil einer ganzen Bewegung geworden sind.
Sie stammen von Johann Heinrich Wichern, der heute vor genau 140 Jahren, am 07.04.1881 in Hamburg gestorben ist. Im evangelischen Kalender ist das deshalb sein Gedenktag. Sein Erziehungskonzept ist eingebettet in die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts und geprägt vom sog. „Wiedergeburtserlebnis“. Es geht darum, dass Menschen sich bewusst für Jesus als ihren Herrn entscheiden und ihr Leben und Handeln davon geprägt ist. Mit 25 Jahren hat Wichern 1833 das „Rauhe Haus“ gegründet. sie hatte den Zweck, ein Rettungsdorf für verhaltensauffällige oder starffällige gewordene arme Hamburger Kinder zu sein. Im Rettungsdorf lebten die Kinder nach dem Familienprinzip in Wohngruppen und wurden auf eine Lehre im Handwerk oder auf eine Tätigkeit als Dienstmädchen vorbereitet. später begann der Umbau zu einer Schulstadt mit Angeboten für Kinder in Lernschwierigkeiten.1839 wurde es um das „Brüderhaus“ für den Ev. Verein der „Inneren Mission“ erweitert. Neben der individuellen Verantwortung des Einzelnen sieht er auch die Politik des Staates in der Pflicht, verwahrlosten Kindern und Familien zu helfen.
Wichern hat viele Grundsätze und Erziehungskonzepte geschrieben und umgesetzt. Bekannt ist er vor allem auch durch die Einführung des Adventskranzes geworden. Als Kind ist mir schon hängen geblieben, dass die „Rummelsberger“ sich von ihm ableiten. Das hat auch damit zu tun, dass der Patenonkel meines Vaters eine Zeit lang Leiter des „Auhofes“ war, der bis heute von den Rummelsbergern geleitet wird.
Im Revolutionsjahr 1848 hielt Wichern seine berühmte Rede auf dem ersten evangelischen Kirchentag in Wittenberg. Sie hat über fünf Stunden gedauert. Wichern hat frei geredet und darin die Notwendigkeit der Inneren Mission begründet. Jedem neuen Kind sagte Wichern bei der Begrüßung zu Beginn des Wohnens im „Rauhen Haus“: „Mein Kind, dir ist alles vergeben. Sieh um dich her, in was für ein Haus du aufgenommen bist. Hier ist keine Mauer, kein Graben, kein Riegel, nur mit einer schweren Kette binden wir dich hier, du magst wollen oder nicht, du magst sie zerreißen, wenn du kannst, diese heißt Liebe und ihr Maß ist Geduld. Das bieten wir dir, und was wir fordern, ist zugleich das, wozu wir dir verhelfen wollen, nämlich, dass du deinen Sinn änderst und fortan dankbare Liebe übest gegen Gott und den Menschen“.