Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit (dieser Artikel erscheint heute als geistliches Wort in der Hersbrucker Zeitung)
Heute in einer Woche wäre es wieder soweit gewesen. Der Landkreislauf 2020 hätte gestartet werden sollen. Ende des vergangenen Jahres habe ich mich für diesen Samstag für das geistliche Wort eintragen lassen. Ich war der festen Überzeugung, mit ein paar Worten Menschen auf den Geschmack für diesen besonderen Event zu bringen. Aber ersten kommt es anders und zweitens als man denkt. Dennoch und gerade jetzt erinnere ich mich an eine besondere Begebenheit im Mai 2019.
Auf meiner Walkingtrainigsstrecke komme ich an ein bestimmtes Haus vorbei und grüße die Bewohner, wenn sie gerade davor stehen. Ich walke also vor einem Jahr wieder in Richtung dieses Hauses. Aus einem Auto steigen eine Frau und ihre etwa 5-jährige Tochter heraus. Wer mich kennt, weiß, dass ich das sog. Powerwalken liebe. Konkret heißt das: Ich walke relativ schnell und mit kräftigen Armzügen. Bei dieser Technik fühle ich mich wohl und ich habe dabei ein gutes Körpergefühl. Ich walke also an den beiden Zeitgenossen vorbei und höre wie das Kind zur Mutter sagt: „Mama. Was macht denn der Mann da?“ „Der macht Sport“ war die Antwort. Darauf das Kind: „Was, das soll Sport sein?“
Ich schmunzle. Vielleicht sieht solch ein Walken tatsächlich nicht wie ein „normaler“ Sport aus. Aber jedes Mal, wenn ich an diesem Haus jetzt vorbeiwalke denke ich an diese Worte des Kindes zurück und überlege mir: „Woran erkenne ich einen Menschen, der Christ ist“? Ist das nach außen zu sehen? Sieht das nach außen auch etwas komisch aus? „Was, das soll ein Christ sein“? Würde ein Kind das auch zu mir sagen, wenn mein Leben an ihm vorüberziehen würde? Wenn ich Kinder in der Schule oder Jugendliche in der Konfirmandengruppe danach frage, dann höre ich oft: Ein Christ ist, wenn „er jeden Sonntag in die Kirche geht“ oder „wenn er oft betet“ oder „wenn er fromme Lieder singt“ oder „wenn er anderen hilft“. Sind das Kriterien für ein Christsein?
Ich schaue in die Bibel und lande bei der Geschichte, wie Jesus seinen Jüngern im 13. Kapitel des Johannesevangeliums die Füße wäscht. Am Schluss sagt er: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr und der Gesandte nicht größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr dies wisst – selig seid ihr, wenn ihr es tut“ (Jo 13, 15 – 17). Interessant ist, dass oft nur der erste Vers zitiert wird. Dann bleibt es beim Kennzeichen eines Christen nur bei der sozialen Tat. Die anderen beiden Verse zeigen, dass es hier noch um etwas ganz anderes geht. Jesus hat den Sklavenschurz angezogen und sich ganz unter seine Jünger gestellt. Er hat ihnen gedient wie ein Sklave seinem Herrn dient. In dieser Haltung ist er auch mit dem Sklavenschurz am Kreuz gestorben. Es geht darum, nicht größer sein zu wollen. Es geht darum, dass ich in verantwortungsvollen Tätigkeiten mich nicht über den anderen erhebe. Und umgekehrt. Menschen stehen in gegenseitiger Verantwortung vor Gott und sollen in diesem Wissen Entscheidungen treffen. Und das ist in dieser Coronakrisenzeit wichtiger denn je, damit Menschen eine lebenswerte Zukunft haben.