Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 79 vom 02.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunkeln Laub die Goldorangen glühn, ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Myrte still und hoch der Lorbeer steht? Kennst du es wohl? Dahin! Dahin möchte ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn“.

Das ist kein biblischer Text und auch kein Gesangbuchlied. Es ist eine besondere Dichtung von Johann Wolfgang von Goethe. Er beschreibt darin in einzigartiger Weise seine Eindrücke, die er während seiner 19-monatigen Reise in Italien hatte und die er am 03.09.1786 begann. Tagebuchartig beschreibt er die Gefühle und Erlebnisse seiner Route. Auch am Gardasee gibt es überall die Spuren dieses Dichters zu sehen.

Heute am 02. Juni 2020 wollten meine Frau und ich in dieser Region den diesjährigen Urlaub beginnen und 14 Tage dort verbringen. Er fällt aus. Und so können wir beide in diesem Jahr diese besondere Atmosphäre am Gardasee nicht einatmen.

Im vergangenen Jahr haben wir beim Gottesdienst in Arco ein Ehepaar aus Hersbruck getroffen. Vor zwei Wochen treffe ich zufällig den Mann am Hersbrucker Bahnhof rechts der Pegnitz. Er hält an und sagt: „Herr Metzger. In diesem Jahr treffen wir uns ja leider nicht in Arco im Gottesdienst“. Da klang schon ein wenig Wehmut heraus. Er hat mir erzählt, dass er seit 25 Jahren dort hinfährt.

Am westlichen Uferrand gibt es die Ortschaft Limone. Es hat kaum über 1000 Einwohner und ist in normalen Zeiten überfüllt. Dort wird die Aussage gepflegt, dass es die Gegend mit dem nördlichsten Anbaugebiet der Zitrone ist. Und dass von dieser Frucht auch der Name “Limone“ kommt. Am Hang haben die Einheimischen die „Limoneia“ gebaut. Dort kann auf Terrassen die Geschichte dieser besonderen Frucht erkundet werden. Diese Herleitung des Namens „Limone“ aus der Zitronenfrucht ist zwar vermutlich ein „Fake“, aber Touristen stören sich daran nicht. Der Name rührt wahrscheinlich von der Bezeichnung „Limes“ und steht für Grenze, weil Limone einst die Grenze der Republik Venedig und Österreich war.

Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade daraus“ – so sagt ein Sprichwort. Ich soll mich also nicht von meinen schwierigen Tagen zu sehr beeinflussen lassen, sondern das Gute und Schöne auch in schwierigen Zeiten entdecken. Ein Wort wie geschaffen zur Coronakrise. Ich war natürlich neugierig, ob es das Wort „Zitrone“ auch in der Bibel gibt. Hat das Sprichwort vielleicht sogar auch einen biblischen Ursprung im Wortlaut?

Da frage ich doch mal Herrn Google. Das Wort „Zitrone“ gibt es im Alten Testament nicht. Aber ich finde tatsächlich einen mir bisher anderen unbekannten Hinweis. Beim jüdischen Laubhüttenfest spielt sie eine wichtige Rolle. Sie gehört zum vorgeschriebenen Feststrauß neben Palmzweig, Myrtenzweig und der Bachweide. Als religiöses Symbol steht sie für die religiöse und nationale Einheit der Juden. Sie ist im Heiligen Land auf zahlreichen Fresken, Mosaiken, Grabmälern und rituellen Gegenständen ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. zu sehen. Beim Gebet wird sie in der linken Hand gehalten, die anderen drei Pflanzen zusammengebunden in der rechten Hand. Wer hätte das gedacht, dass die Zitrone solch eine besondere Bedeutung im Judentum hat! Daran werde ich heute an diesem Tag ganz besonders denken. Immerhin ist der 2. Juni für die Italiener der Nationalfeiertag. Es wird an die Gründung des gegenwärtigen Nationalstaates gedacht. Und vielleicht klappt es ja wieder in einen der nächsten Jahren. Dann werde ich in Limone sul Garda mir eine Zitrone in die linke Hand nehmen und an die alttestamentliche Bedeutung dieser Frucht denken.

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