Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
„Heute müsst ihr alle dabei sein. Ihr erlebt etwas Besonderes“. Diese Ankündigung eines anderen Jungen aus unserem Dorf Habelsee hat mich als 5-jähriger zum Erstaunen gebracht. Was war geschehen? Im Dorf war ein Mann gestorben. Das war nichts Besonderes. Normal war auch, wie die Dorfkinder damit umgegangen sind. Alle Schulkinder sangen im „Beerdigungschor“. Dieser wurde vom Dorflehrer geleitet. Das gehörte zu seinen Pflichten. Aber diese Aufgabe auszuführen war gar nicht so leicht. Es gab in den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bei uns noch keine Leichenhalle. Der Tote wurde zu Hause im Wohnzimmer für drei oder vier Tage aufgebahrt. Die Bewohner des Dorfes versammelten sich vor dem Wohnhaus und zogen in einem langen Zug vom Haus direkt Richtung Friedhof zum Grab. Vorneweg die Schulkinder, die in der Regel bekannte Beerdigungschoräle sangen.
Die Kinder, die noch nicht in der Schule waren, durften nicht auf das Friedhofsgelände. Warum das so war, wusste keiner. Vermutlich wollten die Erwachsenen Kindern, die noch nicht in die Schule gingen, eine Beerdigung nicht zumuten. So versteckten wir uns während der Bestattung draußen hinter der Friedhofmauer. Als Grundsatz galt: Die Erwachsenen durften uns nicht sehen!! Also haben wir uns wie Cowboys und Indianer versteckt so als würden die Erwachsenen nicht wissen, dass wir heimlich zuschauen.
Aber an diesem Tag sollte ja etwas „Besonderes“ sein. Meine spannungsvolle Erwartung sollte nicht enttäuscht werden. Im Friedhof stand nicht der auch schon mir bekannte evangelische Pfarrer im schwarzen Talar. Es war ein Mann mit weißem Umhang und zwei Kinder mit ebenfalls weißen Umhängen. Ab und zu nahm der Mann ein Art Seil mit einem runden „Etwas“ und schlenkerte dieses in die Luft, so dass sich ein komischer Duft verbreitete. Ich war zuerst verwirrt und sprachlos. Nach einer Weile fragte ich die anderen, wer dieser Mensch sei und ob jemand diesen schon einmal gesehen hat. Die Antwort war: „Das ist ein Marsmensch“. „So sieht also ein Marsmensch aus“ – war mein Gedanke. Und noch heute denke ich immer wieder an diese Geschichte in meiner Kindheit zurück, wenn ich irgendwas vom Mars höre.
Zur Zeit laufen Pläne, dass vielleicht in 30 Jahren Menschen zum Mars fliegen könnten. Und wer weiß, vielleicht sehen sie dann Marsmenschen, die wie katholische Priester aussehen. Immerhin: So habe ich bei der Beerdigung des einzigen katholischen Einwohners von Habelsee zum ersten Mal Ministranten gesehen.
Warum mir gerade heute diese Gedanken gekommen sind? Weil katholische Christen heute den Fronleichnamstag feiern. In dem streng evangelischen Westmittelfranken haben die evangelischen Bauern an diesem Tag gearbeitet. Zu ihrer Ehrenrettung muss aber gesagt werden, dass dieser Festtag für einen Landwirt immer in die arbeitsreiche Zeit Mai/Juni fällt. Aber die Wertschätzung der Eucharistie bzw. der Feier des Hl. Abendmahles können evangelische Christen hier gut von den katholischen Christen lernen.