Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 99 vom 22.06.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Pfr. Dr. Siegfried Schwemmer

Albert Camus, die Pest und Corona

Im März 2020, mit der ersten Phase der Ausgangssperre und den persönlich erfahrbaren Konsequenzen der sogenannten Corona-Krise ist Albert Camus Klassiker der Weltliteratur »Die Pest« in der 88. Auflage erschienen. Camus (1913-1960), der »Philosoph des Absurden« bringt seine Philosophie auch in seinen Romanen und Stücken zum Ausdruck.

Am Ende von »Die Pest« feiern die Menschen in der Stadt Oran das Ende der Quarantäne. Der Arzt, Doktor Rieux, beendet als Chronist des Geschehens seinen Bericht: „Während Rieux den Freudenschreien lauschte, die aus der Stadt aufstiegen, erinnerte er sich … daran, dass diese Freude immer bedroht war. Denn er wusste, was dieser Menge im Freudentaumel unbekannt war und was man in Büchern lesen kann, dass nämlich der Pestbazillus nie stirbt und nie verschwindet, dass er jahrzehntelang in den Möbeln und in der Wäsche schlummern kann, dass er in Zimmern, Kellern, Koffern, Taschentüchern und Papieren geduldig wartet und dass vielleicht der Tag kommen würde, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und zum Sterben in die glückliche Stadt schicken würde“ (ebd. 350)

Der Pestbazillus ist da, so wie Corona immer da war und da sein wird. Auch Corona gehört zum Leben und ist lebendig, wird sich verändern, mutieren, so wie sich der Virus schon immer verändert hat. Auch der Grippevirus ist lebendig und Teil unseres Lebens. Wir entkommen dieser Realität nicht. Und doch wiegen wir uns in scheinbarer Sicherheit, hoffen auf die Impfung, auf Medikation, auf die Zeit danach. Wir verdrängen und vergessen. Der Alltag ergreift Besitz von uns. Wir kehren zurück zu unseren den Geschäften.

Der Alte in Camus Roman sagt es am Ende lachend und röchelnd: „Ich höre sie jetzt schon: »Unsere Toten …«, und dann gehen sie zum Essen … Der Alte hatte recht, die Menschen waren immer gleich. Aber das war ihre Kraft und ihre Unschuld, und hierin fühlte Rieux, dass er sich ihnen über allen Schmerz hinweg anschloss“ (ebd., 349).

Und doch: Die Pest, die Pandemie, der Corona-Virus … Sie alle zeigen und erinnern uns: Das Leben ist nicht selbstverständlich. Es ist wertvoll. Es ist bedroht. Es ist in der Gefahr uns genommen zu werden. Jesus mahnt uns zur Achtsamkeit: „Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber Schaden nimmt an seinem Leben?“ (Matthäus 16,26)

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