Mein Oma Maria war eine mutige Frau
Morgen am 15.08. ist also dieser für evangelische Christen etwas komische Feiertag: „Maria Himmelfahrt“. Immerhin ist dieser Tag im Saarland und in Bayern gesetzlicher Feiertag in Kommunen, in denen mehr katholische Mitglieder als evangelische Mitglieder wohnen. Deshalb wird es bei jeder Volkszählung spannend, ob es Kommunen gibt, bei denen sich das Verhältnis seit der letzten Zählung verändert hat. Hoffentlich kommt es bei knappen Ergebnissen nicht zu einer Situation wie in Gräfendorf in der Rhön im 16. Jahrhundert. Wenn eine Frau dort schwanger war und langsam der Geburtstermin nahte, dann wurde der „Wunschpfarrer‘“ vorher gerufen. Er postierte sich notfalls auch mehrere Tage vor dem Haus um das Geborene sofort nach der Geburt entsprechend zu taufen. Ob jemand katholisch oder evangelisch war, entschied sich also nach der Schnelligkeit des jeweiligen Pfarrers. Da soll noch jemand sagen, dass früher alles besser war!!!!!
Mit dem Vorname Maria hat es in Bayern noch eine besondere Bewandtnis. Es ist der einzige weibliche Vorname, der als Zweitname auch bei Jungs gegeben werden kann wie z.B. der Modedesigner Guido Maria Kretschmer oder der Schauspieler Günther Maria Halmer oder auch der Dichter Rainer Maria Rilke. Immerhin ist Maria nicht nur die Mutter von Jesus, sondern auch die Schutzheilige von Bayern (Patrona Bavariae). Ich habe persönlich noch eine andere Frau mit diesem Namen im Blick. Es ist meine Oma Maria aus Endsee. 1931 hat sie den Nachbarsohn geheiratet und insgesamt vier Kinder geboren. Sie war eine für die damalige Zeit typische Bauersfrau, die für Familie, Haushalt, Kindererziehung und Hof da war. In meiner Erinnerung war sie als Ergebnis ihrer harten Arbeit gekrümmt, zuletzt fast um 90 Grad. Sie hat aber nie geklagt. 1994 ist sie mit über 80 Jahren gestorben. Sie war eine Frau wie es viele in dieser Generation gab. Das Leben dieser Frauen kurz zusammengefasst heißt: Kurz nach der Jahrhundertwende geboren – den ersten Weltkrieg als Kind oder Jugendliche erlebt – kurz vor dem zweiten Weltkrieg geheiratet und während des Krieges die Kinder erzogen. Dann die Angst um den Mann. Viele haben ihren Mann verloren, manche erst im Volkssturm. Wenn heute jemand von Unfreiheit und von den schlimmen Einschränkungen durch Corona spricht, dem empfehle ich unbedingt ein Gespräch mit Menschen der Kriegsgeneration. Da gab es ungleich mehr Einschränkungen und Ängste!!
Erst vor wenigen Jahren hat mir mein Vater erzählt, dass sie ganz offen eine Hitlergegnerin war. „Wie könnt Ihr nur dem Hitler so viel glauben?“ So würde ich die Worte meines Vaters über seine Mutter zusammenfassen. Offenbar war das so offensichtlich, dass der Ortsgruppenleiter der NSDAP des Dorfes mit meinem Opa ein „ernstes“ Wort reden musste und meinte, er soll auf seine Frau mehr „aufpassen, was sie sagt“. Immerhin: Zu einer ernsthaften Gefahr für sie selbst wurde ihre Haltung nicht. Und darüber waren dann alle froh. Am Ende ihres Lebens musste sie noch mit einem Tumor kämpfen. Aber der Arzt hat gleich gesagt: „In solch einem Alter wächst der ganz langsam. Da können sie noch lange gut mit leben“. Und so war es dann auch. Sie starb wie ihr Mann, als „sie alt und lebenssatt“ war (siehe mein Update 120 vom 13.07.2020).