Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 166 vom 28.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Das Kind der Tränen

Ein Mann von 31 Jahren geht abends durch die Straßen von Mailand. Er ist auf dem Weg nach Hause. Eigentlich könnte er ganz zufrieden sein. Nach einigem hin und her in seinem Leben, lebt er als Professor im Zentrum des römischen Kaiserreiches. Er wird oft als Festredner bei Geburtstagen und anderen Anlässen eingeteilt. Diese Funktion ist nach heutigen Maßstäben mit einem Regierungssprecher zu vergleichen Er lebt mit eine Frau in einer nichtehelichen Gemeinschaft zusammen und die beiden haben einen Sohn. Er trennt sich von der Frau. Er soll heiraten. Aber innerlich ist er der Meinung, dass er ehelos bleiben müsste in seinem Streben nach konsequenten Christsein. Er ist völlig verunsichert. Er steckt in einer tiefen Lebenskrise und sucht nach Antwort. Er spürt, dass er eine fundamentale und radikale Lebenswende braucht. Er hat dazu aber nicht den Mut.

Er ist allein im Garten und ringt um eine Entscheidung. Da ist es ihm als höre er eine Kinderstimme: „Tolle, lege“. „Nimm und lies“. Was soll er nehmen? Was soll er lesen? Er greift zur Bibel und schlägt sie auf. Was er liest, trifft ihn wie ein Schlag: „Lasst uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt“ (Röm 13, 13 – 14).

Er weiß sofort: Gott hat zu ihm deutlich gesprochen. Es kommt zur Lebenswende. Er entscheidet sich endgültig für Ehelosigkeit, gibt seinen Beruf als Redner auf und zieht sich mit Freunden und Verwandten auf ein Landgut zurück. Er informiert seine Mutter, die eine fromme Frau war und oft wegen des Lebenswandels des Sohnes geweint hat. „Die Tränen der Mutter haben mich gerettet“ formuliert er später in seinen Lebenserinnerungen. „Ein Kind solcher Tränen der Mutter kann nicht verloren gehen“ – so schreibt er. Er nimmt Taufunterricht und lässt sich am Ostersonntag 387 von Bischof Ambrosius in Mailand taufen. Die Mutter stirbt bald darauf. Aber sie hat noch erfahren, wie ihr Sohn diesen Lebenswandel vollzogen hat.

Gebildet und intellektuell war er. Sprachlich hat ihm niemanden etwas vorgemacht. Sieben Jahre später wird er Bischof von Hippo im heutigen Nordafrika. Bis heute ist er der Mann der Antike, dessen Leben wie bei keinem anderen offen vor uns steht. Denn er hat sein Leben selbst in einer geistlichen Autobiographie geschrieben. Und so kennen wir den Kirchenvater Augustin fast in allen Einzelheiten. „Confessiones“ nennt er seine Lebensbeschreibung. „Bekenntnisse“ – das waren und sind sie auch.

Er wird damit bis heute zum Urbild all jener Christen, die den Wandel ihres Lebens vor und nach dem Ja zu Christus in alle Einzelheiten beschreiben. Ich selbst habe das so nicht erlebt. Ich bin schon als kleines Kind mit Jesus aufgewachsen und habe mein Ja zu Christus an der Konfirmation ganz bewusst gesagt. Aber ich kenne Menschen, die das so ähnlich wie Augustin erlebt haben.

Über seine einzelnen theologischen Meinungen lässt es sich trefflich streiten. Aber er hat Einfluss über Jahrhunderte bis heute auf viele geistliche Menschen genommen. Nicht zuletzt auch auf Martin Luther, der in ein Kloster der Augustiner-Chorherren eingetreten ist. Aber eines bleibt festzustellen: Aus der Krise heraus hat Augustin ein neues Leben gefunden. Heute vor genau 1.590 Jahren, am 28.08.430 n. Chr. ist er gestorben. Deshalb ist heute sein Heiligengedenktag. Und weil seine Mutter Monica mit ihrem Glauben und mit ihren Tränen für den Sohn solch einen großen Einfluss hatte, hat man den Tag vorher, den 27.08. ihr gewidmet. Das vielleicht berühmteste Zitat von Augustin lautet: „Mensch, lerne tanzen, sonst können die Engel im Himmel mit dir nichts anfangen“.

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