Wenn Corona will, steht (noch) manches still, update 172 vom 03.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Bernsteinhexe

In dieser Coronakrise gab es sehr viele Hilfeleistungen. Ganz am Anfang Mitte März wurden Helfer/-innen zu vielen Gelegenheiten gesucht. Viele vor allem ältere Menschen blieben zu Hause und trauten sich nicht mehr auf die Straße. Einkaufsmöglichkeiten wurden von Vereinen und Privatmenschen angeboten. Fast jeden Tag stand ein Bericht von Menschen in der Zeitung, die Masken genäht haben. Ein Verantwortlicher der Diakonie hat mir gesagt: „Wir haben viele Helfer, aber wir haben noch wenige, die solch ein Angebot in Anspruch nehmen. Aber das ist immerhin besser als umgekehrt“. Es ist manchmal eben nicht so leicht, helfen zu wollen. Und manchmal sind Helfer/-innen sogar frustriert, wenn ihre Hilfsangeboten nicht angenommen werden. Die Geschichte lehrt, dass es noch schlimmer kommen kann.

Ein Beispiel dafür ist die sog. „Bernsteinhexe von Usedom“. Ihre Geschichte ist der wichtigste Roman des Schriftstellers und Pfarrers Wilhelm Meinhold (1797 – 1851). Darin wir die Geschichte der „Pfarrerstochter zu Coserow“ erzählt. Meine Frau und ich waren nach acht Jahren wieder einmal auf dieser besonderen Insel an der Ostsee. Mitten auf der größten Erhebung in der Mitte der Insel, dem Streckelsberg (mit 58 m!!!) finden sich Spuren dieser Frau. Im dreißig-jährigen Krieg brachten die kaiserlichen Truppen viel Leid und Elend über die Menschen auf Usedom. Der Koserower Pfarrer Abraham Schweidler und seine Tochter Maria versuchen die Not zu lindern. Sie verkaufen Bernstein, der auf dem Streckelsberg gefunden wurde. Vom Geld erwerben sie Brot für die hungernden Koserower. Maria wird vom Amtshauptmann Appelmann begehrt und bedrängt. Die 15-Jährige weist ihn ab. Der Amtshauptmann ist verletzt und versucht das Mädchen zu schädigen. Er nimmt den unerklärlichen Geldbesitz Marias her, um sie der Hexerei zu bezichtigen. Sie erleidet unter den Ritualen der Hexenverfolgung Folter und Qualen. Am 30. August 1630 und damit genau fast heute vor 390 Jahren wird sie zum Scheiterhaufen geführt. Da kommt Graf Rüdiger von Nienkerken, befreit sie aus ihrer Not und nimmt sie zur Frau.

Dieses Tafel steht auf dem Streckelsberg zwischen Koserow und Kölpinsee und bringt die Geschichte in Kurzfassung.

Ich habe bei unserem diesjährigen Besuch bei Freunden in Koserow nachgefragt, ob diese Geschichte wirklich passiert ist. Die Freunde antworteten: „Vermutlich nicht so wie beschrieben. Aber sie hat sicherlich einen Wahrheitskern“. Immerhin lehrt sie uns, wie „Gutes tun wollen“ ins Gegenteil schlagen kann. Mir ist es deshalb wichtig zu erkennen, dass auch bei einem guten Motiv nicht immer das gute Handeln gewürdigt wird. 

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