Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 180 vom 11.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Eine neue Zeitrechnung

Es ist früher Nachmittag. Ich fahre mit dem Auto nach Reichenschwand zum Hausarzt. Ich weiß gar nicht mehr den Grund meines Arztbesuches. Ich bin froh gestimmt. In der Früh feierte ich mit zwei Mitarbeiterinnen aus der Arbeit mit Kindern einen sehr schönen Schulanfangsgottesdienst in der Thomaskirche für die Schulanfänger. Wir sangen fröhliche Kinderlieder mit Bewegungen und hatten das Gefühl, die Schüler/-innen mit der Botschaft sehr gut erreicht zu haben. Ein Fahrradschlauch diente als sichtbares Symbol für die Verkündigung. Solch ein Fahrradschlauch kann prall aufgepumpt oder platt sein. So kann es mir auch in der Schule gehen. Ich kann mich darauf freuen oder Ängste haben. Gott verspricht euch, immer da zu sein, auch wenn wir ihn nicht sehen. Er hilft uns, dass wir nicht nur Lernen, sondern dass wir auch viele gute Freunde finden. So lautete die mutmachende Botschaft an diesem Morgen.

Am Nachmittag steht also der Arztbesuch an. Auch auf solch einer kurzen Strecke schalte ich wie immer „B 5 aktuell“ ein. Bei diesem Sender höre ich schnell die Kurznachrichten und bin informiert. Aber an diesem Tag verschlägt es mir auf diesen nur drei Kilometer langen Weg die Sprache und die mutmachende Botschaft vom morgen ist schnell vergessen. Kurz nach der Ausfahrt auf die B 14 höre ich die Schlagzeile: „Die Twintower in New York brennen“. Dann ein paar Meldungen über Terrorangriffe durch Flugzeuge auch auf andere Gebäude in der USA, erste Meldungen über Tote und dass die gesamte Lage noch unübersichtlich ist. Auf dem Parkplatz beim Hausarzt angekommen, höre ich noch kurz in die Worte des Korrespondenten hinein. Es wird vermutet, dass es ein Anschlag ist, der von Osama bin laden ausgegangen ist.

Ich gehe in die Arztpraxis und dort wird schon lebhaft diskutiert über den Islam und seine kriegerischen Ziele. Ich höre einfach zu, bete leise vor mich hin und denke an die Opfer und ihre Angehörige. Der Arztbesuch dauerte insgesamt nur 15 Minuten. Ich fahre schnell nach Hause und daheim angekommen rufe ich noch als Gruß in die Runde der Familie: „Habt ihr schon gehört. Es gab einen Anschlag in New York“. „Ja, wissen wir schon längst. Läuft im Fernseher“. Und dann saßen wir an diesem Tag noch viele Stunden vor diesem Medium, das damals neben Radio und noch ohne Internet und Smartphone der einzige Nachrichtenkanal war.

Heute vor genau 19 Jahren, am 11.09.2001 waren diese Schreckensbilder zu sehen. Es stürzte die Welt in einer dauerhaften Krise, die bis heute noch andauert. Das Ereignis hatte Folgen für die globale Welt. Der Afghanistankrieg, die Änderung der Weltordnung, das politische Erwachen der arabischen Staaten, die Erfahrung, dass eine Weltmacht wie die USA verletzt werden kann.

Ich ertappe mich oft in Gedanken und in den Worten, dass ich „vor dem 11.09.“ und „nach dem 11.09.“ spreche, wenn ich mit anderen über Weltpolitik diskutiere. Noch aber ist unsere Zeit in „v. Chr.“ und „n. Chr.“ eingeteilt. Aber manche Krisentermine haben sich fest in meine Gedanken eingeprägt. Und dazu gehört auch der 11. September 2001. Ich bin gespannt, ob die Menschen in ein paar Jahren von „vor Corona“ und „nach Corona“ sprechen werden.

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