Kriegsleid verändert ein Leben, verhindert aber nicht die Lebenskrise
Weltkrisen führen immer wieder zu echten Lebenskrisen, manchmal zum Absturz in Gesellschaft und Politik. Erst zu später Zeit erinnert sich die Weltgemeinschaft an die Bedeutung des Handelns eines Einzelnen.
Dazu gehörte vermutlich auch Henri Dunant. Er ist am 8. Mai 1828 in Genf geboren und wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Die Eltern lehrten ihn den Glauben an Jesus Christus und lebten selbst soziale Verantwortung vor. Durch die Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts wollte er Menschen zum Glauben an Jesus bringen. Unter anderem gründete er 1852 eine Genfer Gruppe des Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM), in der er als Schriftführer fungierte. Drei Jahre später war er an der Gründung des Weltverbandes in Paris beteiligt. Er hat die Schweizer Evangelische Allianz mitgegründet. Aber dann sollte sich sein Lebensweg schlagartig ändern.
Am Abend des 24. Juni 1859 kam er nach dem Ende einer Schlacht zwischen den Truppen Sardinien-Piemont und Frankreichs auf der einen Seite und der Armee Österreichs auf der anderen Seite zum Schlachtfeld in Solferino. Er sah 38 000 Verwundete auf dem Schlachtfeld liegen. Dazu kamen Sterbende und Tote. Er war so erschüttert, dass er spontan aus der Zivilbevölkerung eine Versorgung organisierte. Unter dem Eindruck der Ereignisse kehrte er nach Genf zurück und beschrieb seine Erlebnisse in einem Buch. Er wollte eine Organisation gründen, um künftig größere Hilfeleistungen tätigen zu können. Nach mehreren Reisen und Treffen gründete sich schließlich am 17.2.1863 das internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege, das seit 1876 den Namen Internationales Komitee vom Roten Kreuz trägt.
Wegen finanzieller Schwierigkeiten der an seinem Unternehmen beteiligten Finanzierungsgesellschaft kam es zu einem Skandal. Schließlich erfolgte sein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Abstieg und er verarmte. Auch der CVJM hat ihn ausgeschlossen und er selbst wandte sich vom Christentum ab. Er konnte nicht verstehen, wie Christen im Namen von Jesus Krieg als Mittel zur Durchsetzung von Interessen nutzen können. Am Ende seines Lebens erinnerten sich Menschen doch noch an seine Leistungen und er erhielt 1901 zusammen mit Frederic Passy den ersten Friedensnobelpreis überreicht.
Ich selbst bin mit 17 Jahren in den CVJM eingetreten und es war in mir immer ein Schmerz, wenn ich an die Lebensgeschichte und Lebensleistung von Dunant denke und an den Umgang von Christen mit ihm. Aber auch hier gilt für mich: Nicht richten, sondern es besser machen. Und das ist schon schwierig genug. Morgen vor genau 110 Jahren, am 30.10.1910 ist Dunant gestorben und deshalb hat die evangelische Kirche den Tag vorher, den 29.10., als Gedenktag für diesen Pionier des Helfens eingerichtet.