Wenn Corona will, steht (noch mehr) still, Update 239 vom 09.11.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Mauer fällt

Es ist der 10.11.1989. Ich stehe wie so oft gegen 6.00 Uhr am Morgen auf. Wir sind als Familie grade gut ein Jahr in Alerheim/Ries. Ich gehe zum Briefkasten und hole mir die Zeitung, die ein örtlicher Ableger der Augsburger Allgemeinen ist. Ich gehe in die Küche, schalte mir das Licht an, schaue auf die Schlagzeile und staune: „Die Mauer ist gefallen“. Ich halte diese Meldung für eine Ente. Ich kann mir das nicht vorstellen. Wir hatten zu dieser Zeit keinen Fernseher und am Abend vorher war vermutlich irgendeine Veranstaltung, so dass ich nichts mitbekommen habe. Jedenfalls sind die Geschehnisse des 9.11.1989 an uns vorübergegangen. Natürlich hatten wir die Demonstrationen und politischen Diskussionen der letzten Monate genau verfolgt. Aber diese Wendung konnte ich mir einfach nicht vorstellen.

Ich lese die Berichte genau. Dann gehe ich zum Radio und höre mir die Nachrichten an. Überall die Berichte, Stimmen und Freudenschreie der Bevölkerung in der DDR über diese wunderbare Grenzöffnung. Mein Gedanke war noch: Und das ausgerechnet am 9.11.1938.

Heute vor 31 Jahren ist diese Grenzöffnung passiert und ich schaue mir die Fernsehbilder von damals immer wieder mal an. Mir kommen oft die Tränen. Wo ist der Jubel geblieben? Wo ist der Dank gegenüber der friedlichen Revolution? Auch wenn immer wieder der Hinweis auf die Nikolaikirche in Leipzig kommt, viele Menschen sehen dieses Ereignis nicht als ein Wunder Gottes. Ich schon. Ich glaube fest daran, dass hier die Gebete zu Gott diesen friedlichen Wandel herbeigeführt haben. Und dass heute viele diesen Mauerfall kritisieren und sich wieder diese Trennungslinie zurückwünschen? Alles schon mal ähnlich dagewesen.

Ich erinnere da an das Geschehen um die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten. Ibn 2. Mose 16, 1 – 3a lese ich: „Von Elim zogen sie aus…am fünfzehnten Tag des zweiten Monats, nachdem sie von Ägypten ausgezogen waren. Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. Und sie sprachen. „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen“. Gerade mal 45 Tage hat die Euphorie der Befreiung aus Ägypten gehalten. Dann fiel das Volk wieder in das Murren hinein.

Warum sollte es heutzutage anders ein. Dieses „Gott vergessen“ gehört offenbar zur menschlichen Natur, auch wenn ich persönlich darüber traurig bin. „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“ (Psalm 18, 30).

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