Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit
Der große Bruderstreit
„Der große Bruderstreit“. Das war die große Überschrift Anfang März in der größten deutschen Tageszeitung mit den vier großen Buchstaben. Wieder einmal war dies nicht zu übersehen bei meinem morgendlichen Bäckergang. Thematisiert wurde das, was nicht nur in Großbritannien offenbar die Leute trotz Corona elektrisiert. Wieder kann ich nur feststellen, dass es auch ein Leben, vor allem Krisen abseits von Corona gibt. Die Zeitung geht ausführlich auf den Bruderstreit von Prinz William und Prinz Harry ein. Das Interview von Harry und seiner Frau Meghan hat dazu geführt, dass offenbar ein großer Bruch zwischen den beiden Söhnen von Lady Diana hineingekommen ist. Harry hat unter anderem auch berichtet, dass sein Vater, Kronprinz Charles, schon seit einem Jahr jeglichen Kontakt mit ihm abgebrochen hat. Selbst bei Telefonanrufen hebt der eigene Vater nicht mehr ab. Das alles ist Stoff für einen Film und ich warte nur darauf, dass diese Krisengeschichte im britischen Königshaus demnächst verfilmt wird.
Aber bevor jemand auf andere zeigt, weise ich darauf hin, dass drei Finger immer auf einen selbst zeigen, wenn einer auf andere weist. Außerdem: Alles von Anfang an schon einmal dagewesen. Der erste in der Bibel berichtete Mord beging Kain an seinen Bruder Abel aus Neidgründen. Kein Wunder, dass Neid zu den sieben Todsünden in der katholischen Kirche gerechnet wird. Oder denken Sie nur an Josef, der von seinen Brüdern ermordet werden soll, weil er angeblich vom Vater bevorzugt worden ist. Immerhin wurde er am Leben gelassen und „nur“ als Sklave nach Ägypten verkauft. Nicht ganz so bekannt sind vielleicht die Dramen um die Kinder von David. Absalom lässt seinen Bruder Amnon umbringen, weil dieser seine Schwester Tamar vergewaltigt hat. Später will Absalom seinen Vater David mit einer Revolte vom Thron stoßen. Das gelingt ihm nicht und der Heerführer von David, Joab, bringt Absalom um. Das sind alle Geschichten nicht nur für die Boulevardpresse. Sie stehen so offen in der Bibel!!!!
Solche unangenehme Brüdergeschichten gibt es noch mehr in der Hl. Schrift. Aber es gibt auch das andere. Neulich hat mich jemand gefragt, ob Jesus auch Geschwister hatte. Hatte er!! „Ist er nicht der Zimmermann, Marias Sohn, und der Bruder des Jakobus und Joses und Judas und Simon? Sind nicht auch seine Schwestern hier bei uns? Und sie ärgerten sich an ihm“ (Markus 6, 3). Manche meinen, dass der Jünger Thomas ein Zwillingsbruder von Jesus war, weil Thomas „Zwilling“ bedeutet! Aber das ist eine reine Vermutung ohne Hintergrund!!
Viel interessanter ist eine Bemerkung von Paulus im Galaterbrief 1, 19: „Von den anderen Aposteln aber sah ich keinen außer Jakobus, des Herrn Bruder“. Paulus schreibt im 1. Korintherbrief im 15. Kapitel: „Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln“ (V. 7). Hier wird der Bruder von Jesus vor den Aposteln genannt. Das bestätigt die Tatsache, dass Jakobus vermutlich eine Zeit lang der Leiter der Urgemeinde war. Ich bin wirklich sehr davon angetan, dass die Geschwister von Jesus offenbar selbst Jünger von ihm wurden und mit Jakobus einer sogar in herausragender Position. So zeigt die Bibel Bruderkonflikte nach beiden Seiten auf: Brüder können sich eben sehr gut verstehen, aber auch eine schlechte Beziehung haben. Und gespannt bin ich, wie der aktuelle Geschwisterkonflikt der beiden Unionsparteien CDU und CSU (friedlich??) gelöst wird.