Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir
Heute ist der 18.04.2021. Heute vor genau 500 Jahren, am 18.04.1521 hat man in Worms eine größere Halle gewählt, weil man einen Ansturm der Menschen bei der Verteidigung von Martin Luther erwartet hat. Aber auch diese ist viel zu klein. Der siebenunddreißigjährige Martin Luther steht mit seiner schäbigen Kutte dem einundzwanzigjährigen Kaiser gegenüber, der mit allen Insignien ausgestattet ist. Zwei Stunden später als angesetzt, um 18.00 Uhr beginnt die Verhandlung.
Martin Luther hat sich in der Nacht gut vorbereitet und beginnt seine Sicht darzulegen, auf die ich hier nicht eingehen will. Das überlasse ich den Theologen und ihren Studenten. Aber es steht ein ganz anderer Luther vor den weltlichen und kirchlichen Machthabern als am Tag zuvor. Luther spricht klar und mit starken Worten. Sein Grundsatz lautet: „Stark in der Sache, milde in der Form“. Er wiederholt, dass er alle die aufgestapelten Bücher geschrieben hat. Er geht auf die verschiedenen Art und Weise seiner Bücher ein. Er bleibt hart im Ton und wirft vor allem der Kirche vor, dass päpstliche Gesetze die Gewissen der Gläubigen „verstrickt, geplagt und gemartert werden, auch der Besitz und das Vermögen, zumal in dieser berühmten deutschen Nation durch unglaubliche Tyrannei verschlugen wurde und verschlungen wird“. Das sind starke Worte. Der Kaiser ist unruhig. Dann fordert Luther Beweise, dass seine Bücher Irrtümer enthalten. Im Saal tritt Stille und Betroffenheit ein. Luther hat mit vielen Beispielen aus der Bibel nachzuweisen versucht, dass seine Auslegung richtig sei. Der Orator des Kaisers, Eck, kommt nach vorne und will eine eindeutige Entscheidung von ihm. „Deshalb verlangt man von dir, Martinus, eine einfache ungehörnte Antwort, ob du widerrufen willst oder nicht!“. Jetzt gibt es kein Ausweichen mehr. Luther widersteht einem Widerruf und endet mit den bekannten Worten: „Ich kann nicht anders, hier stehe ich, Gott helfe mir. Amen“.
Luther drängt zum Ausgang während ein großes Getümmel herrscht. Luther hat sich vor Kaiser und den Abgesandten des Papstes und vor den Fürsten nicht niederringen lassen. Im Hofe des Bischofspalastes ist der Herzog Erich von Braunschweig an ihn herangetreten. Er hat ihm die Rechte gereicht und mit der Linken einen großen Humpen Einbecker Bier. Luther nimmt seine anerkennende Worte entgegen und stürmt aus dem Palast. Er ruft der dichtgedrängten Menge zu: „Ich bin hindurch!“ Er reckt die Hand in die Höhe „wie die deutschen Landsknechte zu tun pflegen, wenn sie im Kampfspiel über einen wohlgelungen Hieb frohlocken“.
In den nächsten Tagen wird versucht, den Reformator doch noch umzustimmen. Aber Luther bleibt bei seiner Aussage und fährt am 26. April 1521 kurz vor zehn Uhr vormittags aus Worms ab. Seine Freunde begleiten ihn. Frohen Mutes reist er nach Wittenberg zurück. Aber es sollte anders kommen als gedacht. Das Urteil des päpstlichen Nuntius Aleander zeigt die Haltung der katholischen Kirche über das Geschehene. „So ist denn der ehrwürdige Schurke gestern, drei Stunden vor Mittag, mit zwei Wagen abgereist, nachdem er sich eigenbändig in Gegenwart vieler Personen viele Brotschnitten geröstet und manches Glas Malvasier, den er außerordentlich liebt, getrunken hatte“.
Bis heute ist nicht ganz geklärt, ob Luther diese Worte „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir“ wirklich gesagt hat. Aber sie geben sicherlich die Haltung von Martin Luther wieder. Oft werden diese Worte bis heute bei Äußerungen auch abgeändert wie z.B. zu „Hier stehe ich, ich kann auch anders, Gott helfe mir. Eine andere Variante lautet: „Hier stehe ich, Gott helfe mir, es war ganz anders“. Jedenfalls hat dieser vermeintliche Satz von Martin Luther eine große Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart hinein. Die weitere Geschichte hat gezeigt, dass Luther nur scheinbar „hindurch“ war. Die Bewährung sollte erst noch folgen. Aber davon mehr vermutlich am 3. und 4. Mai.