Archiv des Autors: Pfr. Gerhard Metzger

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 205 vom 06.10.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wie Franz von Assisi zu Jesus gefunden hat?

Ich weiß, dass er sich vor seinem Vater und vor anderen Leuten ganz nackt ausgezogen hat. Ich weiß auch, dass er mit Tieren gesprochen hat. Er ist der Verfasser des sog. Sonnengesangs. Er ist der Gründer der Franziskaner“. Diese Antworten höre ich, wenn ich mit anderen Menschen ins Gespräch über Franz v. Assisi komme. Alle diese Antworten stimmen irgendwie. Mancher antwortet noch dazu: „Hat er nicht dieses Gebet „O Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“ gedichtet. Es steht im Evangelischen Gesangbuch sogar zweimal auf den Nummern 416 und 656. Aber der Zusatz „früher Franz von Assisi zugeschrieben“ ist nicht zu überlesen.

Tatsächlich gehört dieser Heilige zu den bekanntesten Christen überhaupt und seine Lebensgeschichte ist legendär. Man kennt nicht einmal sein genaues Geburtsjahr: 1181 oder 1182. Er war der Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers und sollte das Geschäft einmal übernehmen. Schon die Namensgebung ist spektakulär. Bei der Geburt war sein Vater auf Geschäftsreise in Frankreich. Seine Mutter taufte ihn auf den Namen Giovanni (Johannes). Als der Vater nach Hause kam, entrüstete er sich über diesen Vornamen und nannte ihn Francesco („kleiner Franzose“). Vermutlich ist das ein Hinweis darauf, dass der Vater Kontakt hatte zu außerkirchlichen frommen Kreisen in Frankreich, die gegen die römische Staatskirche agierten.

Die ersten 20 Jahre seines Lebens liefen geordnet und alles deutete darauf hin, dass er ein normales „bürgerliches“ Leben führen würde. Dann nimmt er an einen Waffengang gegen die Nachbarstadt Perugia teil und wir gefangengenommen. Ein Jahr bleibt er dort in Haft. Erst danach hat ihn der Vater freigekauft. Manche meinen, dass ihn dieses Erlebnis zur Umkehr gebracht hat. Dem ist aber nicht so. Denn nach seiner Freilassung lebt er weiter sein Leben in Saus und Braus. Im Sommer 1204 ist Franz so munter, dass er sich als Soldat den Truppen eines Mannes anschließt um im Kampf für die päpstliche Sache Ehre und Ruhm zu erlangen und vielleicht sogar den Adelstitel zu erstreiten. Gefängnis und eine daraus resultierende Krankheit haben sein Leben und bürgerliches Ich also nicht verändert. Der Vater gibt Geld und staffiert seinen Sohn prächtig aus.

Franz zieht mit dienendem Gefolge los und kommt ein paar Tage später überraschend zurück. Die Menschen in Assisi wundern sich, dem Vater ärgert das. Sein Sohn sollte nämlich auch ihn als Neureichen vertreten. Was war geschehen? Franz hatte einen Traum. Sein Name wurde gerufen und er wurde in einem weitläufigen Palast geführt. Der war voll von kostbaren Waffen, prächtigen Schildern und schimmernden Rüstungen aller Art. Plötzlich hörte er eine Stimme, die ihn fragte, wohin er zu ziehen gedenke. Franz gab die Auskunft. Dann wurde er gefragt: „Wer kann dir Besseres gegen, der Herr oder der Knecht?“ Franz antwortete: Der Herr!“ Da kam es zurück: „Warum verlässt du dann um eines Knechtes willen den Herrn, und wegen eines Armen den Reichen?“ Das Rätselwort verwirrte Franz. Er wollte wissen, wie er sich verhalten soll. Dann hörte er noch einmal die Stimme: „Kehr um!“ Franz gehorchte dieser Stimme zum ersten Mal in seinem Leben und tat etwas Ungewöhnliches. Er will kein Ritter mehr sein und kehrt nach Assisi zurück.

Es war der erste Anstoß zu einem neuen Leben. Weitere folgten. In dieser ersten Oktoberwoche ist sein Gedenktag (3.10. im evangelischen Kalender, 4.10. im katholischen Kalender). Trotz der Feiern zu 30 Jahre Wiedervereinigung von Deutschland und dem diesjährigen Erntedankfest, will ich bei den folgenden Updates auf ihn hinweisen, denn er und seine Familie haben viele Krisenzeiten durchmachen müssen. Ich freue mich, wenn sie als Leser/-in die Updates lesen und auf das Leben und Sterben von Franz v. Assisi sich einlassen.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 204 vom 05.10.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Monika Dorn

…Du stellst meine Füße auf weiten Raum…(Ps 31)

Heute ist der 05. Oktober 2020! Ich schließe meine Augen und schaue zurück auf mein bereits vergangenes Leben. Ich kann die Wege sehen, auf denen ich bis zu diesem Moment, hier und heute, gekommen bin.

Ich sehe mich, als kleines Mädchen. Den Bauernhof, auf dem ich aufgewachsen bin. Die Eltern, die Großeltern, die Verwandten. Das vorherrschende Gefühl ist Angst. Und es ist kalt in diesem alten Bauernhaus. Es wird nur in der Küche geheizt. Die Kälte ist nicht nur äußerlich. Das Leben dreht sich um die Arbeit auf dem Hof, die getan werden muss. Es ist Samstag: Das Haus duftet nach Oma´s Hefeknödel. Ich liebe es, gleich nach dem Backen hineinzubeißen. Es ist frisch und heiß. Es schmeckt himmlisch. > Und Gott? Gott ist in der Kirche. Jeden Sonntag früh – stundenlanges still sitzen. Der Pfarrer redet. Ich verstehe nichts und träume mich weg. Gott will, dass wir auch zu Hause beten, sagt Oma. Sonntag Mittag! Im Stehen! Ein seehr langes Tischgebet und das „Gegrüßet seist du Maria“ auch noch danach. Ich hab Hunger und will nicht mehr stehen.

Ich sehe mich als Teenager. Immer in Bewegung. Gebeutelt von inneren und äußeren Kämpfen. Frustriert, ohne Chance mit jemanden darüber reden zu können. Die Enge wird bewußter. Pflicht – ohne Freude. Ich trete meine Ausbildung an. Nürnberg – Großstadt! Andere Welt! Neue Themen! Neue Freunde! Lernen! Spaß! Neuer Raum! Neue Weite! Jeder Tag ein Abenteuer! Das Leben hier macht Spaß! > Und Gott? Ich tue meine Pflicht! Jeden Sonntag morgen. Die Liturgie kenne ich auswendig. Die Predigten betreffen mich nicht. Ich registriere die Diskrepanz zwischen dem, was im Gottesdienst gesprochen wird und dem Tun und Reden im Alltag. Das, was im Alltag passiert, passt nicht zu den Worten in der Kirche.

Ich sehe meine Wege zwischen 20 und 30. Der Vater und die Großeltern sterben. Die Mutter arbeitet eisern auf dem Bauernhof weiter. Willensstark und diszipliniert. Halten, was da ist. Ich arbeite mit, abends und später am Wochenende. Ich heirate. Wir ziehen nach Hersbruck. Ich lebe mein erträumtes Stadtleben. Wir feiern ausgelassen. Unsere Wohnung, unsere Freiheit, unser Leben. Ich liebe meinen Beruf. Die Arbeit bringt mir Anerkennung und Selbstbewusstsein. > Und Gott? Jahrelang sehe ich keine katholische Kirche mehr von innen. Wüßte nicht, warum ich eine betreten sollte. Ich lerne Posaune im evangelischen Posaunenchor. Fühle mich wohl in dieser Gruppe! Eingebunden. Es herrscht keinerlei Zwang und macht Spaß. An den Festtagen, sitze ich in evangelischen Gottesdiensten und höre Predigten, die auch mein Leben betreffen. Ich bin fasziniert und neugierig. Zu hören, dass Gott ein „Beziehungs-Gott“ sein soll, ist mir neu. Da scheint es eine Rolle zu spielen, was ich denke und fühle und wie es mir geht? Gott interessiert das?

Ich sehe meine Wege zwischen 30 und 40. Ich lebe mein eigenes Leben! Bekomme drei Kinder! Wir ziehen zweimal um! ich kümmere mich hauptsächlich um Kinder und Haushalt. Ich lege einen Gemüsegarten an, wie meine Mutter. Die Kinder sind unser Mittelpunkt. Viele Jahre trösten wir nächtlich schreiende Babys, kleben Pflaster auf Wunden, sorgen uns, wenn sie krank sind, spielen mit ihnen, leiten sie an, bringen sie in den Kindergarten und in die Schule. Das Leben wird gelenkt von den Belangen der Kinder. Freunde haben eine zentrale Rolle. Ich gehe wieder arbeiten. Eine willkommene Abwechslung. > Und Gott? Nach dem ersten Umzug, klingelte es eines Tages mitten am Tag. Es war ein Mitarbeiter der evangelischen Gemeinde, in deren Einzugsgebiet wir gezogen waren. Er hieß uns im Namen der Gemeinde willkommen. Ich war total perplex, dass da registriert wurde, dass es uns jetzt hier gibt. Gesehen zu werden, ohne, dass ich etwas dazu tun musste. Das war mir noch nie passiert, bis dahin.
Vielleicht hat mich das dazu bewegt mit den Kindern in den Kindergottesdienst zu gehen. Ich blieb einfach mit dabei in diesen Gottesdiensten. Ich wollte selber sehen, was hier gemacht wurde. Die Kindergottesdienste unterschieden sich grundlegend von dem, was ich in meiner Kindheit erlebt hatte. Die Kinder sangen geistliche Kinderlieder, hörten biblische Geschichten, spielten, malten, bastelten und vor allem durften sie sich bewegen. Ich sah, hörte und sang einfach mit. Ich komme ins Gespräch mit den Kindergottesdienst-Mitarbeitern. Ich staune über deren Lebens- und Sichtweise auf Gott und Jesus, deren lebendigen Glauben an den dreieinigen Gott, der ihre Lebens-Grundlage ist. Mein Herz geht auf und ich spüre vielleicht zum erstem Mal in meinem Leben, so etwas wie Gottes Nähe. Ich will mehr davon erfahren und schließe mich einem Gebetskreis und dann einem Hauskreis an.

Ich sehe meinen Weg zwischen 40 und 50. Mein Leben ist getaktet zwischen Familie und Arbeit. Zunehmend spüre ich die Auswirkungen von körperlicher und seelischer Überbelastung. Die Zeiten im Gebets- und Hauskreis tun mir gut. Hier erlebe ich Annahme und Respekt, egal wie ich grade da sein kann. Ganz real erfahre ich Zugewandtheit und Liebe.Ich spüre meinen Hunger, mehr von diesem liebenden, gnadenvollen Gott erfahren zu wollen. Ich spüre aber auch deutlich meine emotionalen Begrenzungen. Wer ist dieser Gott? Und wie passt der liebende, gnadenvolle Gott, von dem hier gesprochen wird, mit dem Gott meiner Kindheit zusammen? Was „erwartet“ Gott von mir? Bin ich hier wieder in der „Pflicht“? Welches Gottesbild hat sich in mir manifestiert? Im Laufe der Jahre „sortiere“ ich mein Innen- und Außenleben. In unendlich vielen Gesprächen mit meinem Mann, Freunden, Seelsorgern, Therapeuten, „arbeite“ ich mich durch viele sehr schmerzhafte Themen. Ich beginne zu schreiben, um all das, was da in mir „losgetreten“ wird, besser sortieren zu können. Gott findet Wege und einen Zugang in meine Seele. Ich erlebe viele „Überraschungen“. ER weiß, was ich am Allerdringendsten brauche und gibt es mir. In den schwersten und schmerzhaftesten Zeiten, dann wenn ich selber keinen Weg mehr sehe, begegnet mir Gott intensiv. Ich überlasse mich ganz SEINEM Wirken und lege mein Leben in SEINE Hände.

Heute ist der 5. Oktober 2020, mein Geburtstag! Und ich erkenne: Gott handelt! Aber ER handelt nicht ohne unser Einverständnis und nicht immer so, wie wir es uns vorstellen. Wir sind es an vielen Punkten in unserem Leben so sehr gewohnt selbst die Führung zu übernehmen, dass wir oft nicht auf die Idee kommen Gott überhaupt mit einzubeziehen in unser Leben. Gott führt! An den Weggabelungen des Lebens. Da, wo wir uns ganz oft überfordert fühlen. Da wo wir selbst nicht mehr weiter wissen, da wo wir uns verlassen fühlen, nimmt ER uns an die Hand und überwindet mit uns, unsere eigenen Hürden. Gott verändert! Wenn wir es wollen, zulassen und vertrauen. Gott tut Wunder! Manchmal können wir sie sehen. Aber zu den meisten Zeiten, nehmen wir sie nicht wahr. Sie geschehen unmerklich und ob es uns bewusst ist oder nicht. Wenn wir uns dann die Zeit nehmen und zurückschauen, sehen wir manchmal Gottes wunderbares Wirken in unserem Leben.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 203 vom 04.10.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gerhard. Du lernst jetzt die Orgel spielen“. Gesagt, getan

Heute feiern Christen das Erntedankfest. Sie danken Gott dafür, dass er ihnen genug zum Leben schenkt und Menschen satt werden können. Kaum ein anderes biblisches Wort bringt das besser zum Ausdruck als Worte aus dem Psalm 145. „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen“. Manche beten diese Worte als Tischgebet. Als Pfarrer könnte ich viele Geschichten vom Erntedankfest schreiben, die ich selbst persönlich erlebt habe. Ich will mich aber auf ein Erntedankfest konzentrieren, das mein eigenes Leben nachhaltig bis zum heutigen Tag beeinflusst hat.

Es war das Erntedankfest 1969, der 05.10. Wie immer war ich mit Mitgliedern meiner Familie im Gottesdienst. In der Pfarrei Mörlbach-Habelsee wurde der sonntägliche Gottesdienst abgewechselt. In jenem Jahr war der Erntedankfestgottesdienst in Mörlbach. Der Pfarrer ging in seiner Predigt auf verschiedene Situationen ein, bei dem Menschen sich gegenüber Gott dankbar zeigen können. Dabei spielte inhaltlich die Ernte eine große Rolle. Kein Wunder! Beide Dörfer waren landwirtschaftlich geprägt und es gab nur wenige Arbeiter, die nach Rothenburg o/T oder nach Uffenheim pendelten. Dazu noch ein paar Handwerker, die oft selbst noch eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben. Aber die Landwirte im Haupterwerb waren in der Überzahl. In der Predigt ging der Pfarrer darauf ein, dass die Menschen in den beiden Kirchengemeinden auch für die Kirchenmusik dankbar sein sollten. In Mörlbach gab es einen Posaunenchor und in beiden Gemeinden Organisten vom Dorf. Jeder wusste aber, dass der Organist aus Habelsee das Dorf aus Studiengründen bald verlassen würde. Der Pfarrer meinte, es „müsste unbedingt ein neuer Organist gefunden werden“. Dabei betonte er, dass auch dies mit „Dankbarkeit gegenüber Gott“ zu tun hat, wenn wieder ein Gemeindemitglied sich für die Ausbildung bereit erklären würde. Die Predigt war zu Ende, noch ein paar Liedverse, Gebet und schließlich der Segen. Nicht ahnend auf die Dinge, die da kurz darauf kommen sollten, verließ ich mit meinen 11 Jahren die Kirche. Draußen am Auto wartete meine Familie und mein Vater meinte: „Gerhard, Du lernst jetzt das Orgel spielen“. Das war eine klare Ansage, ein Widerspruch wurde nicht geduldet. Ich war gerade drei Wochen nach Rothenburg in die Realschule gegangen.

Und so begann ich im Herbst die Ausbildung zum Organisten beim Dekanatskantor Hans-Helmut Hahn. Ein Jahr lang habe ich Klavier gelernt. Dann der Umstieg auf die Orgel. 1972 saß ich bei einem Predigtgottesdienst (die sog. Christenlehre) zum ersten Mal bei einem Gemeindegesang an der Orgel. Es dauerte noch einmal zwei Jahre bis ich 1974 mit 16 Jahren bei einem sonntäglichen Hauptgottesdienst an der Orgel die Choräle begleitet habe.

Heute spiele ich nur noch selten an der Orgel. Das ist der Fall, wenn ein Organist bei einem Gottesdienst fehlt. Ausgerechnet heute, genau 51 Jahre nach diesem denkwürdigem Ereignis ist das der Fall. Manchmal nehme ich auch „nur“ das E-Piano. Aber natürlich nicht heute an diesem Festtag. Da gehe ich die zwei Emporen zur Orgel hoch und zur Predigt und zur Abendmahlsliturgie wieder hinunter. Wie gut, dass ich „gut zu Fuß bin“. In der Regel war und bin ich ziemlich aufgeregt vor den ersten Noten. Aber grundsätzlich bin ich dankbar, dieses Instrument gelernt zu haben und insgesamt sieben Jahre von 1974 – 1981 in verschiedenen Kirchen des Dekanates Rothenburg gespielt zu haben. Außerdem hatte ich dadurch besondere Erlebnisse. Aber davon mehr vor allem am 01.01.2021. Und der allererste von mir gespielte Choral drückt für mich eine wichtige Glaubenshaltung aus. „Singt, singt dem Herren neue Lieder, er ist`s allein, der Wunder tut. Seht, seine Rechte sieget wieder, sein heilger Arm gibt Kraft und Mut. Wo sind nun alle unsre Leiden? Der Herr schafft Ruh und Sicherheit; er selber offenbart den Heiden sein Recht und seine Herrlichkeit“ (Evang. Gesangbuch, Nr. 286, V. 1).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 202 vom 03.10.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen zeit

Kirchturm symbolisiert das Licht der Welt

Wir müssen die Lampen noch ein wenig nach rechts drehen. Dann passt es“. Es ist ein Mittwoch und es ist herrliches Wetter Anfang Oktober. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Es erwartet uns ein sehr schöner Tag. Das Wetter war an diesem 03.10.1990 also völlig anders als heute 30 Jahre später. Zwei Gemeindemitglieder aus Alerheim sind am frühen Morgen dieses Tages mit dem Kirchturm beschäftigt. Genauer gesagt: Mit den Lichtern für die Turmbeleuchtung.

In diesem Jahr hatte jemand die Idee aufgebracht, der Kirchturm könnte doch auch in Alerheim wie in vielen anderen Kirchen im Ries nachts für eine gewisse Zeit angestrahlt werden. Der Kirchenvorstand hat sich deshalb damit beschäftigt. Es wurde beschlossen, dass dieses Beleuchten an Samstagen und Sonntagen sowie an besonderen Festtagen und am Tag vorher geschehen soll. Dann allerdings immer nur bis 24.00 Uhr. Mit dieser Entscheidung hatten wir einen guten Kompromiss gefunden zwischen Ökologie und Schönheit. In Alerheim gibt es noch einen örtlichen Stromlieferer. Er hat uns sehr unterstützt und ich bin ihm dafür heute noch dankbar. Wie es der Zufall will, sollten die Vorarbeiten für diese Maßnahme zum 3. Oktober fertig werden. Das war auch mein Ziel.

Das hatte zusätzlich den Vorteil, dass zum kommenden Kirchweihfest alles installiert war. Die Kirchweih wurde immer am ersten Sonntag im Oktober gefeiert. Also fiel sie oft mit dem Erntedankfest zusammen. Damals wurde dieses Erntefest immer am ersten Sonntag nach Michaelis (29.09.) gefeiert. Nur wenn der 30.09. ein Sonntag war, fiel das Erntedankfest nicht mit der Alerheimer Kirchweih zusammen. Ich hatte als Pfarrer in Alerheim eine Gottesdienststelle. Mein Nachbarkollege hatte drei Gottesdienststellen. Also machte ich immer eine Gottesdienststelle von ihm mit. Diese wechselten je nach Bedarf. Und so war ich Anfang Oktober immer mit zwei verschiedenen Predigten unterwegs. In der Nachbargemeinde mit einer Predigt zum Erntedankfest, in Alerheim mit einer Kirchweihpredigt. Eine Woche später dann in Alerheim der Erntedankfestgottesdienst und in einer Nachbarkirchengemeinde eine „normale“ Sonntagspredigt. Da galt es für mich, genau aufzupassen. 1990 war es ein wenig anders. Am 30.09. konnte ich in aller Ruhe zwei Gottesdienste zum Erntedankfest halten und eine Woche später das Kirchweihfest in Alerheim und in der Nachbarkirchengemeinde eine „normale“ Predigt.

Aber an diesem 03.10.1990 und damit genau heute vor 30 Jahren stand etwas anderes im Mittelpunkt: das Fest der Wiedervereinigung von Deutschland. Und tatsächlich: Im Gottesdienst am Abend leuchtete die Turmbeleuchtung zum ersten Mal auf. Und weil die Stephanuskirche in Alerheim leicht erhöht steht, war sie ganz weit zu sehen. Und ich denke in Erinnerung immer an diese besondere Wort von Jesus: „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berg liegt, nicht verborgen sein“ (Matthäuas 5, 13).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 201 vom 02.10.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gnade für die Welt

Ein paar Tage vor dem 03.10.1990 habe ich in Alerheim ein Treffen mit der Vikarin. Wir wollen noch einmal den geplanten Gottesdienst zum Tag der deutschen Einheit durchgehen. Die Landeskirche hatte einen Entwurf an alle Pfarrämter geschickt. Er ist Grundlage des Gottesdienstes. Die Lieder stehen fest. Organist und Posaunenchor haben sie geübt. Die Predigt ist geschrieben. Andere Elemente werden noch besprochen. Schließlich sind wir mit allem zufrieden. Da fällt mir ein Lied von Jan Vering ein. Ich habe ihn zum ersten Mal auf dem Christival 1988 in Nürnberg gehört. Er hat eine tiefe Stimme und die Texte regen sehr zum Nachdenken an. Ein Text von ihm ist mir besonders aufgefallen. Bei der Vorbereitung zu diesem Update habe ich es aus der Schublade geholt und jetzt erst gemerkt, dass der Text von Siegfried Fietz stammt. Aber die beiden haben sehr gut zusammengearbeitet und das Lied habe ich damals am 3.10.1990 im Gottesdienst zum „Tag der deutschen Einheit“ am ersten Tag der Wiedervereinigung spielen lassen. Es hat nichts von seiner Aktualität verloren. Und wer den Text gut findet, kann das Lied gerne im Internet nachhören: „Gnade für die Welt“.

  1. Gnade für den Starken, der Macht in Händen hält,

und Gnade für den Schwachen, der ihm zum Opfer hält.

Gnade für den Dummen, der nichts mehr liebt als Geld, Gnade für die Welt.

  1. Gnade für den Spötter, der über alles lacht,

und für den Resignierten, dem nichts mehr lächeln macht.

Gnade für den Sterbenden, dem kein Glaube hält. Gnade für die Welt.

  1. Gnade für den Armen, dem sein Ghetto Kassen leert

Und den reichen Mann, der ihm den Rücken kehrt.

Gnade für die Kinder, wenn die Bombe fällt. Gnade für die Welt.

  1. Gnade dem Politiker, der Waffen exportiert

Und für den Staatsmann hoch oben, dem sein Gewissen friert.

Und für die sog. kleinen Leute, die das nicht interessiert. Gnade für die Welt

  1. Gnade für den Jungen, der in Uniform versteckt

Und für den, der dieses Kind in die Uniform gesteckt.

Gnade dem Ayatollah, der Krieg für heilig hält. Gnade für die Welt.

  1. Und Gnade für mich selber, der ich das alles weiß,

O Her mach meine Hände handeln und mach das Herz mir frei.

Gnade für die Gnadenliebe, die mich bei dir hält. Gnade für die Welt.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 200 vom 01.10.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die gebackene Bibel

Johannes Huss ist der große Reformator aus Böhmen (siehe mein Update vom 06.07.2020). Schon 100 Jahre vor Martin Luther verkündigte er das Evangelium in einer Form, wie Luther das auch tat. Allerdings kannte man damals noch nicht den Buchdruck und auf dem Konzil von Konstanz 1415 hat der Kaiser nicht sein Wort zum „freien Geleit“ gehalten und Huss wurde auf dem Scheiterhaufen getötet.

In Böhmen erzählt man dazu folgende Geschichte: Eine Frau, deren größter Schatz das Wort Gottes war, stand gerade vor dem Ofen, um Brot zu backen. Da hörte sie, dass die Männer von der katholischen Inquisition das Dorf durchsuchten und alle gefangen nahmen, bei denen eine Bibel gefunden wurde. Kurz entschlossen nahm sie ihre Bibel und wickelte sie in einen großen Teigklumpen, den sie dann in den Ofen schob. Dann schob sie die anderen Brote hinterher. Bald darauf wurde ihr Haus durchsucht. Alles wurde durchwühlt vom Keller bis zum Boden, aber alles war vergeblich. Als die Verfolger das Haus verlassen hatten, war inzwischen das Brot gar, und auch die Bibel kam aus dem heißen Ofen wieder zum Vorschein. Und siehe da, die Bibel hatte ebenso wenig gelitten wie die drei Männer im glühenden Ofen im Buch Daniel.

Die Nachkommen dieser beherzten Frau haben die Bibel als kostbares Erbe bewahrt. Der letzte Erbe war Bauer Schebold, auch ein Böhme von Geburt. Er wohnte in Ohio/USA und hielt das Familienerbstück in hohen Ehren.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 199 vom 30.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Bibel in der eigenen Sprache verstehen können

Ich kann das Lutherdeutsch nur schwer verstehen. Ich benutze lieber eine moderne Übersetzung“. Wie oft höre ich das in Gesprächen mit anderen Christen. Ganz ehrlich: Mir ist lieber, jemand liest überhaupt die Bibel. Er kann sehr gerne eine moderne deutsche Übersetzung benutzen. Natürlich ist jede Bibelübersetzung auch eine Art Interpretation. Das gilt auch für die Lutherbibel. Und beim Neuen Testament schmunzle ich immer ein wenig, wenn mir jemand sagt: „Diese Übersetzung ist ganz wörtlich wie Jesus gesprochen hat“. Ich denke mir dann nur: Seit wann hat Jesus griechisch gesprochen? Die Sprache von Jesus war aramäisch. Es finden sich nur ganz wenige Texte in der Ursprache von Jesus wie z.B.: „Talita kum“ in Markus 5, 41. Das spricht Jesus zum Mädchen eines Synagogenvorstehers, dessen Tochter gestorben war. „Mädchen, steh auf“! Relativ bekannt ist auch das Wort von Jesus am Kreuz: „Eloi, eloi, lama asabtani“. Es steht bei Markus und bei Matthäus in der Passionsgeschichte. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Hier zitiert Jesus den Vers 2 aus Psalm 22. Aber insgesamt ist das Neue Testament in griechischer Sprache verfasst und nicht in der Sprache, die Jesus selbst gesprochen hat.

Für mich ein Impuls, dass es ganz wichtig ist, dass Menschen die Bibel in ihrer Sprache lesen und verstehen können. Das war ja auch ein Uranliegen der Reformation. Deshalb war es im Altertum eine herausragende Leistung, dass der Kirchenvater Hieronymus die Bibel in die lateinische Sprache übersetzt hat. Es war in der Antike die Gelehrtensprache schlechthin. Hieronymus war ein Zeitgenosse von Augustin (siehe meine Updates Nr. 166, 167 und 170). In jungen Jahren ließ er sich taufen und mit 32 Jahren wurde er 379 zum Priester geweiht. Schließlich ließ er sich 386 n. Chr. in Bethlehem nieder und wurde vor allem bekannt für die Vulgata. Es ist die bedeutendste lateinische Bibelübersetzung überhaupt. Bis in die Gegenwart hinein gilt für viele katholische Gelehrte dieses Werk als das grundlegendste biblische Werk überhaupt. Vermutlich hat Hieronymus bei der Übersetzung des Alten Testamentes die sog. Septuaginta als Vorlage verwendet, auch wenn er das selbst immer bestritten hat. Aber die Ähnlichkeiten sind frappierend.

Hieronymus war auf alle Fälle der Vorreiter einer modernen Übersetzerkultur und damit Impulsgeber für alle weiteren Bibelübersetzungen bis heute. Diese Aussage gilt, obwohl die Reformatoren einen eigenen Weg eingeschlagen und die Vulgata nicht mehr als den grundlegenden kanonischen Text verstanden haben. Luther und Melanchthon wollten zu „den Quellen“ zurück und übersetzten das Alte Testament direkt aus der hebräischen und das neue Testament aus der griechischen Sprache in das Deutsche.

1978 war ich zum ersten Mal in Bethlehem. Neben der Geburtskirche steht die Katharinenkirche. An diesem Ort soll der Kirchenvater die Übersetzung getätigt haben. Für mich als Student der Theologie war das auf alle Fälle ein besonderes Erlebnis. Heute vor genau 1600 Jahren, am 30.09.420 n. Chr. ist dieser berühmte Kirchenvater gestorben. Deshalb ist der 30.09. sein Heiligengedenktag.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 198 vom 29.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Geburt der deutschen Nation

Heute ist für mich ein ganz besonderer Tag. Der 29.09. ist der Michaelistag. Meine Heimatkirche in Habelsee ist eine „Michaeliskirche“. Von klein auf habe ich deshalb immer wieder diesen besonderen Erzengel im Ohr. Gemerkt habe ich mir damals schon, dass er den Teufel besiegt hat und dass er der Schutzengel der Deutschen ist. Ich kannte damals aber noch nicht den genauen Hintergrund. Ersteres ist bezogen auf die Bibelstelle in der Offenbarung des Johannes 12, 7 – 9: „Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen“. Das ist eine wunderbare Szene aus der Bibel. Die Mächte des Bösen werden besiegt von der Macht Gottes, die sich im Erzengel Michael und seine Engel repräsentieren. Schon als Kind habe ich das innerlich gespürt, dass Gott seine Engel sendet, damit ich bewahrt bin vor bösen Mächten. Der Blick auf die Heimatkirche hat mir das immer verdeutlicht.

Zum zweiten Grund: Wie ist Michael zum Schutzengel der Deutschen geworden? Da habe ich auf den Geschichtsunterricht warten müssen. Es war in der fünften Klasse. Der Hauptschullehrer hat ausführlich die Geschichte des Frankenreiches (Karl der Große etc.) und der Ottonen behandelt. Natürlich stand im Mittelpunkt auch die Schlacht auf dem Lechfeld am 10.08.955 n. Chr. Mit dem Sieg hat Otto I. endgültig die feindlichen Heere der Ungarn vertrieben und dieses Datum wird als „Geburt der deutschen Nation“ bezeichnet. 45 Jahre später war das erste Millenium und die Menschen hatten eine starke Naherwartung auf das Kommen Jesu in die Welt. Das hat mit der Lehre des 1000-jährigen Reiches am Ende der Offenbarung zu tun. Viele setzten das eben mit 1000 n. Chr. gleich. So lag es nahe, diese Schlacht auf dem Lechfeld mit der Schlacht des Hl. Michael aus der Offenbarung zu vergleichen. Die Legionen von Otto zeigten deshalb auf ihrem Banner den Erzengel Michael und der positive Ausgang bewirkte, dass Michael zum Schutzpatron von Deutschland erwählt wurde.

Ungewiss wäre es gewesen, wenn die Schlacht auf dem Lechfeld für Otto verloren gegangen wäre. Aber nicht nur hier, können Krisen sehr positiv wirken. Immerhin ist so auch der „Deutsche Michel“ entstanden und nicht nur die Kirche in Habelsee trägt den Namen dieses Erzengels.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, update 197 vom 28.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Jom Kippur

Heute feiern die Juden ein besonderes Fest: Jom Kippur. Es ist der große Versöhnungstag. Es ist der höchste jüdische Feiertag und findet immer 10 Tage nach dem jüdischen Neujahrsfest statt. Es ist Abschluss und Höhepunkt der zehn Tage der Reue und Umkehr. Im dritten Buch Mose im 16. Kapitel ist es genau beschrieben: „Am zehnten Tag des siebten Monats sollt ihr fasten und keine Arbeit tun, weder ein Einheimischer noch ein Fremdling unter euch. Den an diesem Tag geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn“ (3. Mosebuch 16, 29 – 30).

Nur an diesem Tag durfte der Hohepriester in das Allerheiligste im Tempel gehen, um stellvertretend für das Volk die Vergebung der Sünden zu empfangen. Er besprengte die Bundeslade mit dem Blut von zwei Opfertieren. Auch zwei Böcke wurden geopfert. Der eine zur Reinigung des Tempels. Beim anderen Ziegenbock hat der Hohepriester die Hände aufgelegt um damit symbolisch die Sünden des ganzen Volkes auf das Tier zu übertragen. Dann wurde der Bock über den Rand der Bergklippen in der judäischen Wüste geschickt, wo er starb. Von dieser Handlung kommt bis heute der Ausdruck des „Sündenbockes“.

Für mich ist dieser jüdische Feiertag vor allem 1973 in das Bewusstsein getreten. Damals hatten die Staaten um Israel herum einen Krieg angefangen und wollten das Land aus der Karte auslöschen. Die Menschen im Staat Israel waren in Schockstarre und völlig unvorbereitet. Wie durch ein Wunder konnten die jüdischen Soldaten aber zurückschlagen und gingen zum Gegenangriff über. Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution 338 zum Waffenstillstand aufgerufen und dieser Krieg wurde beendet. Die nachfolgende sog. Ölkrise hat auch die Staaten der westlichen Welt getroffen. Der Krieg hatte aber dann doch noch etwas Gutes. Der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat hatte erkannt, dass es einen Friedensvertag mit Israel geben muss. Dieser ging schließlich am 26. März 1979 als Camp-David-Abkommen in die Geschichte ein und kostete dem ägyptischen Präsident durch ein Attentat am 6. Oktober 1981 das Leben. Dennoch ist Jom Kippur ein Symbol dafür, wie aus einer Krise heraus etwas Gutes entstehen kann. Und das ist meine Hoffnung auch für diese Coronapandemie.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 196 vom 27.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die eingemauerte Bibel

Als es den St. Gotthard-Tunnel noch nicht gab, zog eine Gruppe von Maurern aus der Gegend von Lugano nach der Innerschweiz, weil sie dort mehr Geld verdienen konnten. Unter ihnen war Antonio. Eine Dame bot ihm eine schöne, in Leder gebundene Bibel zum Geschenk an. Er nahm sie mit, aber gelesen hat er nicht darin.

Bei seiner Arbeitsstelle in Glarus musste er beim Bau eines großen Hauses mithelfen. Beim Verputzen einer Mauer sah er ein Loch, das noch zugemauert werden musste. Plötzlich fiel ihm die Bibel ein, die er in seinem Sack hatte und er sagte zu den Kameraden: „Jungs, ich weiß jetzt einen schönen Spaß. Ich stecke die Bibel in dieses Loch“. Die Bibel ging knapp hinein, nur der Einband wurde etwas beschädigt.

Am 10. Mai 1861 wütete in Glarus ein großer Brand. Die ganze Stadt war eine schreckliche Ruine. Ein Maurerpolier aus Norditalien, Johannes, hatte den Auftrag, ein noch neues Haus, das teilweise eingestürzt war, zu untersuchen. Er klopfte mit seinem Hammer und plötzlich fiel ein Brocken Mörtel herunter. Zu seinem Erstaunen fand er ein Buch, das in die Mauer eingeklemmt war. Er zog es heraus. Es war eine Bibel. Das war doch wirklich sonderbar. Johannes fing in seiner Freizeit an, fleißig in der Bibel zu lesen. Durch dieses Lesen fand er zum Glauben an Jesus. In seiner Freizeit ging er mit einem Koffer voll Bibeln in die Dörfer der Umgegend, um diese zu verkaufen.

So kam er auch in die Gegend, wo Antonio wohnte. Auf einem Jahrmarkt errichtet er einen Stand mit Bibeln. Als Antonio vorbeischlenderte, blieb er stehen und sagt: „Oh, Bibeln, die habe ich nicht nötig! Da brauche ich bloß nach Glarus zu gehen, denn da habe ich noch eine, die in einer Wand eingemauert ist“. Ernst sah Johannes den jungen Mann an. Ihm war sofort alles klar und er sagte: „Seien sie vorsichtig, junger Mann, Spotten ist leicht, aber was würden Sie sagen, wenn ich ihnen diese Bibel zeigte“. „Du kannst mir nichts vormachen“, sagte Antonio, „ich würde sie sofort wiedererkennen; denn ich habe sie gezeichnet. Und ich sage dir. Selbst der Teufel kriegt sie nicht aus der Mauer!“ Johannes holte die Bibel hervor und fragte: „Kennen Sie das Zeichen, mein Freund?“ Antonio war sprachlos, als er die beschädigte Bibel sah. Aber sein Hass gegenüber Gott steigerte sich noch mehr und Johannes bekam von Antonio und seinen Freunden Schläge und Tritte.

Eines Tages fiel Antonio von einem 17 m hohen Gerüst. Er kam schwerverletzt ins Krankenhaus. Johannes erfuhr das und besuchte ihn. Antonios Herz blieb wie ein Stein. Johannes aber besuchte ihn jede Woche. Tatsächlich begann Antonio in der Bibel zu lesen. Allmählich begann das Herz von Antonio aufzuweichen. Seine Seele war genesen, aber seine Hüfte blieb lahm. Seine frühere Arbeit konnte er nicht mehr tun. Er fand leichtere Arbeit, und später führte er eine glückliche Ehe mit der Tochter des Johannes. Sein Schwiegervater war nun gleichzeitig sein Freund. Nach seinem Tod galt seinen Kindern diese eingemauerte Bibel als das schönste Erbstück.