Wenn Corona will, steht (ein bisschen weniger) still, Update 351 vom 01.03.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Mögen Engel dich begleiten – Simon

Es ist der 01.03.2014. Es ist ein Samstag, heute vor genau sieben Jahren. Es sind fast drei Wochen her, dass Simon gestorben ist. Der Beerdigungsgottesdienst soll in der Stadtkirche in Hersbruck stattfinden. Wir rechnen mit sehr vielen Menschen und haben uns dazu entschlossen, in dieser großen Kirche diese Feier abzuhalten.

Es war eine gute Entscheidung. Es kamen über 400 Gottesdienstbesucher. Teilweise waren sie von weit her angereist. Der Gottesdienst selbst wurde von vielen Menschen musikalisch ausgestaltet. Die Posaunenchöre aus Altensittenbach und Oberkrumbach waren vertreten, Freunde haben mit E-Piano, Gitarre und Gesang Lieder gesungen, der Kinderchor der Grundschule Altensittenbach hat das Lied „Mögen Engel uns begleiten“ vorgetragen, eine gute Freundin von uns hat eine Power-Point-Präsentation mit Bildern aus dem Leben von Simon vorbereitet und Dekan Dr. Werner Thiessen hat die Predigt gehalten. Ein Sohn eines Freundes hat die gesamte Feier als DVD aufgezeichnet. Freunde und Mitglieder aus dem Kirchenvorstand haben das Kaffeetrinken hinterher vorbereitet.

Für mich war besonders nachdenkenswert, dass der Taufspruch von Simon gleichzeitig auch die Jahreslosung von 2014 war. Zufall?? „Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott den HERRN, dass ich verkündige all dein Tun“. Diesen Vers aus dem Psalm 73, 28 haben wir ihn als Eltern im Juli 1992 zur Taufe ausgesucht. Wir haben uns viele schriftliche Glückwünsche zum damaligen Fest aufgehoben. Auf mehreren Karte standen ungefähr folgende Worte: „Wir wünschen Dir viel Glück und Gesundheit im Leben“. Ich will ganz ehrlich sein. Wenn ich diese Karten jetzt lese, stehen mir viele Tränen in den Augen.

Der Text aus dem Psalm 73 für die Jahreslosung von 2014 wurde aus der ökumenischen Einheitsübersetzung ausgewählt. „Gott nahe zu sein ist mein Glück“. Ich habe bei den Predigten dazu viele Worte gelesen, bei denen es vor allem um das „Glück“ ging. Irgendwie hatte mich das nie zufrieden gestellt. „Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte“ von Luther zu „Gott nahe zu sein ist mein Glück“. Passt das zusammen? Ich habe im hebräischen Urtext nachgesehen und war erstaunt. Die wörtliche Übersetzung lautet: „Gott nahe zu sein ist mir kostbar“. Ich bin über diese wörtliche Übersetzung des Textes begeistert. Darüber hat Dekan Dr. Thiessen dann auch gepredigt und die Kachel an der Wand bei der Baumbestattung trägt diese Formulierung. Und das zog sich auch gefühlsmäßig für mich durch den ganzen Abschiedsgottesdienst. Und das ist eine starke Verheißung für jeden, der im Glauben an Jesus um einen lieben Menschen trauert.

Das Lied spielt meine Schwägerin Silvia Dörr auf dem Klavier.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 350 vom 28.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Taufe und Konfirmation

Ich weiß nicht genau, ob und wie die Konfirmanden zu einem Mann stehen, welcher der Grund ist, warum es die Konfirmation überhaupt gibt: Martin Bucer. Eigentlich hieß er Martin Butzer oder auch Martin Butscher. Das weiß keiner so ganz genau.

Er war ein Zeitgenosse von Martin Luther und hat eine ähnliche Lebensgeschichte wie der große Reformator aus Wittenberg. Sein Vater war Büttner (Küfer) und stellte Fässer her. Er wurde wie Luther Mönch. Allerdings nicht bei den Augustinern, sondern bei den Dominikanern. Am 26.04.1518 kam es zur sog. Heidelberger Disputation. Bucer hatte einen positiven Eindruck von Martin Luther und wandte sich der protestantischen Theologie zu. Drei Jahre später wird er auf eigenen Wunsch aus dem Orden entlassen und findet Zuflucht bei dem protestantischen Ritter Franz von Sickingen. Auch Bucer heiratet wie Luther eine ehemalige Nonne: Elisabeth von Silbereisen. Wie Luther trifft ihn der Kirchenbann des Papstes und wird durch Kaiser Karl V. für vogelfrei erklärt. Er wird in Straßburg ordiniert und 1524 zum Pfarrer gewählt. Er nimmt eine führende Stellung im Aufbau des Kirchenwesens im gesamten südwestdeutschen Raum ein. Er versucht zwischen den verschiedenen protestantischen Parteien zu vermitteln und schaltet sich vor allem beim Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli ein. Er suchte ständig das Gespräch mit Luther und beteiligte sich auch an Vermittlungsgesprächen zwischen Katholiken und Lutheranern. Die Einführung der Reformation in Württemberg stand unter seiner Leitung und so ist er dort bis heute eher ein Begriff als für uns bayrische Lutheraner. Um dem Einfluss der sog. Täuferbewegung zu begegnen, führte er die Konfirmation ein, die aber erst sehr viel später im Pietismus wichtig wurde. Wie Luther und seine Familie kämpfte er mit den Auswirkungen der Pest. Seine Frau Elisabeth und mehrere Kinder fielen dieser Seuche zum Opfer und er heiratete noch einmal. Er ging nach Straßburg zurück, musste aber 1549 die Stadt verlassen. Im Zuge der schmalkaldischen Kriege nach dem Tod Luthers (1546) kam es auch dort zur „Rekatholisierung“ durch Kaiser Karl V., die Bucer nicht mitgegangen ist. Er emigrierte nach England, lehrte an der Oxford-Universität und starb dort nach kurzer Krankheit am 1. März 1551 und damit morgen vor genau 470 Jahren. Der Tag vorher, der 28. Februar ist sein Namenstag im evangelischen Kalender.

Bucer hat zum ersten Mal den Gedanken entwickelt, dass getaufte Kinder später als Jugendliche nachträglich ihr eigenes „Ja“ zu ihrer Taufe sagen können. Damit wollte er einen Kompromiss zu den Vertretern der Täufer finden, welche gegen die Säuglingstaufe stehen und nur die sog. „Glaubenstaufe“ anerkennen. Und diese verschiedenen theologischen Lehren werden bis heute kontrovers diskutiert. „Seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen“ (Epheser 4, 3 – 6).

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 349 vom 27.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Alles hat seine Zeit

Es ist der 27.02.2014. Es ist ein Donnerstag, heute vor genau sieben Jahren. Ich gehe zu einer Beerdigung. Sie findet im Neuen Friedhof in der Südstadt von Hersbruck statt. Ich habe nur die Information, dass es eine Baumbestattung sein wird.

Ich gehe zum Baum 6 und sehe das Grab, in das die Urne kommen wird. Ich erschrecke zuerst. Es ist genau direkt neben dem Grab, in dem Simon einen Tag später beerdigt werden wird. Während der gesamten Bestattung stehe ich genau auf dem leeren Feld, das einen Tag später die Urne meines Sohnes aufnehmen wird. Ich spüre in mir auf der einen Seite ein aufgewühltes Herz. Auf der anderen Seite bin ich auch gefasst. Die Beerdigung läuft seinen normalen Gang. Ich merke, wie Rituale und Liturgie Halt geben können. Ich kann mich orientieren und der festgelegte Ablauf hilft mir, die gesamte Situation gut zu überstehen. Erst nach der Beerdigung gehe ich noch einmal zu dem Ort.

In mir sind die Gedanken aus dem Buch des Predigers im dritten Kapitel: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit…Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll. Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 347 vom 25.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

We beneiden you

Ich habe schon mehrmals davon geschrieben, dass ich fast jeden Morgen zu einer nahegelegenen Bäckerei gehe. Das hat mit einer Umstellung der Ernährung von vor acht Jahren zu tun. Seitdem esse ich nach einem bestimmten Plan. Es hat mir geholfen, ganz neu meinen Körper „zu formen“. In diesem Geschäft sehe ich dann täglich die große deutsche Tageszeitung mit den vier großen Buchstaben und ich erfahre, was fast 5 Millionen Menschen in unserem Land zuerst lesen.

Gestern gab es wieder einmal eine Schlagzeile, die mir sofort ins Auge fiel: „England, we beneiden you“. Was war geschehen, dass diese Mischung aus Englisch und Deutsch keiner übersehen kann. Premierminister Boris Johnson hat angekündigt, dass in Großbritannien ab dem 21.06.2021 wieder ein normales Leben sein wird. Hintergrund ist die Tatsache, dass dort schneller geimpft werden kann als in den EU-Staaten, zu denen bekanntlich Deutschland auch gehört. Natürlich höre ich sofort den süffisanten Unterton heraus, dass es eben ohne der EU einfacher und leichter zu leben ist als mit der EU. Die EU schlingert ja mittlerweile wie ein schwerer Ozeandampfer durch die Weltpolitik. Einstimmige Beschlüsse bei 27 Mitgliedern hindern oftmals schnelle Entscheidungen. Nach meiner Meinung hätten diese einstimmigen Entscheidungen spätestens bei der Aufnahme von zehn Ländern am 1. Mai 2004 abgeschafft werden müssen. Das ist – warum auch immer – nicht erfolgt und jetzt „haben wir den Salat“ wie es so schön sprichwörtlich heißt.

Boris Johnson hat augenscheinlich mit seiner Politik der Trennung und Loslösung Erfolg. Ob das langfristig auch gilt – das weiß keiner!! Es wäre nicht der erste Politiker, der eher kurzfristig Erfolge sucht um gut dazustehen und langfristige Lösungen scheut. Jedenfalls ist das in dieser Coronapandemie überhaupt die Frage: Wo schaue ich auf mich und wo sehe ich den Menschen, das Land um mich herum? Das Miteinander planen und handeln spielt auch in der Bibel eine sehr große Rolle. Und ob Boris Johnson am Ende wirklich Recht behält, wird erst die Geschichte zeigen. Und ob in Großbritannien tatsächlich zum Sommeranfang alles auf „normal“ gestellt ist, das ist auch noch nicht ausgemacht.

Da fällt mir ein biblisches Wort aus dem ersten Brief an die Thessalonicher ein, der vielleicht nicht nur für Christen gilt, sondern den sich auch „weltliche“ Führungskräfte zu Herzen nehmen können. „Wir bitten euch aber, Brüder und Schwestern: Achtet, die sich unter euch mühen und euch vorstehen im Herrn und euch ermahnen; ehrt sie in Liebe umso höher um ihre Werkes willen. Haltet Frieden untereinander…tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig mit jedermann. Seht zu, dass keiner dem anderen Böses mit Bösem vergelte, sondern jagt allezeit dem Guten nach, füreinander und für jedermann“ (1. Thessalonicherbrief 5, 12 – 15).

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 346 vom 24.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Auch ein Stammbaum kann viel verraten

Haben Sie schon einmal eine Predigt über den Stammbaum von Jesus ganz am Anfang des Matthäusevangeliums oder im dritten Kapitel des Lukasevangeliums gehört? Vielleicht denken Sie: Warum sollte ich das? Da wird ein Name nach dem anderen genannt. Das wird mir zu langweilig. Ich kann solche Gedanken sehr gut nachvollziehen. Aber wer z.B. im ersten Kapitel des Matthäusevangeliums die ersten 17 Verse genau liest, wird aus dem Staunen nicht herauskommen!! Er wird sich wundern, welche Namen in diesem Stammbaum stehen. Vor allem auch, welche Geschichten hinter ihnen stehen! Bei der Frage, wie Gott seine Geschichte mit Menschen auf dieser Erde hat, können sehr leicht „moralische“ Beurteilungen kommen. Wer so denkt, wird sich über den Stammbaum von Jesus regelrecht entrüsten. Er könnte aber auch staunen, mit welchen Menschen Gott konsequent seine Geschichte so schreibt, dass wir in Jesus den Erlöser erkennen können. Wie gesagt: Das ist Stoff für eine ganze Predigt.

Nur ein paar Stichpunkte: „Juda zeugte Perez“. Dieser Satz weist hin auf die Geschichte aus 1. Mose 38. Perez ist unrechtmäßig gezeugt worden von Juda mit seiner Schwiegertochter Tamar. „Salmon zeugte Boas mit der Rahab“. Das spielt darauf an, dass es der Hure Rahab zu verdanken ist, dass Josua in das verheißene Land Kanaan kam. Denn Rahab hat die israelitischen „Spione“ vor den Fängen der Polizei von Jericho gerettet (Josua 2). „David zeugte Salomo mit der Frau des Uria“. Das ist eine sehr bekannte Geschichte von König David. Er ließ den Uria an die vorderste Front schicken, damit er im Krieg fällt. So konnte der König dessen Frau heiraten, in die er sich verliebt hatte und mit der er in einem One-Night-Stand ein Kind gezeugt hat. Aber Gott blieb das nicht verborgen und der Prophet Nathanael hat ihm die Augen geöffnet.

Am Schluss heißt es: „Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus“. Direkt nach dieser Stelle folgt die Geschichte der Schwangerschaft und der Geburt von Jesus. Auch diese war „anrüchig“. Denn Josef war mit Maria nicht verheiratet. In der damaligen Zeit ging das gar nicht, dass die Verlobte schwanger wurde. Und für Josef stand fest: Von mir kann das Kind nicht sein. Also war sein Gedanke: Wer ist der Vater dieses Kindes? Die Auflösung führt direkt zur Weihnachtsgeschichte und beschäftigt bis heute nicht nur Theologen, sondern auch Menschen, die mit einem klaren Verstand diese Geschichte lesen. Es zeigt: An Gott zu glauben und sein Wirken mitten in dieser Welt zu erkennen, das erfordert mehr als nur mit dem Verstand diese Welt zu begreifen. Dazu benötige ich Erfahrungen mit Gott und Beziehung zu Jesus, der für mich der Erlöser ist so wie das in V. 21 im ersten Kapitel des Matthäusevangeliums ausgedrückt ist: „…dem sollst du den Namen Jesu geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden“.

Und erst recht nicht darf ich mit scheinbar „doppelmoralischen“ Kriterien die Geschichte Gottes beurteilen. Denn Gott sucht sich selbst aus, mit wem und mit welchen Mitteln er sein Reich hier auf Erden baut. Und das hat keiner so klar und deutlich ausgedrückt wie der Evangelist Matthäus in seinem Stammbaum von Jesus. Und heute, am 24.02. feiern wir den Gedenktag des Matthäus.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 345 vom 23.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Leise rieselt der Schnee – auf dem Tempelberg

Herr Pfarrer, was sollen wir da anziehen? Wie warm oder kalt ist es da um diese Zeit?“ Das war eine der Hauptfragen Ende 1991 beim Vorbereitungstreffen für die geplante Israelreise in Verantwortung der Kirchengemeinde Alerheim im Dekanat Donauwörth, bei der ich zu dieser Zeit Pfarrer war. Etwas naiv antwortete ich: „Da ist es zu dieser Zeit schon warm. Ich war 1978 Anfang März dort und wir hatten tagsüber schon Temperaturen über 30 Grad“. Ich muss hinzufügen, dass es abends damals dennoch ziemlich kalt war mit Temperaturen von ungefähr 5 Grad. Wir übernachteten in der Jugendherberge. Dort gab es keine Heizung. Aber wir Studenten hatten Decken und die wärmten uns genügend.

Bei den Mitfahrer/-innen im Ries 1992 handelte es sich fast nur um erwachsene Personen und wir sollten in erstklassigen Hotels untergebracht werden. Was sollte also bei meiner Bemerkung falsch sein?!! Ich selbst hatte nur einen Pullover dabei und eine dünne Jacke, sonst nur T-Shirts und Hemden. Kurz vor dem Start Ende Februar meldete der Wetterbericht für Israel Winterwetter an. Es könnte sogar ein wenig schneien. Auch das hat mich nicht beunruhigt. Ein wenig Schnee auf den Golan-Höhen und vielleicht noch ein wenig im gebirgigen Teil von Israel. Kein Problem. Wir bleiben unten am See Genezareth und fahren dann nach Jerusalem. Gut, Jerusalem liegt ungefähr 800 m über den Meeresspiegel. Aber ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Bild von Jerusalem mit Schnee gesehen.

Ich flog also völlig entspannt mit fast 50 weiteren Personen von München nach Tel Aviv. Wir steigen aus und es ist relativ kühl. Immer noch war ich voller Optimismus. Wir fahren in unser Hotel am See Genezareth. Abends hören wir die Nachrichten und sehen Bilder von den Golan-Höhen, von der libanesischen Grenze und von Jerusalem. Wir sehen Schnee über Schnee!! Wir lachen noch ein wenig darüber. „Ach, der ist morgen weg“ – habe ich noch gesagt um die Mitfahrer/-innen zu beruhigen. Es hat alles nichts geholfen. Das Wetter hat sich nicht nach meinen Wünschen gerichtet. Wir fahren an die libanesische Grenze. Israel hatte eine Sperrzone eingerichtet um Angriffe aus Libanon abzufangen. Wir stehen am Zaun und es hat einen Meter Schnee. Einige Frauen hatten Röcke an und Stöckelschuhe getragen. Sie haben gefroren. „Herr Pfarrer, warum haben sie uns nichts gesagt, dass so viel Schnee hier liegen kann?“ „Weil ich das selbst nicht wusste“ – war meine Antwort. In diesem Frühjahr 1992 hatte es nach 80 Jahren zum ersten Mal wieder richtig in Palästina geschneit. Da kam ich – Gott sei Dank – auf eine gute Idee und meinte: „In Israel auf Pilgertour zu sein bei Sonne und Trockenheit. Das kann jeder. Aber eine Pilgertour in Israel bei Schnee – das erleben nur ganz wenige Leute. Sie können ihr Leben lang davon erzählen, dass ausgerechnet sie in dem Jahr in Israel waren, wo es dort geschneit hat“. Tatsächlich: Die Mitfahrer/-innen waren zufrieden und hocherfreut über diese Sichtweise. Irgendwie musste ich ja eine Erklärung finden!!

Später bei verschiedenen Vorträgen wurde dieser Satz von mir sehr oft betont. Ich war dennoch in diesen Tagen in Israel angespannt, ob meine Aussage die Stimmung hoch halten würde. Sie konnte es. Warum ich das heute erzähle? Am 19.02.2021 kam die Information in den Nachrichten: „Es schneit in Jerusalem“. Auf dem Tempelberg gibt es freudige Schneeballschlachten.  Das ist mir doch viel lieber als dass mit Gewehren aufeinander geschossen wird. Und das muss ich beim Betrachten des Bildes schon mal feststellen: Der Schnee im Februar 1992 auf dem Tempelberg war sehr viel mehr als in diesem Jahr 2021. So ist unsere Fahrt auf den Tag genau vor 29 Jahren schon einmalig geblieben.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 344 vom 22.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Weiße Rose

Es ist eines der ergreifenden Geschichte unter vielen ähnlichen des Widerstandes gegen die Nazidiktatur. Die Geschichte der sog. „Weißen Rose“ mit ihren bekanntesten Mitgliedern Hans und Sophie Scholl. Diese Gruppe war in ihrem Kern von Studenten dominiert und begann ab Juni 1942 damit, aktiv im Untergrund gegen Hitler und seiner verachtenden Kriegspolitik zu agieren. Zwischen Ende Februar und April 1943 wurden sie enttarnt und alle prägenden Führungsgestalten wurden hingerichtet. Der berüchtigte Vorsitzende des sog. Volksgerichtshofes, Roland Freisler hat selbst die Todesurteile gesprochen.

Die Gruppe verfasste, druckte und verteilte Handzettel gegen das Regime auf ganz verschiedenen Wegen. Vor allem in München und in Süddeutschland wurden sie unter das Volk gebracht. Nach der Schlacht von Stalingrad bemalten Mitglieder in nächtlichen Aktionen öffentliche Fassaden in München mit Parolen gegen Hitler und die NS-Herrschaft. Die Gruppe gilt bis heute als das Beispiel für den studentisch-bürgerlichen Widerstand gegen das NS-Regime. Das Geschwisterpaar Scholl sind die bekanntesten Symbolgestalten. Heute vor genau 78 Jahren, am 22.02.1943 sind sie im Gefängnis in München-Stadelheim mit der Guillotine enthauptet worden.

Im Vergleich zur gegenwärtigen Coronakrise stelle ich fest: Damals war es ein Widerstand gegen ein diktatorisches Regime. Heute leben wir in einer Demokratie und die Maßnahmen gegen die Pandemie mit allen schlimmen Einschränkungen und Folgen für die Bevölkerung sind nicht zu vergleichen mit der Willkürgewalt von Diktatoren. Menschen können durchaus anderer Meinung sein bei den gegenwärtig einzelnen Verordnungen. Aber heute entscheidet eine demokratisch gewählte Regierung. Und vermutlich ist es für die Mitglieder auch nicht immer leicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 343 vom 21.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Draht nach oben

Es ist der 13. Februar 2021. Ich schlage die Hersbrucker Zeitung auf (Regionalausgabe der Nürnberger Nachrichten) und erschrecke auf der Seite 21. Relativ groß ist die Traueranzeige von Dr. Joachim Robert Kalden zu lesen. In der Anzeige werden seine ganzen Verdienste und seine Ehrungen erwähnt. Mich erinnert diese Anzeige an eine meiner großen Krisen in meinem Leben.

Es fing im Herbst 1982 relativ normal an. Ich hatte Fieber, das nach einigen Tagen wegging. Nach kurzer Zeit kam das Fieber zurück und ich musste ins Bett. Das war ich gar nicht gewohnt. Ich bekam Fieber senkendes Mittel. Innerhalb von zwei Stunden ging die Körpertemperatur von 40 Grad auf 36,5 zurück. Nach einer weiteren Stunde ging sie wieder auf 40 Grad hoch. Im Laufe der folgenden Wochen ging es mehrmals so. Im Juli 1983 hat mich ein Arzt darauf aufmerksam gemacht, doch mal in die Immunologie nach Erlangen zu gehen um mich gründlich untersuchen zu lassen.

Gesagt – getan. Dieses Institut liegt direkt zwischen Marktplatz und Schlossgarten. Ich war insgesamt vier Wochen dort und durchlief fast alle Untersuchungen. Unter anderem wurde auch Knochenmark aus meinem Körper genommen und der Magen wurde mittels Schlauch untersucht. Prof. Dr. Kalden war der leitende Chefarzt. Jeden Tag kam er zur Visite und sprachen u.a. mit mir auch über Glauben und Sport. Denn gerade zu dieser Zeit fand die erste Leichtathletikweltmeisterschaft in Helsinki statt. Ich gab eine tägliche Prognose für den kommenden Tag ab und er gab mir dann am nächsten Tag das Ergebnis bekannt. Ich erinnere mich noch genau, dass ich zu ihm sagte: „Die 3000 m Hürden gewinnt der Patriz Ilg“. Am nächsten Tag begrüßte er mich mit den Worten: „Herr Metzger, sie haben Recht gehabt. Patriz Ilg hat gewonnen“. Ich glaube, diese richtige vorhersage hat mein Ansehen bei ihm gesteigert. Vielleicht gehörte er ja auch zu den Menschen, die meinen, ein Pfarrer liest nur in der Bibel und hat sonst nicht sehr viel Ahnung!!

Trotz der vielen Untersuchungen setzte er sich nach vier Wochen an mein Bett und meinte: „Jetzt haben wir alles untersucht. Ich weiß auch nicht, was Sie haben. Aber Sie haben doch einen besseren Draht nach oben als ich“. Dabei zeigte er mit dem Finger zur Zimmerdecke. Ich stand da mit meiner Krankheit und war schon etwas traurig und unsicher. In meiner Verzweiflung sagte ich noch: „Ich spüre einen Schmerz im Rachen. Könnte das eine Spur sein?“ „Dann schicken wir Sie doch noch einmal zum HNO-Professor“. Das war dann letztlich die richtige Spur. Meine Mandeln waren total voller Eiter. „Jetzt haben so viele Ärzte, Studenten und auch Professor Kalden vermutlich über 30-mal in meinen Mund und in den Rachen geschaut und keiner hat die vereitere Mandeln gesehen! Ich kann es kaum glauben“. Das war mein Kommentar in der HNO. Ich erhielt zur Antwort, dass die Mandeln wirklich sehr versteckt waren und wenn ich diese nicht sofort herausoperieren lasse, dann werde ich in einem halben Jahr nicht mehr leben.

Dieser Satz hat mich wirklich getroffen und ich war froh, dass endlich eine Diagnose gestellt wurde. Und vielleicht war dieser Hinweis zum HNO-Professor zu gehen ja tatsächlich ein Hinweis von Gott. Weil Professor Kalden mit den beiden Vornamen Joachim Robert genannt wurde, hieß er bei allen nur J.R. Es war eine Anspielung auf die Fernsehserie „Dallas“. Aber solch ein Fiesling wie J.R. Ewing (gespielt von Larry Hagmann) war Professor Kalden keineswegs. Ganz im Gegenteil: Er war auch als Professor ein Mensch wie du und ich. Und im Nachhinein hat es mich sehr imponiert, dass er ehrlich zugegeben hat, dass selbst er nicht mehr weiter weiß. Immerhin ist er 83 Jahre alt geworden. Aber die Erinnerung an meine eigene Krisensituation von damals lebt neu auf durch diese Traueranzeige.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 342 vom 20.02.2021

Trauer um Luther

Heute ist der 20.02.2021. Heute vor genau 475 Jahren, am 20.02.wird der Trauergottesdienst für Martin Luther in der Kirche in Eisleben unter Leitung von Michael Cölius gefeiert. Danach setzt sich ein gewaltiger Zug um die Mittagszeit in Bewegung. Der Zug scheint endlos. In allen Dörfern, die der Zug berührt, läuten die Glocken und das Volk bildet Spalier zum Zeichen der Trauer. Gegen fünf Uhr des Nachmittages ist die Spitze des Zuges in Halle eingetroffen. Das Gedränge in der Stadt ist groß. Um sieben Uhr erreicht er die Kirche „Unserer lieben Frauen“. Das Gotteshaus ist voll. Sie singen den Psalm „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ mit „kläglichen, gebrochenen Stimmen mehr herausgeweint denn gesungen“. Die Leiche wird in die Sakristei gebracht und von etlichen Bürgern bewacht. Danach zieht der Tross am Morgen weiter und kommt am Montag in Wittenberg an. Das Trauergeleit wird von 65 Reitern angeführt. Hinter dem Leichenwagen sitzt seine Frau Katharina auf einem Wagen.

In der Schlosskirche wird der Sarg so hingestellt, dass er der Kanzel zugewandt ist. Bugenhagen predigt über 1. Thessalonicher 4, 14: „Denn so wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, also wird Gott auch, die da entschlafen sind, durch Jesum mit ihm führen“. Danach predigt Luthers Freund Melanchthon und der Sarg wird in das Grab direkt vor dem Altar hinabgelassen. Es hätte nicht viel gefehlt und das Grab wäre in Zeiten des Schmalkaldischen Krieges kurz darauf geschändet worden. Das war aber nicht der Fall und später wurde Melanchthon neben ihm begraben. Besucher der Schlosskirche zu Wittenberg können heute die beiden Gräber besichtigen und sich dieser beiden besonderen Männer erinnern.

Ich ende mit Worten der Frau von Martin Luther, Katharina Luther. Sie schreibt in einem Brief an ihre Schwägerin: „Wer wollte nicht billig betrübt und bekümmert sein um einen solchen teuren Mann, als mein lieber Herr gewesen ist, der nicht allein einer Stadt oder einem einzigen Land, sondern der ganzen Welt gedient hat. Derhalben ich wahrlich so sehr betrübt bin, daß ich mein großes Herzeleid keinem Menschen sagen kann, und weiß nicht, wie mir zu Sinn und Mut ist. Ich kann weder essen noch trinken, auch nicht schlafen. Und hätt ich ein Fürstentum und Kaisertum gehabt, sollt mir so leid nicht sein, hätt ich´s verloren, wie daß unser lieber Herrgott mir, und nicht allein mir, sondern der ganzen Welt, diesen lieben und teuren Mann genommen hat. Wenn ich daran denk, so kann ich vor Leid und Weinen – wie Gott wohl weiß – weder reden noch schreiben“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 341 vom 19.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein feste Burg und die gerissene Kupplung

Gestern hat sich der Todestag von Martin Luther gejährt. Vor genau 485 Jahren ist er in Eisleben gestorben. Sein Lied: „Ein feste Burg ist unser Gott“ wurde zum Bekenntnislied der Evangelischen. Es wird fast immer am Reformationsfest gesungen. Das Lied ist eine Vertonung von Psalm 46. Ich habe dazu eine ganz besondere persönliche Geschichte.

Im Sommersemester 1979 an der Augustana- Hochschule in Neuendettelsau wird das homiletische Seminar angeboten. Ich bin zwar erst im vierten Semester, hatte aber sehr viel Lust, schon so bald dieses Seminar zur Predigtlehre zu absolvieren. Die Mitstudenten/-innen waren bis zu drei Jahren älter als ich. Mich hat besonders interessiert, wie der neue Professor für Praktische Theologie, Richard Rieß, dieses Seminar leitet. Außerdem hatte ich als Student schon einige Predigterfahrung, weil die Pfarrer im Dekanat Rothenburg o/T mich mehrmals als Vertretung angefragt hatten.

Es war das erste Seminar dieser Art von Prof. Rieß an der kirchlichen Hochschule. Beim ersten Treffen fragte er gleich danach, wer als Erster sich eine Predigt mit einem Gottesdienst zutraut. Es war üblich, dass diese Seminarpredigten in ganz normalen Gottesdiensten an einem unbekannten Ort an einem Sonntag früh gehalten werden sollten. Niemand meldete sich. Da habe ich meine Hand gehoben und mich dafür bereit erklärt. Mir wurde die Predigt zu Psalm 46 zugeteilt. Ich sollte sie im Dorf Wernsbach b. Ansbach halten. Um einen Eindruck von der Kirche zu erhalten, bin ich am Tag vor dem Gottesdienst dorthin gefahren und habe mir die Kirche angeschaut. Bei der Rückfahrt auf halbem Weg riss am Auto die Kupplung und ich stand auf der Straße. Es gab noch keine Handys. Ich bin ins nächste Dorf gelaufen, habe bei einer Familie geklingelt und meinen Freund Herrman angerufen. Er kam mit seinem Auto und mit einem Abschleppseil. Er hat mich nach Neuendettelsau in die Werkstatt geschleppt.

Es war schon spät am Abend, als ich Prof. Rieß angerufen habe um ihm den Vorfall zu schildern. Er war ganz bestürzt und fragte mich, ob ich trotz dieser Aufregung den Gottesdienst halten kann. „Ja, kann ich. Kein Problem. Ich wollte sie nur informieren“. Aber er war nicht so leicht zu beruhigen. Immer wieder sagte er mir, dass er hoffe, dass dieses Erlebnis nicht zu sehr meine morgige Gefühlslage bestimmen wird. Ich wiegelte ab und der Gottesdienst ging zu meiner vollsten Zufriedenheit von statten. Auch das Predigtnachgespräch mit den anderen vom Seminar in einer Gastwirtschaft lief sehr gut.

Ich denke mir bis heute: Vermutlich war der Professor nervöser als ich. Schließlich war es auch für ihn die erste Predigtbesprechung anlässlich solch eines Seminares in Neuendettelsau. Und ganz ehrlich: Diese ganze Coronapandemie macht mir mehr Kummer als das gerissene Kupplungsseil am Abend vor meiner Seminarpredigt.

Meine Schwägerin Silvia Dörr spielt das bekannte Reformationslied auf dem Klavier.