Wenn Corona will, steht (wieder) vieles still, Update 218 vom 19.10.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Frage nach der kollektiven Schuld

Die Frage nach der Schuld der Coronakrise tritt wieder stärker in den Mittelpunkt der Überlegungen. Grund dafür sind wohl die steigenden Zahlen der Infektionen und die Angst vor einem neuen Lockdown. Schauen Sie sich doch jetzt einmal die Überschrift an. Sie hat sich geändert und bringt meine neue Empfindung zum Ausdruck. Ein anderer Grund liegt vermutlich darin begründet, dass in wenigen Wochen die Wahl des neuen Präsidenten der USA stattfinden wird. Der jetzige Präsident, Donald Trump spricht nur vom „Chinavirus“. So benennt er die Krankheit auch nach seiner offenbar überstandenen Infektion. Es ist immer wieder interessant für mich, das zu beobachten, wie mit dieser Schuldfrage umgegangen wird. Heute an diesem 19.10.2020 denke ich besonders daran. Denn heute vor genau 75 Jahren haben etliche Bischöfe und andere Christen der evangelischen Kirche die sog. „Stuttgarter Schulderklärung“ unterzeichnet. Darunter auch der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann. Sie wurde viel diskutiert und es gab auch starken Widerspruch. Dieser liegt vor allem darin begründet, dass die Frage nach der sog. „Kollektivschuld“ abgelehnt wird. Ich finde diese dennoch interessant und wichtig, weil hier der Blick auf Gott gerichtet und eine ökumenische Dimension angesprochen wird. Was ich noch  besonders gut finde: Eine Welt des Friedens kann nur mit der Kraft des Hl. Geistes gebaut werden.

Der Text lautet:

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland begrüßt bei seiner Sitzung am 18.19. Oktober 1945 in Stuttgart Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen. Wir sind für diesen Besuch umso dankbarer, als wir uns mit unserem Volk nicht nur in einer großen Gemeinschaft der Leidenden wissen, sondern auch in einer Solidarität der Schuld.

Mit großem Schmerz sagen wir: Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.

Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden. Gegründet auf die Heilige Schrift, mit ganzem Ernst ausgerichtet auf den alleinigen Herrn der Kirche, gehen sie daran, sich von glaubensfremden Einflüssen zu reinigen und sich selber zu ordnen. Wir hoffen zu dem Gott der Gnade und Barmherzigkeit, dass er unsere Kirche als sein Werkzeug brauchen und ihnen Vollmacht geben wird, sein Wort zu verkündigen und seinem Willen Gehorsam zu schaffen bei uns selbst und bei unserem ganzen Volk.

Dass wir uns bei diesem neuen Anfang mit den anderen Kirchen der ökumenischen Gemeinschaft herzlich verbunden wissen dürfen, erfüllt uns mit tiefer Freude.

Wir hoffe zu Gott, dass durch den gemeinsamen Dienst der Kirchen dem Geist der Gewalt und der Vergeltung, der heute von neuem mächtig werden will, in aller Welt gesteuert werde und der Geist des Friedens und der Liebe zur Herrschaft komme, in dem allein die gequälte Menschheit Genesung finden kann.

So bitten wir in einer Stunde, in der die ganze Welt einen neuen Anfang braucht: Veni creator Spiritus! (Komm, Schöpfer Geist)“

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