Archiv des Autors: Pfr. Gerhard Metzger

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 81 vom 04.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gott hat den Mose im hohen Alter in eine neue Berufung gestellt. Mose hatte die Fähigkeit, das zu erkennen, weil er das Zeichen Gottes in Form eines brennenden Dornbusches, der nicht verbrannt ist, bemerkt hat. Diese Geschichte wird den Kindern im Religionsunterricht in der vierten Klasse erzählt. In der Regel sind sie davon fasziniert. Schon das äußere Drumherum ist merkwürdig. Auch dass ein brennender Dornbusch nicht verbrennt, ist mit dem Verstand nicht zu begreifen. Bei Rückfragen dazu sage ich: „Was meinen die anderen dazu?“ Die Antwort lautet fast immer: „Gott kann das schon. Er ist ja Gott. Der Mose sollte dadurch doch aufmerksam werden“.

Ich finde, das ist eine gute Antwort. Spannend wird es, wenn die Antwort von Mose auf seine Berufung von Gott überdacht wird. Mose fragt nach den Namen von Gott? Der Name zeigt etwas vom Charakter des anderen. „Nomen est omen“ sagt dazu der Lateiner. Luther übersetzt die Antwort Gottes mit „Ich werde sein, der ich sein werde“ (2. Mose 3, 15). Im hebräischen Urtext steht nur ein einziges Wort: „JHWH“. Im Hebräischen werden keine Vokale geschrieben. Wir umschreiben diese vier Buchstaben mit „Jahwe“. Luther übersetzt konsequent mit „HERR“, also in den vier Großbuchstaben. Bei der Übersetzung mit „Ich werde sein, der ich sein werde“ stehe ich in der Gefahr, das Sein Gottes zu beschreiben. Das ist aber nicht gemeint. Es geht nicht um eine Beschreibung des Seins von Gott. Das Gebot, „sich kein Bildnis von Gott zu machen“ (2. Mo 20) ist ganz wichtig. Ich soll mir Gott nicht vorstellen.

Gemeint ist mit Jahwe eine Beschreibung der Beziehung. Ich frage die Kinder danach, wie sie den Gottesnamen übersetzen können, damit eine Beziehung ausgedrückt werden kann. Ich bin immer wieder überrascht, wie das gelingt. Sie formulieren als deutsche Übersetzung den Namen „Jahwe“ dann so: „Ich bin für Dich da“, „Du kannst mir vertrauen“, „Ich lasse Dich nicht allein“, „Ich bin an jedem Ort, wo Du auch bist“, „Du brauchst keine Angst mit mir haben“, „Ich bin dein himmlischer Vater und Du bist mein Kind“. Ich finde, dass die Schüler/-innen der vierten Klasse gut den Gottesnamen beschreiben. Zuletzt schlage ich eine Brücke zum Neuen Testament und verweise auf die letzten Worte von Jesus an seine Jünger im Matthäusevangelium. An dieser bekannten Stelle hat Jesus den Gottesnamen Jahwe sehr gut mit folgenden Worten übersetzt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matth. 28, 20b).

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 80 vom 03.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Da steht er nun. Auf einem Hirtenstock gebeugt schaut er in die Gruppe der Schafe. Er ist 80 Jahre alt (deshalb beim Update 80) und sein Leben hat er scheinbar hinter sich gebracht. Was hat er noch zu erwarten? Weil alles ruhig ist, kreisen seine Gedanken zu vielen Lebensstationen zurück. Hat er alles richtig gemacht? Hätte er in bestimmten Situationen anders handeln sollen? Hätte er eine Karriere haben können? Hat er seine Berufung verfehlt? Gut, er konnte eine Familie gründen und Menschen hat er Lebenssicherheit gegeben. War es das schon? In diesem Alter – was sollte noch kommen?

Er schaut auf und stutzt. Irgendetwas ist heute anders. Ja, da vorne blitzt etwas auf. „Habe ich noch nie hier gesehen. Muss ich mir mal näher anschauen“ – so denkt er sich. Weil die Schafe ruhig sind, traut er sich einige Schritte in Richtung dieser Helligkeit zu machen. Er erkennt, dass es sich um ein Feuer handelt. Aber es brennen immer wieder in der Wüste solche Sträuche bei starker Sonneneinstrahlung. Er versinkt wieder in seinen Gedanken und schaut erst nach einer Weile wieder auf. „Das gibt es doch nicht. Das Feuer ist immer noch da“.

Sein Interesse wächst. Er macht etwas, was für einen Hirten nicht sein darf. Er verlässt die Herde und geht auf das Feuer zu. Diese besondere Erscheinung gilt seine ganze Aufmerksamkeit. „Es wird mit der Herde schon nichts sein“ – denkt er noch. Das Feuer brennt und brennt. Als er schon ziemlich nahe getreten ist, hört er eine Stimme und sieht im Feuer einen Engel. Es ist die Stunde zu seiner Berufung. „Mose! Mose! Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Ich bin der Gott, deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“.

Der Mann ist Mose. Er erkennt sofort, dass jetzt in diesem Augenblick die Stimme Gottes direkt zu ihm spricht. Deshalb verhüllt er sein Angesicht vor der besonderen Gegenwart Gottes. „Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen…Ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Land in ein gutes und weites Land, in eine Land, darin Milch und Honig fließt…so gehe du nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst“.

Mit 80 Jahren bekommt Mose diesen Auftrag. Er hatte mit seinen Lebenszielen vielleicht schon abgeschlossen. Er hatte sich damit abgefunden, dass er statt einer Laufbahn als Prinz beim ägyptischen König „nur“ ein Hirte geworden war. Aber er hat im entscheidenden Moment die Stimme Gottes gehört und ein Ja gefunden. Und darauf kommt es an, egal wie alt ich bin und welchen Beruf ich gelernt oder ob ich mit Lebenszielen schon abgeschlossen habe. Vielleicht hat Gott immer noch eine neue Berufung für Dich. Und dabei gilt es durchaus eigene Widerstände zu überwinden. Das war auch bei Mose der Fall. Und diese besondere Geschichte ist im 2. Buch Mose im 3. Kapitel sehr schön nachzulesen. Aber dazu mehr beim morgigen Update.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 79 vom 02.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunkeln Laub die Goldorangen glühn, ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Myrte still und hoch der Lorbeer steht? Kennst du es wohl? Dahin! Dahin möchte ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn“.

Das ist kein biblischer Text und auch kein Gesangbuchlied. Es ist eine besondere Dichtung von Johann Wolfgang von Goethe. Er beschreibt darin in einzigartiger Weise seine Eindrücke, die er während seiner 19-monatigen Reise in Italien hatte und die er am 03.09.1786 begann. Tagebuchartig beschreibt er die Gefühle und Erlebnisse seiner Route. Auch am Gardasee gibt es überall die Spuren dieses Dichters zu sehen.

Heute am 02. Juni 2020 wollten meine Frau und ich in dieser Region den diesjährigen Urlaub beginnen und 14 Tage dort verbringen. Er fällt aus. Und so können wir beide in diesem Jahr diese besondere Atmosphäre am Gardasee nicht einatmen.

Im vergangenen Jahr haben wir beim Gottesdienst in Arco ein Ehepaar aus Hersbruck getroffen. Vor zwei Wochen treffe ich zufällig den Mann am Hersbrucker Bahnhof rechts der Pegnitz. Er hält an und sagt: „Herr Metzger. In diesem Jahr treffen wir uns ja leider nicht in Arco im Gottesdienst“. Da klang schon ein wenig Wehmut heraus. Er hat mir erzählt, dass er seit 25 Jahren dort hinfährt.

Am westlichen Uferrand gibt es die Ortschaft Limone. Es hat kaum über 1000 Einwohner und ist in normalen Zeiten überfüllt. Dort wird die Aussage gepflegt, dass es die Gegend mit dem nördlichsten Anbaugebiet der Zitrone ist. Und dass von dieser Frucht auch der Name “Limone“ kommt. Am Hang haben die Einheimischen die „Limoneia“ gebaut. Dort kann auf Terrassen die Geschichte dieser besonderen Frucht erkundet werden. Diese Herleitung des Namens „Limone“ aus der Zitronenfrucht ist zwar vermutlich ein „Fake“, aber Touristen stören sich daran nicht. Der Name rührt wahrscheinlich von der Bezeichnung „Limes“ und steht für Grenze, weil Limone einst die Grenze der Republik Venedig und Österreich war.

Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade daraus“ – so sagt ein Sprichwort. Ich soll mich also nicht von meinen schwierigen Tagen zu sehr beeinflussen lassen, sondern das Gute und Schöne auch in schwierigen Zeiten entdecken. Ein Wort wie geschaffen zur Coronakrise. Ich war natürlich neugierig, ob es das Wort „Zitrone“ auch in der Bibel gibt. Hat das Sprichwort vielleicht sogar auch einen biblischen Ursprung im Wortlaut?

Da frage ich doch mal Herrn Google. Das Wort „Zitrone“ gibt es im Alten Testament nicht. Aber ich finde tatsächlich einen mir bisher anderen unbekannten Hinweis. Beim jüdischen Laubhüttenfest spielt sie eine wichtige Rolle. Sie gehört zum vorgeschriebenen Feststrauß neben Palmzweig, Myrtenzweig und der Bachweide. Als religiöses Symbol steht sie für die religiöse und nationale Einheit der Juden. Sie ist im Heiligen Land auf zahlreichen Fresken, Mosaiken, Grabmälern und rituellen Gegenständen ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. zu sehen. Beim Gebet wird sie in der linken Hand gehalten, die anderen drei Pflanzen zusammengebunden in der rechten Hand. Wer hätte das gedacht, dass die Zitrone solch eine besondere Bedeutung im Judentum hat! Daran werde ich heute an diesem Tag ganz besonders denken. Immerhin ist der 2. Juni für die Italiener der Nationalfeiertag. Es wird an die Gründung des gegenwärtigen Nationalstaates gedacht. Und vielleicht klappt es ja wieder in einen der nächsten Jahren. Dann werde ich in Limone sul Garda mir eine Zitrone in die linke Hand nehmen und an die alttestamentliche Bedeutung dieser Frucht denken.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 78 bom 01.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Heute ist der Pfingstmontag. Bei diesem Tag gehen mir hier in Altensittenbach immer zwei Gedanken durch den Kopf. Einmal denke ich daran, dass an diesem Sonntag seit vielen Jahren ein ökumenischer Gottesdienst aller Kirchengemeinden gefeiert wird. Abwechselnd in der Stadtkirche und in der katholischen Kirche feiern Christen unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam den Gottesdienst. Es ist jedes Mal eine bewegende Feier und ich freue mich, dass dies in unseren Zeiten möglich ist.

Der andere Gedanke ist für einen Altensittenbacher wohl noch wichtiger. Am Pfingstmontag feiern mehr als tausend Leute die sog. „Hansgörglkirchweih“. Warum und seit wann es dieses Treffen gibt, weiß offenbar keiner mehr so richtig. Aber es ist so wichtig für die Einheimischen, dass selbst im Einheitsvertrag von 1976 fest geschrieben worden ist, dass nur Altensittenbacher Betriebe dort verkaufen dürfen. 1976 kam Altensittenbach zu Stadt Hersbruck und ist seitdem der größte Ortsteil. Allerdings gab es damals vor 44 Jahren noch mehrere Dorfgastwirtschaften.

In den 90-er Jahren gab es eine Initiative, diese „Kirchweih“ mit einem Gottesdienst zu beginnen. 1997 wurde ich zum ersten Mal gefragt, ob ich das weiterführen würde. Ich war natürlich sofort dabei. „Kirche soll zu den Menschen kommen“. Das ist eine Leitlinie von mir (siehe Update 49 vom 03.05.2020). „Der Gottesdienst soll aber sehr früh sein, Herr Pfarrer“ wurde mir gesagt. „Wir wollen nicht stören, wenn die Leute in Scharen kommen“. Ich habe bei diesen Worten eines Altensittenbachers ein wenig gestutzt. Aber versuchen kann ich es ja einmal. Der Gottesdienst fand praktisch vor leeren Rängen statt. Posaunenchor und Sängerbund gaben sich große Mühe, den Gottesdienst musikalisch auszugestalten. Ich bin ihm da heute noch dankbar.

Irgendwie hatte ich dennoch ein ungutes Gefühl. Gut. Noch einmal einen Versuch und noch einmal. Aber nach vier Jahren haben wir das beendet. Irgendwie hatten ich und die anderen Mitarbeiter/-innen den Eindruck, das passt nicht. Aus dem „wir bieten uns an“ war wohl ein „wir biedern uns an“ geworden. Gottesdienst auf Abstand bevor die Leute kommen um nicht zu stören. Das ging einfach nicht. In Coronazeiten ist das vielleicht ein „humorvoller“ Gedanke. Nicht aber grundsätzlich. Manchmal ist es anscheinend wichtig, als Mensch da zu sein und mit Menschen zu reden ohne gleich einen Gottesdienst anbiet(d)e(r)n zu müssen. Das ist nicht immer leicht zu erkennen. Aber auch Jesus zieht sich immer wieder zurück. Auch er geht nicht immer hinein in die Masse. „Distanz“ und „Nähe“ zu erkennen, das ist vermutlich wichtig, wenn auch nicht immer einfach.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 77 vom 31.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ich schreibe euch jetzt den griechischen Namen für 50 an die Tafel. Schaut einmal genau hin und versucht zu erkennen, welches für euch auch schon bekanntes Wort im Namen steht. Ich schreibe euch die Zahl in lateinischen Buchstaben hin“. Diese Ankündigung erweckt bei den Schüler/-innen der vierten. Grundschulklasse in der Regel erhöhtes Interesse. Ich schreibe in Druckbuchstaben folgendes Wort: „PENTEKOSTE“. Zuerst sehe ich erstaunte Gesichter. „Schaut einmal auf den Anfangsbuchstaben. Dann schaut auf die letzten drei Buchstaben. Jetzt noch ein weni mit Phantasie hinschauen und dann entdeckt jemand von euch das gesuchte Wort und soll es nennen“. Tatsächlich. Noch nicht ein einziges Mal wurde die Lösung nicht genannt. In diesem Wort „PENTEKOSTE“ steckt das Wort „Pfingsten“.

Für mich ist es immer wieder faszinierend, dass eine Zahl solch eine Wirkung hatte. Was da in Jerusalem genau 50 Tage nach Ostern  geschehen ist, hat nicht nur die Christenheit, sondern die ganze Welt verändert. Die Juden feierten an diesem Tag das Wochenfest, ein Erntedankfest. Schon so bald, weil es in der Klimazone von Vorderasien in der Regel zwei Ernten gibt. „Eine Zahl verändert die Welt“ – so könnte die Schlagzeile lauten. Denn an diesem Tag haben sich die Jünger verändert. Vorher waren sie ängstlich und hielten sich vermutlich versteckt und zurückgezogen auf im „Obergemach des Hauses, wo sie sich aufzuhalten pflegten“ (Apostelgeschichte 1, 13). Aber sie waren „alle stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, die Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1, 14). Sie hatten die Verheißung von Jesus selbst. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde“ (Apg 1, 8). Aber noch war es nicht so weit. Noch mussten sie auf die Erfüllung des Wortes von Jesus warten, das er ihnen 10 Tage vorher auf dem Ölberg gegeben hatte.

Es ist ein Gleichnis für mich. Verheißungen Gottes werden nicht sofort erfüllt. Oft genug habe ich in meinem Leben auch warten müssen. Oft ist es auch anders gekommen. Aber immer galt es, im Gebet dem Wort Gottes zu vertrauen. Und fast immer hat es in mir eine Veränderung gegeben. In der Pfingstgeschichte wird das überdeutlich. Der Heilige Geist fällt auf die Jünger, erfüllt das ganze Haus und die Jünger verändern sich. Aus den ängstlichen Männern werden bekennende Christen. Petrus tritt auf und redet mutig zu den Menschen auf der Straße. Die Jünger wurden „vom heiligen Geist erfüllt und fingen an, zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen“ (Apg 2, 4). In diesem Moment hat der Heilige Geist ganz von ihnen Besitz ergriffen. Es war ein besonderer Augenblick. Es ist wichtig, dass Christen solche ganz besondere Momente im Glauben mit Gott erleben. Das stärkt ihr Vertrauen in Gott und gibt ihnen Mut wie Petrus zu bekennen: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes“. Und vielleicht spüren das auch und nicht nur die Schüler/-innen einer vierten Grundschulklasse im Religionsunterricht.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 76 vom 30.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Papa. Warum stehen denn Birken vor der Eingangstür der Kirche?“ Das war die Frage des siebenjährigen Gerhard an seinem Vater am Pfingstsonntag 1965. Rechts und links standen kleine Bäume mit dieser markanten weißen Rinde. Mein Vater hat mir dann erklärt: „Die Birken heißen auch noch Maien. Denke an den Maibaum, der auch eine Birke ist. Und die Buben stellen ihren Freundinnen am Abend vor dem 1. Mai eine Birke vor das Haus als Ausdruck ihrer Liebe. Und dann pass heute besonders auf die Lieder im Gottesdienst auf. Vielleicht wird das Lied „Schmückt das Fest mit Maien“ gesungen. Es ist eine Anspielung auf diesen Brauch“.

Natürlich habe ich dann besonders aufgepasst. Tatsächlich: Auf der Liedertafel war 107 angesteckt. Im alten Gesangbuch, das bis 1994 im Gebrauch war, stand dieses Lied bei dieser Nummer. Seitdem liebe ich besonders dieses Pfingstlied und es steht – Gott sei Dank – auch im neuen Gesangbuch unter der Nummer 135. Ich will es unbedingt morgen am Pfingstsonntag singen lassen. Halt! Geht ja nicht! Dann soll es gespielt und vorgesungen werden.

Den Brauch, zu Pfingsten zwei kleine Birken an die Eingangstür der Kirche hinzustellen, habe ich auch in Altensittenbach vorgefunden. Richard Sperber hat von diesem Brauch gewusst und ihn gepflegt. Er war Stadtgärtner und hatte eine besondere Liebe zu Blumen und zur Natur. Auch sonst hat er sich rührend um solche Sachen gekümmert. Vor seiner Goldenen Konfirmation kam er zu mir und meinte: „Ich kümmere mich bei unserem Festgottesdienst um den Blumenschmuck in der Kirche“. Für die Weihnachtszeit hat er eine Krippe in besonderer Weise zusammengestellt und aufgebaut. Am 23.12.2017 und damit einen Tag vor dem Hl. Abend wurde er bei einer übergroßen Trauergemeinde kurz vor seinem 70. Geburtstag beerdigt.

Das Symbol der „Birke“ ist also ein Zeichen der Liebe nicht nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Gott und dem Menschen. Und weil diese Liebe eine Frucht des Hl. Geistes (Galaterbrief 5, 22) ist, finde ich diesen Brauch des Aufstellens von einer Birke am Pfingstfest sehr schön und wichtig. Beim Lied selbst steht unten der Hinweis Ps 118,27. Es ist der Wochenpsalm vom Pfingstfest. Ich kann es aber nicht glauben, dass das Wort „Maien“ so in der Bibel steht. Also schaue ich mal in einem Bibelkommentar nach um den hebräischen Urtext zu ergründen. Ich lese: „Bindet den Festreigen mit Seilen bis an die Hörner des Altars“. Wahrscheinlich gab es im alten Israel einen heiligen Tanz und der Altar wurde umkreist. Bei diesem feierlichen Umgang wurden die Enden von Seilen um die Hörner des Altares geschlungen.

Solch ein „Festreigen“ soll an Pfingsten veranstaltet werden. Wer hätte das gedacht? Ein Tanz im Gottesdienst! Ein Festreigen um den Altar! Das trifft doch genau auf die Vorstellung, dass der Hl. Geist einen Menschen in Bewegung bringt. Schließlich wird der Geist Gottes im griechischen Urtext „Dynamis“ genannt. Von dieser Bezeichnung kommt unser Fremdwort „Dynamik“. Und das soll und kann der Geist Gottes in mir bewirken.

Schmückt das Fest mit Maien, lasset Blumen streuen, zündet Opfer an. Denn der Geist der Gnaden hat sich eingeladen, machet ihm die Bahn! Nehmt ihn ein, so wird sein Schein euch mit Licht und Heil erfüllen und den Kummer stillen.

Tröster der Betrübten, Siegel der Geleibten, Geist voll Rat und Tat. Starker Gottesfinger, Friedensüberbringen, Licht auf unserm Pfad. Gib uns Kraft und Lebenssaft, lass uns deine teuren Gaben zur Genüge laben.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 75 vom 29.05.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Monika Dorn

Der Herr segnet Sie?

Kennen Sie das? Noch bevor Sie morgens ganz wach sind, ist sie schon da, die Furcht vor dem, was der Tag für Sie bringen wird. Vielleicht, weil eine schwierige Aufgabe vor Ihnen liegt oder weil Sie sich in der Arbeit gemobbt oder unverstanden fühlen. Und gleichzeitig ärgern Sie sich über sich selber, weil sie dem eben nicht „cool“ und selbstbewußt gegenüber treten können.

Ihre Tage sind gefüllt mit vielen Aufgaben und Dingen, die Sie tun müssen oder wollen oder die von außen auf Sie einströmen. Planen Sie in Ihre Tage Pausen ein, in denen Sie Ihre Arbeit stoppen und bewußt Gott präsent sein lassen? Oder vergessen Sie IHN oft in der Hektik unserer schnellen und vollen Zeit?

Haben Sie etwas Schweres erlebt in letzter Zeit? Haben Sie einen lieben Menschen verloren, den Sie vermissen? Oder machen Sie sich große Sorgen um Ihre Gesundheit oder um Ihren Arbeitsplatz? Wie schwer wird da das Herz. Hat Gott da überhaupt noch Platz?

Können Sie am Ende des Tages alles „gut“ sein lassen und Gott hinlegen und es auch bei Gott lassen, in dem Bewußtsein, dass Jesus ja schon alles getragen hat?

So wie Jesus zu seinen Jüngern im Johannesevangelium 14,1 sagt: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Glaubt an Gott und glaubt an mich.“

In der griechischen Originalsprache bedeutet das Wort „Segen“, „jemandem Gutes zusprechen“. Ist Ihnen bewußt, dass Sie von Gott gesegnet sind? Wissen Sie, dass ER Ihnen Gutes zuspricht, was auch immer grad in Ihrem Leben los ist?

Ruth Rau hat das in ihrem Segensgebet so ausgedrückt:

Gott segne Dich!

Gott segne Dich,

wenn Du des Morgens aufstehst,

noch bevor es Dir gelingt,

Dich über den Tag zu ärgern

oder dich vor ihm zu fürchten.

Gott segne Dich

mitten im Trubel des Alltags,

wenn Du gar nicht dazu kommst,

an IHN zu denken.

Gott segne Dich,

wenn Dir etwas Schweres widerfährt,

noch bevor es sich in Deinem Herzen

festsetzen kann.

Gott segne Dich am Abend

indem er die Schatten des Tages

von Dir nimmt, noch bevor sie sich

in Deine Träume schleichen.

Gott segne Dich in allem,

was Du tust und lässt!

Ruth Rau

Ob Sie das glauben und annehmen, ist an jedem einzelnen Tag Ihre eigene, persönliche Entscheidung.

So kann aus Allem, was das Leben für Sie bereithält, die Gewissheit erwachsen, dass Sie von Gott gesegnet sind und Gutes zugeprochen bekommen.

Der Herr segnet Sie!!

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, update 74 vom 28.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ich blicke in meinen Kalender. Für den 28.05.2020 steht: 14.30 Uhr Seniorenkreis. Hier in Altensittenbach wird diese wichtige Gruppe ganz selbständig geführt und geleitet. Ich komme nur wenige male im Jahr dazu. Vor allem im Dezember zur Adventsfeier und in der Passionszeit zum Abendmahl bin ich mindestens dabei.

Was mir in der Passionszeit auffällt? Spätestens beim Abendmahl in dieser Gruppe scheint die Sonne. Irgendwie haben die Mitglieder des Seniorenkreises die erste Frühlingssonne gepachtet. Das nütze ich dann sofort aus. Ich stelle nach der Feier des Hl. Abendmahles und nach dem Kaffeetrinken mein E-Piano auf und wir singen gemeinsam vor allem deutsche Volkslieder. „Was? Sie kennen diese Volkslieder gut!“ So war am Anfang die Reaktion. Tatsächlich gehöre ich zu der Generation, die in den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts diese Lieder im Musikunterricht gesungen hat. „Der junge Musikant“ war unser Liederbuch und auch in der christlichen Jugendgruppe standen in der „Mundorgel“ viele Volkslieder.

Ich erinnere mich an ein Erlebnis in der sechsten Klasse der Volksschule. Im Januar und im Juni musste jede/r Schüler/-in alleine für die Zeugnisnote vorsingen. Die Lehrerin war eine sehr kluge Pädagogin. Sie sagte vorher: „Nicht jeder kann singen. Deshalb bekommt jeder mindestens eine 4, auch wenn er gar nicht singen kann“. Ich weiß noch, dass ich mir jedes Mal das Lied. „Nun ade du mein liebe Heimatland“ ausgesucht habe. Es lag an der Melodie, nicht am Text. Dieses Lied klingt frisch und fröhlich und hat auch ein gutes Tempo. Ich habe die Note 1- erhalten. Ich habe mich ehrlich gesagt gewundert, warum ich nicht eine glatte 1 erhalten habe. Aber vermutlich war und ist meine Stimme beim Singen nicht so ganz gut. Grundsätzlich war ich aber mit der Note natürlich zufrieden.

Ich habe meine Note dann auch mit den theoretischen Prüfungen abgesichert. Akkordeon, Klavier und Orgel habe ich gelernt. So interessierte ich mich sehr für theoretische Zusammenhänge bei der Musik, was den Musiklehrern immer freute. Nicht alle Schüler/-innen interessieren sich in der Schule für dieses Fach. Ich habe auch sehr gerne die Choräle im Gottesdienst mitgesungen und dadurch viele Verse auswendig gelernt. Das kommt mir jetzt in den Gottesdiensten während der Coronazeit zugute, wenn ich mit dem E-Piano selbst spielen und singen muss. Es hat mir auch den Blick geöffnet für die Beziehung mit Gott. In der Bibel wird viel vom „Singen und Loben“ zu Gott berichtet, nicht zuletzt durch die Leviten im Tempel von Jerusalem. Und den Senioren freut es wohl auch, dass ihr Pfarrer die „alten“ Volkslieder kennt und mitsingt. „Jauchzt Gott mit fröhlichem Schall…Lobsinget, lobsinget Gott, lobsinget, lobsinget unserm König“ (Ps 47, 1b.7).

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 73 vom 27.05.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wer kennt sie nicht, die Lieder von Paul Gerhard. Ich nenne nur ein paar Beispiele: „Die güldne Sonne“, „Du meine Seele singe“, Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit“, „Ich singe dir mit Herz und Mund“, „Nun danket all und bringet Ehr“. Mit diesen Liedern nenne ich jetzt vor allem die, welche in diesen Frühlings- und Sommermonaten Hochkonjunktur haben. Wenn ich im Gesangbuch blättere und fröhliche Lieder such, die meine innere Stimmung zum Ausdruck bringen sollen, dann lande ich immer wieder bei den oben genannten. Ich bin ein Sommertyp und liebe deshalb vor allem die Monate Mai bis August. Herbst und Winter sind nicht meine Jahreszeiten. Schifahren macht mir keinen Spaß und für mich sind die Tage im Winter zu schnell dunkel.

Interessant für mich ist aber die Zeit, in der Paul Gerhardt seine Lieder vor allem schrieb. Er ist am 22.03.1607 am Vorabend des dreißigjährigen Krieges geboren. Vor drei Jahren hatte unsere Kirchengemeinde im Lutherjahr eine Gemeindefahrt nach Wittenberg und wir haben in Grafenhainichen, dem Geburtsort von Paul Gerhardt kurz gehalten. Sein Geburtshaus ist jetzt ein Gemeindehaus der dortigen evangelischen Kirchengemeinde. Seine Eltern sind in den Wirren des Krieges schon 1619 (Vater) und 1621 (Mutter) gestorben. Er war also relativ schnell Vollwaise. Dennoch begann er mit dem Studium der Theologie in Wittenberg und verdiente sich Geld als Hauslehrer.

Die Kriegszeit hat ihn geprägt. Erst nach dem Krieg erhielt er eine Pfarrstelle am 30.11.1651 in Mittenwalde. Es begann seine wohl schönste Zeit im Leben. Ein Lied nach dem anderen wurde geschrieben. Alle diese schönen und freudigen Choräle, die ich oben genannt habe, entstanden 1653 an diesem Ort. Auch seine Hochzeit fiel in diese Zeit. Dieses „Hochgefühl“ änderte sich später und er musste sehr schwere Zeiten durchleben. Von seinen fünf Kindern sind vier gestorben und es gab auch immer wieder endlose Diskussionen um den reformatorischen Glauben. Soll er in die lutherische Richtung gehen oder eher in die calvinistisch-reformierte? In der heutigen Zeit sind diese theologischen Streitigkeiten kaum zu verstehen. Damals kostete es vielen Pfarrern die Pfarrstelle, wenn sie nicht die Richtung des Landesfürsten vertreten haben.

So erging es auch Paul Gerhardt. Er war „eingefleischter“ Lutheraner. Schließlich wechselte er 1668 nach Lübben und lebte dort als Inhaber der Pfarrstelle bis zu seinem Tod am 27.05.1676. Deshalb steht heute sein Name im evangelischen Namenskalender. Heute vor genau 344 Jahren ist er dort gestorben und nahe dem Altar seiner letzten Wirkungsstätte beigesetzt worden. Die Kirche trägt seit 1930 seinen Namen und vielleicht komme ich auch mal dort hin. Ich erkenne aus seinem Leben, dass eigene Kreativität durchaus damit zu tun hat, wie es mir persönlich im Leben geht. Auch Christen müssen sich nicht verstellen. Sie brauchen ihre Gefühle und „seelische Befindlichkeiten“ nicht verstecken. Auch jetzt nicht in der Coronakrise.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 72 vom 26.05.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit von Pfr. Gerhard Metzger

Ein Nachbardorf von meinem Heimatort Habelsee heißt Ohrenbach. Wie das so zwischen Dörfern ist: Es herrschte ein (gesunder?) Konkurrenzkampf zwischen Ohrenbach und Habelsee. Und das, obwohl Ohrenbach mehr als 3-mal so groß war. Etwas abfällig haben wir deshalb zu unserem Nachbardorf „Löffelhausen“ gesagt. Aber wir wollten unbedingt mindestens auch so gut sein in verschiedenen Dingen. Ich erinnere mich an ein Fußballspiel. Ich war damals 16 Jahre alt und stand im Tor. Wie stolz war ich, dass wir 2 : 1 gewonnen haben und ich ein Teil der Siegermannschaft war.

Aber eines hatte dieses Dorf uns voraus. Es gab dort offenbar einen größeren Zusammenhalt. Das hat sich etwa in den verschiedenen Vereinen gezeigt. Unter anderem gab es dort die sog. „Schwarze Schar“. Sie wurde 1974 gegründet und erinnert an den sog. Bauernkrieg während der Reformationszeit. Durch den Ruf von Martin Luther nach politischer und religiöser Freiheit erwachte bei vielen Bauern die Idee, endlich aus Leibeigenschaft und Knechtschaft von den Adligen herauszukommen. Unter anderem bildete sich unter Führung von Florian Geyer der sog. „Schwarze Haufen“. Die Zwölf Artikel wurden 1525 in Memmingen verfasst und waren so etwas wie die erste Menschenrechtserklärung in Europa. Überall bildeten sich regionale Ortsgruppen wie eben die „Schwarze Schar“ von Ohrenbach.

Wie sollte sich Martin Luther zu dieser Bewegung verhalten? Er war vorsichtig und zurückhaltend. Er hatte Angst um die Sache der Reformation. Er wollte keinen Konflikt mit den Fürsten des Landes. Anders dagegen Thomas Müntzer, der ursprünglich auch ein Anhänger von Luther war, sich aber eindeutig auf die Seite der Bauern stellte. Luther schrieb die Schrift „Wider die mordischen und reuberischen Rotten der Bauern“ und erkannte die bevorstehende Niederlage der Bauern. Müntzer dagegen kämpfte aktiv an vorderster Front. Am 27.05.1525 und damit genau heute vor 495 Jahren wurde er in Mühlhausen hingerichtet.

Luther hat die Grausamkeit der Rache der Adligen verurteilt. Aber in Erinnerung bleiben seine Ablehnung der Bauernforderungen und sein „taktierendes“ Verhalten. Hätte er anders gehandelt, wäre die Sache der Reformation vielleicht zu Ende gewesen. So aber hat Luther 1525 viele Anhänger unter dem einfachen Volk verloren und er wurde von den Adligen mehr und mehr abhängig zumal sein Förderer Friedrich der Weise kurz vorher verstorben ist (05.05.1525). „Der Luther hat auch nicht zu uns Bauern gehalten“. Solche Worte höre ich auch heute noch als Beauftragter für Landwirtschaft in den Gesprächen mit Menschen. Was ist jetzt richtig? Welche Handlungen und Taten sind konkret umzusetzen? Wie viel politisches Taktieren ist nötig und möglich? Auf dieser Welt ist das die Kernfrage bei allen politischen und geistlichen Entscheidungen.

Ich erlebe das jetzt auch wieder. Wie sollen Politiker jetzt mit China umgehen, die offenbar das Coronavirus zuerst verschleiert haben um nicht vor anderen bloßgestellt zu werden. Wie viel Wahrheit ist nötig? Wie können Politiker so ins Gespräch kommen, dass auch wirklich etwas erreicht wird? Fragen über Fragen!! Ein Freund hat neulich zu mir gesagt: „Bin ich froh, dass ich in dieser Zeit keine Entscheidungen treffen muss“. Wie hat Jesus im Matthäusevangelium gesagt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“ (Matthäus 7, 12a).