Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, update 330 vom 08.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die letzte Nacht mit Simon

Heute ist der 08.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 08.02.2014 lautet die Losung der Herrnhuter Losungen: Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, zu Gott, der meine Sache zum guten Ende führt“ (Psalm 57, 3).

Es ist ein Samstag. Es ist Nachmittag. Simon geht es nicht gut. Die Ärztin von der ambulanten Palliativstation kommt und schaut nach ihm. Sie meint, dass es vielleicht noch viele Tage dauern würde bis Simon sterben wird. Wir sollten uns überlegen, wie wir die nächsten Tage organisieren wollen. Dann geht sie wieder. Meine Frau und eine Tochter von uns gehen noch einkaufen.

Ich bin bei ihm und es ist gegen 19.30 Uhr. Plötzlich hört Simon auf zu Schnaufen. Ich drehe ihn auf die Seite und klopfe ihn auf den Rücken. Langsam kommt er wieder zu sich. Kurze Zeit später kommen die Beiden vom Einkaufen zurück und ich erzähle, was passiert ist. Wir reden darüber und sind sehr verunsichert. In unseren Köpfen nistet sich langsam der Gedanke ein, dass Simon die Nacht vielleicht nicht überleben wird. Noch einmal kommt die Ärztin der Palliativen Versorgung. Sie wundert sich, dass es ihm jetzt so schlecht geht. Er atmet fast nur noch wie durch ein Trinkröhrchen. Für die Nacht vereinbaren wir, dass ich bei ihm bleibe. Wie wird die Nacht werden? Aber jetzt heißt es erst einmal „Ruhe bewahren und abwarten“. Wie immer lege ich mir eine CD zurecht. Es ist „Klassik für Kinder“. Auch die Gitarre ist griffbereit und das Liederheft „Feiert Jesus 1“ liegt auf dem Tisch. So kann ich mich doch relativ gut auf die Nacht vorbereiten.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, update 329 vom 07.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Tor! Tor!

Heute ist der 07.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 07.02.2014 lautet die Losung der Herrnhuter Losungen: „Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber denken an den Namen des Herrn, unseres Gottes“ (Psalm 20, 8).

Es ist ein Freitag. Den ganzen Tag sorgen wir uns um die Gesundheit von Simon. Langsam aber sicher leben wir damit, diese Tage irgendwie zu leben und zu überleben. Am Abend denke ich daran, dass am Freitag die Fußballbundesliga mit einem Spiel beginnt. Meine Erinnerungen gehen zurück an die Zeit, in der Simon etwa zwei oder drei Jahre alt war. Er war ein begeisterter Fußballspieler. Wenn er einen Ball gesehen hat, dann wollte er immer mit ihm spielen. Viele Jahre später ging er in die Lebenshilfe. Einmal war die ganze Gruppe auf der Bowlingbahn. Irgendwann lag vor Simon solch eine große Bowlingkugel. Simon nimmt Anlauf und wollte mit einem Fuß diese Kugel wie einen Fußball spielen. Im letzten Moment wurde er daran gehindert.

Ich erinnere mich daran, dass er schon als ganz kleines Kind voller Eifer Tischfußball gespielt hat. Er hat sich riesig gefreut, wenn der Ball ins Tor gegangen ist. „Tor, Tor“. Er konnte nur ganz wenige Worte sagen. Aber dieses Wort gehörte dazu. Im Stillen hatte ich mir schon ausgerechnet, wie es sein würde mit ihm Fußball zu spielen. Es gehen eben auch kleine Wünsche nicht in Erfüllung, wenn solche große Probleme vor einem liegen. 1995 gewann Boris Becker die Australian Open. Simon konnte nicht reden. Aber wenn ich zu ihm sagte: „Simon, wer ist Boris Becker?“ Dann stand er auf und bewegte seine Hand wie ein Tennisspieler. Auch jetzt beim Schreiben kommen mir Tränen über diese Erinnerungen.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 328 vom 06.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

So sieht man sich wieder

Heute ist der 06.02.2021. Heute vor genau sieben Jahre, am 06.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen: „Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift: „Liebe deinen Nächstgen wie dich selbst“, so tut ihr recht“ (Jakobus 2, 8).

Es ist ein Donnerstag. Es ist Nachmittag gegen 16.00 Uhr. Ich sitze auf einen Stuhl am Bett von Simon. Meine Frau ist gerade einkaufen. Meine Gedanken gehen zurück an einen Einkauf mit Simon bei der NORMA in Altensittenbach. Ich habe ihn oft mitgenommen. Er war in Bewegung und freute sich an den Menschen und an der Landschaft. Es war in einer Zeit, in der er noch sehr gut an der Hand laufen konnte. Ich gehe mit ihm in das Innere des Gebäudes. Mit der rechten Hand fahre ich den Einkaufswagen. Mit der linken Hand halte ich meinen Sohn.

Plötzlich von einer Sekunde auf die andere stöhnt Simon auf und fällt zu Boden. Ich wusste sofort: Das ist ein epileptischer Anfall. Ich konnte ihn immerhin noch ein wenig am Boden auffangen. Leblos lag er da. Ich hatte ähnliche Situationen schon mehrmals erlebt. Etwas ein bis zweimal im Monat hatte er diesen Krampf. Aber so ohne Vorankündigung habe ich es noch nicht erlebt gehabt. Hätte ich Vorzeichen gesehen, hätte ich ihn nicht mitgenommen. Nur 2 m entfernt von mir steht ein Mann und geht sofort auf mich zu. Er beugt sich nach unten und ich sehe sofort, dass er sich auskennt. Noch überraschender für mich waren seine Worte: „Das ist doch der Simon“. Nach der Rückfrage von mir, erklärt er, dass er in Schönberg in der Lebenshilfe arbeitet. Wir bringen Simon gemeinsam nach Hause. Ich bedanke mich noch einmal und er verabschiedet sich.

Viele Jahre habe ich ihn nicht mehr gesehen. Dann im Oktober 2020 erlebe ich eine Überraschung. Vor einer Beerdigung kommt ein Mann auf mich zu mit den Worten: „Erkennen Sie mich?“ Ich musste verneinen zumal wir beide einen Nasen-Mund-Schutz trugen. „Ich habe Ihnen geholfen als sie mit ihrem Sohn Simon in der NORMA waren“. Mit diesen Worten war alles bei mir wieder präsent. „Wie geht es Simon?“ war seine nächste Frage. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Simon schon über sechs Jahre tot ist. Natürlich fanden wir einen kleinen Plausch über diese gemeinsame Erinnerung vor vielen Jahren. Manches bleibt in den Gedanken und geht nicht verloren.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 327 vom 05.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Dedu, du alla

Heute ist der 05.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 05.02.2014 lautet der Wochenspruch: „Kommt und seht an die Werke Gottes, der so wunderbar ist in seinem Tun an den Menschenkindern“ (Psalm 66, 5).

Es ist ein Mittwoch. Ich halte während der ganzen Nacht die Hände von Simon. Tatsächlich bin ich immer wieder einmal auf dem Stuhl sitzend eingenickt. Dazwischen war ich hellwach und habe Lieder gesungen. Welches Lied wird Simon vielleicht sehr gut wahrnehmen?

Meine Erinnerungen gehen zurück an eine bestimmte Situation. Meine Frau und ich waren zu einer Feier in der Lebenshilfe Schönberg, in der er schulisch betreut wurde. Die Lehrerin erzählt uns, dass Simon beim Aufstellen des Overhead-Projektors immer dieselben Laute von sich gibt. Sie lauten so ähnlich wie „Dedu, du alla“. Wir schmunzeln und klären auf. Diese Laute sind seine Worte für „Jesus, du allein“. Simon konnte viele Jahre lang bei bestimmten Gottesdiensten gut mitgenommen werden. Vor allem dort, wo die Predigt keinen allzu großen Raum einnahm. So war er z.B. bei Lobpreisgottesdiensten dabei und bei Familiengottesdiensten, bei denen aber auch Lobpreislieder gesungen wurden. Irgendwann haben wir gemerkt, dass er bei diesem einfachen Lied „Jesus, du allein“ versucht hat mitzusingen mit seinen eigenen Worten: „Dedu du alla“. Irgendwie hatte er sich das so eingeprägt, dass dieses Lied oft auf einer Folie mit dem Overhead gesungen wurde. Und so hat er bei jedem Aufstellen einer Leinwand und des Overheads dieses Lied in seiner Sprache geträllert: „Dedu, du alla“.

Ich habe in dieser Nacht an diesem Mittwoch im Februar und auch in den kommenden Tagen dieses Lied so oft wie möglich ihm vorgesungen. Ich hatte die Hoffnung, dass er dadurch in seinem Unbewussten sich erinnert an bestimmte Situationen in seinem Leben. Heute fällt es mir nicht immer leicht, wenn dieses Lied gesungen wird oder wenn ich es höre. Dann kommen mir die Szenen dieser Woche hoch. „Jesus, du allein bist genug, du bist. Alles für mich. Jesus, öffne mein Herz, lass mich sehn und verstehn, dass du mich liebst. Komm und fülle mein Herz. Gib mir neu deinen Geist. Du bist unser Gott, der Heilung bringt, Licht des Lebens, das das Dunkle durchdringt“. Kaum ein anderes Lied bringt bis zum heutigen Tag zum Ausdruck, was ich damals gefühlt und was ich Simon in seinem Todeskampf gewünscht habe.

Mein Schwägerin Silvia Dörr spielt hier das Lied. „Jesus, du allein“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 326 vom 04.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Sterbebegleitung beginnt

Heute ist der 04.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 04.02.2014 lautet der Lehrtext: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Galaterbrief 4, 4).

Es ist ein Dienstag. Meine Frau ist in Bamberg und ich gehe meiner Arbeit als Pfarrer in Altensittenbach nach. Im Terminkalender stehen zwei Stunden Schulunterricht, Gespräche mit der Sekretärin und zwei Beerdigungsgespräche. Ich habe diese auf die Mittagsstunden gelegt. Die Beerdigungen sollten am Wochenende sein. Bei den Gesprächen habe ich den Angehörigen mitgeteilt, dass wegen Simon auch noch etwas dazwischenkommen könnte. Aber ich wollte diese Information nur als „Vorsichtsmaßnahme“ weitergeben. Am Abend hatte ich noch einen Elternabend für die Konfirmanden von Oberkrumbach geplant.

Ich komme gegen 14.00 Uhr nach Hause und werde von einer Tochter mit den Worten empfangen: „Papa. Es gab einen Anruf aus der Klinik. Die Ärzte können Simon nicht mehr helfen. Er wird das diesmal nicht mehr überleben“. Ich erstarre kurz. Gleichzeitig muss ich meine Gedanken gut sortieren. Was sollte ich jetzt tun? Welche Handlungen sind jetzt dran? Ich rufe den zuständigen Dekan an und erkläre ihm die Situation. Er meinte, ich solle mir die nächsten Tage frei machen und an der Seite von Simon und meiner Frau sein. Er übernehme die Beerdigungen. Ich solle ihm Stichworte sagen und Telefonnummern geben. Neben dem Dienstag abend mit dem Konfirmandeneltern in Oberkrumbach, war das Vorbereitungsgespräch mit den Konfirmandeneltern am Mittwoch in Altensittenbach geplant. Ich rufe jeweils eine Konfirmandenmutter an und bin bis heute dankbar, dass beide sich bereit erklärt haben, den Abend zu leiten. Ich denke noch an die beiden Gottesdienste am darauf folgenden Sonntag in den beiden Kirchengemeinden. Es sollte einen Predigttausch geben. Ich sollte in der Stadtkirche und in der Spitalkirche in Hersbruck predigen. Aber auch das habe ich noch hinbekommen.

Dann hieß es Koffer packen, Gitarre und das Liederheft „Feiert Jesus, I“ mitnehmen. So ausgerüstet kam ich tatsächlich gegen 21.30 Uhr in der Klinik in Bamberg an und habe auf Simon geschaut. Da lag er. Der Mund und die Augen waren zu. Er hat mit einer Maske gut geatmet und die Sauerstoffsättigung war sehr gut. Ich konnte wenig später meine Frau ablösen und am Bett von ihm wachen. Wie würde diese Nacht sein? Ich nahm die Gitarre und habe ihm Lieder vorgespielt und gesungen. In seinem Geist sollte wenigstens das Lob Gottes erklingen.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 325 vom 03.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die schreckliche Diagnose

Heute ist der 03.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 03.02.2014 lautet die Losung der Herrnhuter Losungen: „Gott, der Herr spricht: ich will noch mehr zu der Zahl derer, die versammelt sind, sammeln“ (Jesaja 65, 8).

Es ist ein Montag. Ich fahre mit dem Auto in Richtung Bamberg zur Klinik. Meine Frau ist über das Wochenende bei Simon geblieben. Während der Fahrt denke ich daran, wie wir damals 1996 von seiner Krankheit erfahren haben. Wir waren im Mai in der Uniklinik in Tübingen. Etwa eine Stunde haben wir mit zwei Ärztinnen geredet. Sie haben uns gesagt, dass Simon für knapp eine Woche zur Untersuchung kommen muss um eine genaue Diagnose stellen zu können. Im Juni fahren wir wieder hin. Meine Frau bleibt bei ihm und ich fahre wieder nach Alerheim zurück, etwa 190 km. Nach einer knappen Woche hole ich beide ab. Wir sollten auf das Ergebnis warten, das uns in etwa vier Wochen mitgeteilt werden sollte. Nach dieser Zeit kommt der Anruf und mir wurde mitgeteilt, dass das Untersuchungsergebnis nur persönlich mitgeteilt werden wird. Es sollte an einem Donnerstag sein. Ich melde mich von der Schule ab und wir fahren nach Tübingen. Dort kommt die niederschmetternde Diagnose: Simon wird keine lange Lebenserwartung haben. Seine Fähigkeiten werden abnehmen usw. usw. Wir sind wie erstarrt und können es nicht glauben. Zufällig kannten die Ärzte ein anderes Kind aus Tübingen mit der Krankheit MPS. Wir erhalten die Adresse und fahren dort hin. Die Mutter wurde einige Tage vorher informiert und war damit einverstanden. Es gibt ein langes Gespräch, das uns auf der einen Seite Hoffnung macht, auf der anderen Seite auch niederdrückt. Danach fahren wir die 190 km zurück und sind nicht fähig, auch nur ein Wort miteinander im Auto zu reden. Für mich kam es darauf an, jetzt gut nach Hause zu kommen und irgendwie diesen Tag zu überstehen.

Ich hatte noch ein Traugespräch vor mir. Ich überlege kurz, entschließe mich dann aber, diesen Termin nicht abzusagen. Das Gespräch fällt sehr viel kürzer als sonst aus. Das Ehepaar hat mir hinterher erzählt, dass sie schon gespürt haben, dass „ich anders war als sonst“. Dann bin ich nach Hause gegangen und wir haben die ganze Nacht über geweint und gebetet, Anrufe getätigt. Irgendwie haben wir auch diesen Tag und diese Nacht überstanden.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 324 vom 02.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Simon – der Kämpfer

Heute ist der 02.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 02.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen: „Darum werde wir nicht müde, sondern wenn auch unser äußere Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“ (2. Korinther 4, 16).

Dieser Tag ist für mich unter normalen Umständen ein besonderer Tag. Schon als Kind hat mich mein Vater jedes Jahr darauf aufmerksam gemacht: „Heute haben wir Lichtmess. An diesem Tag sind die Knechte und Mägde zum nächsten Bauern gewandert oder sie sind da geblieben“. Diese Zeit, dass auf einem Bauernhof viele Menschen mitgearbeitet haben, ist längst vorbei. Auch wir hatten niemanden mehr. In jüngster Zeit arbeiten Menschen aus dem ehemaligen Ostblock wieder in den Höfen mit. Sie kommen vor allem aus Rumänien, der Slowakei und auch aus der Ukraine. Durch die Coronakrise mit den ganzen Einreise- und Ausreisebestimmungen fällt das wieder schwerer. Aber bis heute erinnern sich die Landwirte an diesen besonderen Tag, dem viele Sprichwörter und Bauernregeln nachgesagt werden. Der Bekannteste davon lautet: „An Silvester einen Schritt, an Hl. Drei Könige einen Sprung, an Lichtmess eine ganze Stund“. Beschrieben wird darin, dass es an diesem Tag genau eine Stunde heller bleibt im Vergleich zum hl. Abend. Das ist auch das, worauf ich mich jedes Jahr sehr freue.

Im vergangen Jahr hatten wir ein Zahlenpalindrom mit 02.02.2020. Das war zum letzten Mal am 11.11.1111. Vor einem Jahr war dieser Tag wie 2014 ein Sonntag. Wir hatten in der Thomaskirche ein besonderes Fest. Zwei Lektorinnen wurden eingeführt und wir haben richtig gefeiert. Wir ahnten nicht, dass das bald zu Ende sein würde.

Vor sieben Jahren feierten wir eine Taufe im sonntäglichen Hauptgottesdienst und einen Teeniegottesdienst um 11.00 Uhr. Danach bin ich nach Bamberg gefahren um Simon und meine Frau in der dortigen Klinik zu besuchen. Irgendwie war es für mich wie Routine. Natürlich war der Zustand von Simon besorgniserregend. Aber ich hatte das schon öfters erlebt. Dass er eine Lungenentzündung hatte, war nicht selten. In mir war Unsicherheit, aber auch Hoffnung, dass er es wieder schaffen würde. Und wie oft hatten Krankenschwestern und Pfleger schon gesagt: „Simon ist ein Kämpfertyp“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 323 vom 01.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein folgenreicher Anruf

Heute ist der 01.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 01.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen: „Johannes schreibt: Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern u8nd sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserem Gott, und dem Lamm!“ (Offenbarung 7, 9 – 10).

Es ist ein Samstag. Kurz nach Mitternacht gegen 1.00 Uhr klingelt bei uns das Telefon. Am anderen Ende ist eine Mitarbeiterin aus Bamberg. Sie erzählt uns, dass es Simon sehr schlecht gehe. Er hat Fieber und muss in die Klinik nach Bamberg gebracht werden. Sie melden sich demnächst wieder und sagen uns, wie es ihm konkret gehen würde. Meine Frau und ich sind aufgewühlt. Noch vor ein paar Stunden hatte ich zu einer ehemaligen Konfirmandin (siehe mein gestriges Update) gesagt, dass es ihm gut gehen würde. Nach einer weiteren knappen Stunde kommt ein weiterer Anruf mit leider schlechten Nachrichten. Simon muss in der Klinik bleiben und es geht ihm nicht gut.

Meine Frau und ich packen unsere „sieben Sachen“ und fahren nach Bamberg. Dort liegt Simon auf Intensiv. Er hat die Augen zu und eine Sauerstoffmaske auf. Wir bleiben bei ihm und beten. Es gibt Gespräche. Am Morgen entscheiden wir, dass meine Frau bei ihm bleiben wird und ich nach Hause fahre. Daheim erwarten mich die letzten Vorbereitungen für den sonntäglichen Gottesdienst. Danach wieder die Fahrt in die Klinik. Wieder Gespräche, Gebete, Hoffen und Bangen. Simon lässt die Augen zu. Wir können uns nur durch Berührung ihm unsere Gegenwart zeigen. Wie wird das alles weitergehen?

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Updatze 322 vom 31.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gewältige Veränderungen am Horizont

Heute ist der 31.01.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 31.01.2014 lautet der Wochenspruch: „Es werden kommen von Osten und von Westen, vom Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“ (Lukas 13, 29).

Es ist ein Freitag. In meinem Terminkalender steht für den Abend: 19.30 Uhr, Gründung des Kirchweihvereines in der Gastw. Scharrer. Hintergrund war, dass in Altensittenbach wie auch in vielen anderen Dörfern das Organisieren und Durchführen der Kirchweih auf eine Vereinsbasis gestellt werden sollte. Eine gute Idee. Damit gibt es Verantwortliche, die dieses Fest auch nach außen gut vertreten können. Am Abend waren viele Menschen jeglichen Alters da. Junge Menschen haben sich in die Vereinsführung wählen lassen, die ich selbst konfirmiert habe. Interessant finde ich bis heute die Wahl des Vereinsnamens. Ursprünglich sollte er einen Namen haben wie z.B. „Sittenbächer Kirwäbuam o.ä. irgendwann hatte ich in der Debatte den Eindruck, dass der Name neutraler sein sollte, damit er nicht maskulin geprägt sei. Ich habe mich dafür eingesetzt solch einen neutralen Namen zu finden. Tatsächlich! Nach längerer Diskussion einigten sich die Anwesenden auf den Namen „Sittenbächer Kirwä e.V.“. Heute feiert der Verein sein siebenjähriges Bestehen.

Am Ende erlebte ich eine Überraschung: Eine von mir konfirmierte Frau kam auf mich zu und fragte mich: „Wie geht es Ihnen und ihrem Simon“? Ich freute mich über dieses Interesse und denke bis heute gerne daran zurück. Nichts ahnend was ich in den nächsten Stunden und Tagen erleben sollte, antwortete ich: „Es geht ihm sehr gut in seiner Wohnung in Bamberg“. Wir hatten Simon im Oktober 2013 in eine intensivbetreute Wohnung in diese bekannte Stadt gebracht und ihn mindestens einmal in der Woche besucht. Wir waren froh und dankbar dafür. Nach einem sehr langen Aufenthalt von ungefähr fast drei Monaten in der Uniklinik in Erlangen konnten wir ihn nicht mehr zu Hause betreuen. Aber die Nacht sollte für uns als Ehepaar gewaltige Veränderungen bringen.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 321 vom 30.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wer ist zu bedauern?

Heute erzähle ich eine Weisheitsgeschichte, die vermutlich schon einige Leser/-innen kennen. Dass ich diese hier zum Lesen niederschreibe, hat einen persönlichen Grund. Aber zuerst einmal die Geschichte:

Ein Bauer hatte einen Sohn und ein Pferd auf einer Weide. Es war das schönste Pferd im ganzen Land und alle Leute lobten den Mann und seinen Sohn für ihr wunderschönes Pferd und bemerkten, dass sie wirklich sehr viel Glück hatte. Doch der Bauer war klug und weise. Stets war seine Antwort: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

Eines Tages büchste das Pferd aus und war fort. Die Leute kamen zum Bauer und sagten: „Oh du armer Mann, du hattest das schönste Pferd und nun ist es weg. Wie bist du arm dran!“ Doch der Bauer sprach weise und klug: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

So zog der Sohn aus, um nach dem Pferd Ausschau zu halten. Nach langer Suche fand er es endlich in einer großen Gruppe von edlen Wildpferden. Als er sein Pferd einfing, folgten alle Wildpferde bis nach Hause. Von da an hatten der Mann und sein Sohn viele teure und edle Wildpferde.

Die Leute aus der Umgebung kamen erneut und sprachen voller Bewunderung: „Oh du glücklicher Mann. Nun hast du einen Stall voll von edlen und teuren Pferden. Wieviel Glück du doch hast!“ Doch der Mann, weise und klug antwortete stets: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

Als der Sohn des Mannes eines Tages eines der Wildpferde einritt, stürzte er und brach sich das Bein. Wieder kamen die Leute und meinten: „Oh du armer Mann, dein Sohn ist so schwer gestürzt, was für ein großes Pech du doch hast!“ Der Bauer antwortete: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

Einige Tage später brach ein Krieg übers Land und es kam die Nachricht des Königs, dass alle jungen Männer in den Krieg ziehen mussten. Alle, außer der der Sohn des Bauern, der sich das Bein gebrochen hatte…

Heute ist der 30.1.2021. Heute vor genau 88 Jahren ist Adolf Hitler an die Macht gekommen. Das sog. „Weimarer Reich“ war unfähig, die Demokratie nach dem ersten Weltkrieg so zu gestalten, dass es den Menschen Halt und Sicherheit gegeben hat. Und so nahm das unheilvolle Schicksal seinen Lauf.

Wenige Jahre vorher lag mein Urgroßvater mit gut 50 Jahren auf dem Sterbebett. Er ist dem Tod sehenden Auges entgegen gegangen. Kurz vor seinem Tod hat er alle seine engsten Verwandten zum Bett kommen lassen. Er wurde bedauert und man hat sein baldiges Sterben kommentiert mit den Worten: „Dein frühes Sterben ist zu bedauern. Du hättest noch so viel machen können. Wir hätten Dich gerne noch hier behalten“. Aber mein Urgroßvater denkt eine kurze Zeit nach und sagt dann: „Ihr müsst nicht mich bedauern. Ich bedauere euch. Ihr werdet es erleben, dass der Hitler doch eines Tages an die Macht kommen wird. Und dann wird Krieg und eine schlimme Zeit kommen“. Er hatte – leider – Recht. Ich bin gespannt, wie Menschen diese Zeit der Coronakrise im Rückgriff kommentieren werden. Ich hoffe, dass viele daraus lernen werden.