Archiv des Autors: Pfr. Gerhard Metzger

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 134 vom 27.07.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Ruth Loos

In die Arme genommen

Dieses Bild hat mich sehr berührt: 

Auf diesen Moment hat der Vater lange gewartet: Sein verloren geglaubter Sohn ist zurückgekommen. Als junger, lebenslustiger Mann war er in die Welt hinausgezogen. Mit dem Erbe, das der Vater, ihm vorzeitig ausbezahlt hatte. Alles Gute hatte er ihm gewünscht. Ein gelungenes Leben in Wohlstand und Glück. Doch sein Herz hat geblutet, als der Sohn jahrelang verschwunden war.

Die Schritte zurück zu seinem Elternhaus sind dem Sohn schwergefallen. Das Erbe hat er verprasst, ganz unten ist er angekommen, gescheitert. Seine letzte Hoffnung die er im Herzen trägt, dass sein Vater ihn aufnehmen möge, als Tagelöhner vielleicht! Wie wird der Vater reagieren?

Hier im Bild sehen wir, der Vater schließt seinen Sohn tief in die Arme. Der rote Umhang dominiert die Szene, in dem der Sohn fast verschwindet.  Die Farbe Rot ist die Farbe der Liebe. Der Sohn ist blass und erschöpft, gezeichnet von seinem Scheitern, von seiner Schuld. Der Vater dagegen ist voller Kraft und Farbe. Seine liebevolle Hinwendung steht im Zentrum. Beide haben die Augen geschlossen und die Zeit spielt keine Rolle. Es ist ein Moment der großen Gefühle. Was die beiden getrennt hat, ist überwunden. Die Schuld ist vergeben, Vater und Sohn sind versöhnt.

Ein Bild das ich mir „wie im Himmel“ vorstelle. So werden wir sicher bei Gott erwartet. So stell ich mir Himmel vor. In den Arm genommen werden, alles was drückt und belastet, alle Angst fällt ab. Es könnte auch Mutter und Tochter sein. Das ist Hoffnung, Heimkehren.

In der Geschichte des verloren Sohn, wird der Vater ein Fest für seinen Sohn feiern. Ein Fest nach langer Trauer. Es sollen alle essen, lachen und fröhlich sein.

Das Bild stammt von derKinderbuch-Illustratorin Marijke ten Cate, der Text nach einen Bericht des Bibelreport  2/2020 von Eva Mündlein 

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 133 vom 26.07.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gastfrei zu sein

Das war diesmal wirklich eine schwere Geburt. Der Predigttext für den heutigen Sonntag. Ich weiß nicht, wie es Ihnen beim Bibellesen geht. Bei schweren Texten knie ich mich richtig rein. Ich überlege hin und her. Ich lese Predigthilfen, schaue auch mal beim Urtext nach. Das allein ist für mich schon eine Herausforderung, weil mir Fremdsprachen nicht liegen. Aber nach dem langen „Wiederkäuen“ von Texten fallen mir dann doch gute Gedanken ein. Bei bekannten Texten stehe ich in der Gefahr, drüber zu lesen und nicht genau hinzuschauen. In mir sind dann die Gedanken: Kenne ich ja. Weiß ich doch. Alles klar. Darüber habe ich Predigten gehört und selbst darüber gepredigt. Das ist gefährlich. Denn dann steht die Predigt in Gefahr, langweilig zu werden.

So auch für diesen Sonntag. „Vergesst nicht gastfrei zu sein, denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt“ (Hebräerbrief 13, 2). Wer will das nicht? Gastfrei zu sein. Na, klar bin ich und auch viele andere. Gerne sollen Leute zu mir kommen und gerne gehe ich zu anderen. Ein gemeinsames Essen, gutes Trinken, viele Gespräche, einander besuchen und das eigene Leben und das des anderen gemeinsam teilen. Mach ich doch? Wirklich?

Beim Blick auf den Urtext werde ich hinterfragt. Wörtlich heißt es: „Vergesst nicht den Fremden als Gast einzuladen“. Au Backe. Das sitzt! Wie oft klingeln Leute an meine  Tür? Da bin ich nicht erfreut und die Situation ist schwierig. Meistens sind es Leute aus Rumänien. Sie zeigen irgendein Papier mit Bildern. Sie wollen Geld. Bekommen sie aber nicht von mir. Ich bin mal heimlich hinter ihnen hergegangen. An der Sparkasse war ein Sammelpunkt. Dort standen sie und warteten. Dann kam ein Bus, hat sie eingeladen und mitgenommen, vermutlich in das nächste Dorf. Mit manchen gehe ich auch zu einer nahegelegen Bäckerei. Dort erhalten sie für nicht wenig Geld etwas zu Essen und können sich auch noch etliches mitnehmen. Beim Verabschieden gibt es keinen Dank, sondern eine lautstarke Forderung nach Geld!! Meine innere Anspannung steigt und ich bin wütend!! Viele solche Erfahrungen habe ich gemacht und meine Freundlichkeit gegenüber Menschen, die deswegen an der Haustür klingeln, ist nicht unbedingt sehr hoch.

Der Schreiber des Hebräerbriefes gibt diesen Impuls im letzten Kapitel, sozusagen als Teil der Worte nach dem Motto: Was ich euch unbedingt noch einmal ans Herz legen will. Er hat seine Situation im Kopf. Und damals vor fast 2000 Jahren sind viele Menschen gewandert. Es gab noch keine Supermärkte um die Ecke und sie waren darauf angewiesen, dass Ihnen immer wieder Menschen mit Brot und Wasser weitergeholfen haben. Und heute? So richtig habe ich keine Lösung für mich! Ich versuche alles, den Bekannten von mir ein „gastfreies Haus der Herberge“ zu geben. Und den Fremden? Ich will auch nicht „reingelegt“ werden. Aber ein Wort von Romana Guardini ist mir dennoch wichtig, weil es tiefer geht als nur ein bisschen soziale Hilfe zu leisten: „Das ist aller Gastfreundschaft tiefster Sinn, dass einer dem anderen Rast gebe auf dem Weg nach dem ewigen Zuhause“.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, update 132 vom 25.07.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wer ist Jesus?

„Wer bist Du, Jesus?“ Diese Frage bewegt nicht nur Menschen in der heutigen Zeit. Schon die Jünger haben diese Frage ihrem Rabbi gestellt. Jesus hat die Unsicherheit seiner Jünger bei diesem Thema gespürt und manchmal selbst nachgehakt. Ich beziehe mich auf Matthäus 16, 13 – 20. „Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten“. Interessant ist bei den Antworten, dass die Jünger ihren Meister mit anderen Personen vergleichen. Sie hatten bis dahin noch nicht erkannt, dass Jesus etwas Einzigartiges und Unvergleichliches ist. Im weiteren Verlauf folgt das sog. Bekenntnis des Petrus: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Danach erhält dieser Fischer Simon von Jesus seinen Beinamen, „Petrus“, der Fels. So ist schon in der Bibel klar ausgedrückt, dass Jesus der Messias, der Christus, der Gesalbte ist.

Aber es hat noch insgesamt 300 Jahre gedauert bis diese Erkenntnis auch klar und deutlich in der damaligen „Weltkirche“ formuliert worden ist. Kaiser Konstantin der Große hat ein Konzil nach Nicäa einberufen um diese Frage zu klären. Er wollte im römischen Reich gewisse Einheitsstrukturen festlegen. Der Ostertermin sollte endgültig geklärt werden und eben auch die Frage, wer Jesus ist. Etwa 2000 Personen nahmen daran teil. Die Hauptfrage war: „Ist die Person Jesus Gott oder ist er das Vornehmste aller Geschöpfe? Diese Frage sorgt noch heute vor allem in der Diskussion mit dem Islam für lebhafte Gespräche. Nach vielem Hin und Her, nach teils tumultartigen Streitigkeiten kam es zum sog. Nicänischen Glaubensbekenntnis, das letztlich verabschiedet wurde. Der Text selbst ist nahe verwandt mit dem sog. Nicänum, das in den Gesangbüchern abgedruckt ist, aber in dieser Form erst 381 n. Chr. formuliert wurde. Inhaltlich steht da, dass „Jesus der Sohn Gottes ist, aus dem Vater gezeugt worden ist, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahren Gott, gezeugt nicht geschaffen…“.

Bis heute gilt dieses Bekenntnis als das erste festgelegte Urbekenntnis der Christenheit. Manchmal kann ich es kaum glauben, dass Christen über solche Formulierungen so streiten können. Aber vielleicht war und ist das immer nötig. Heute vor genau 1.695 Jahren, am 25.07.325 ist dieses Konzil zu Ende gegangen. Praktisch jeder Theologiestudent muss sich damit befassen. Als Pfarrer denke ich mir manchmal: Das geht doch auch einfacher. Und dann zitiere ich gerne folgendes Zitat von Lothar Zenetti: „Was Jesus für mich ist? Einer, der für mich ist! Was ich von Jesus halte? Dass er mich hält“!

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 131 vom 24.07.200

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Holzzettel

Heute erhalten die Schülerinnen und Schüler ihre diesjährigen Jahreszeugnisse. Mancher hat dabei ein klopfendes Herz. Wird er oder sie mit den Noten zufrieden sein? Wie werden die Eltern und die Verwandten reagieren? Es gibt den Brauch, dass es für bestimmte Noten Geld gibt. Bei mir als Kind war das noch nicht der Fall. Die Zeugnisse wurden relativ gelassen hingenommen. Es wurde kein „Trara“ darum gemacht. In der Regel waren meine Noten durchschnittlich. Ich war kein sehr guter Schüler, auch wenn ich relativ gute Noten hatte und die Übergänge in die Realschule und später in das Gymnasium geschafft habe. Ich erinnere mich an den Rektor der Realschule in Rothenburg. Er hat einmal gemeint: „Ihr müsst nicht nur Einser haben. Schafft immer die Noten, die Ihr zum Weiterkommen benötigt“.

Diesen Ernst und gleichzeitig diese Gelassenheit habe ich mir dann zugelegt. Aber eine Geschichte aus der zweiten Grundschulklasse hat mich dann doch besonders geprägt. Mein hochgeschätzter Grundschullehrer Dieter Weth verteilt die Zeugnisse. Danach meint er: „Ist jemand mit einer Note nicht einverstanden?“. Damals waren in Habelsee die 1. – 4. Klasse zusammen gemeinsam mit den Schüler/-innen aus dem Nachbardorf Steinach. Tatsächlich habe ich mich gemeldet und gesagt: „Ich bin mit dem Zweier in Religion nicht einverstanden. Ich hätte gedacht, dass der Pfarrer mir eine Eins geben würde“. Im Nachhinein bin ich über meinen Mut verwundert. Ich war und bin bis heute eher in solchen Sachen zurückhaltend und kein „Rebell“. Dieter Weth meinte darauf: „Auf diese Rückmeldung von Dir hat der Pfarrer gewartet und zu mir im Vorfeld gesagt: Der Gerhard Metzger ist mit dem Zweier vermutlich nicht einverstanden. Dann sagen sie ihm, dass ich grundsätzlich in den ersten beiden Klassen keine Eins im Religionsunterricht gebe, obwohl er sich das verdient hätte“.

Hier erkenne ich die Klugheit meines Lehrers. Er hat vor der Klasse – und nur dieses eine Mal – diese Frage gestellt. Und gleichzeitig hat die Klasse damit die Vorgehensweise des Pfarrers im Fach Religion erfahren. Beim Austausch der Noten untereinander wussten dann die anderen, warum ich gerade im Religionsunterricht keine Eins bekommen habe. Und so war alles „transparent“ geworden wie dieses Prinzip heute benannt worden wäre.

Ich habe daraus viel gelernt, wie z.B. „transparenten Unterricht“ zu halten bis in die Noten hinein. Ich habe auch gelernt, wie wichtig vielen Schülern/-innen die Note im Religionsunterricht ist. Ich will da fair sein und die Note Eins wird keinem/r Schüler/-in „nachgeworfen“. Aber ich selbst strahle natürlich innerlich und äußerlich, wenn ich dann höre: „Herr Metzger, ich gehe sehr gerne in das Fach Religion. Und da bekomme ich doch eine Eins, wenn ich mir meine eigenen Noten betrachte“. Und da liegen die Schüler/-innen fast immer richtig.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 130 vom 23.07.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein kleiner Schritt für die Menschheit

Update 130 in der Coronakrise

Da saßen wir also stundenlang vor dem Fernseher. Weil es ein Sonntag war, hatten wir dazu viel Zeit. Meine drei Geschwister und ich ließen fast keine Minute aus. Auf dem Bauernhof war es üblich, relativ früh am Sonntag das Mittagessen einzunehmen. Gottesdienst konnte nicht früh genug beginnen, damit „man den Sonntag noch vor sich hat“. Bei uns war das 9.00 Uhr. Und so ließen wir uns schon gegen 10.30 Uhr den üblichen Sonntagsbraten und die Klöße munden. An diesem Tag war das noch wichtiger. Wir wollten bald zum Fernseher gehen. Es stand etwas auf dem Programm, was die Welt noch nicht gesehen hatte. Am Abend sollten die ersten beiden Menschen Schritte auf den Mond machen. Am darauffolgenden Montag wurde extra schulfrei gegeben, damit die Schulkinder das sich anschauen konnten (war kein Problem, da es die letzte Schulwoche vor den Sommerferien war).

So saßen wir den ganzen Sonntag vor der „Glotze“. Wissenschaftliche Erklärungen, Interviews, Nachrichten, dazwischen ein Lied, ein paar Sportnachrichten – all das wechselte sich an diesem Tag ab. Im Nachhinein betrachtet, war der Ablauf relativ eintönig. Aber das Ereignis war umso faszinierender. Aber irgendwie hatte ich mit meinen 11 Jahren damals das Gefühl, es könnte noch ein langer Abend werden. Und tatsächlich: Es zog sich in die Länge. Erst um 21.18 Uhr setzte die Landefähre „Eagle“ auf dem Mond auf. Aber wann wird Neil Armstrong aussteigen? Es zieht sich hin. Gegen 23.00 Uhr meinte mein Vater: „Das dauert zu lange. Jetzt geht es ins Bett“. Und schon hat er das Gerät ausgeschaltet.

Am darauffolgenden Dienstag hat der Lehrer in der Schule die Klasse gefragt: „Wer von euch hat die Mondlandung live gesehen?“ Es waren vier Klassenkameraden. Ich war leider nicht dabei! Aber genau 40 Jahre später, 2009 hat ARTE den gesamten Fernsehtag von damals 1 : 1 gesendet. Und diesmal bin ich aufgeblieben. So ab 1.00 Uhr in der Nacht war ich auf.  Kurz vor 4.00 Uhr ist Armstrong ausgestiegen mit seinem berühmten Spruch: „Ein kleiner Schritt für den Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit“. Und ich habe tatsächlich wieder das Kribbeln von 1969 gespürt. Leider hatte ich am Tag darauf nicht frei und ich war mittlerweile 51 Jahre alt geworden. Es hat ein paar Tage gedauert bis ich dieses „Übernächtigt sein“ verdaut hatte. Aber es hatte sich gelohnt. Denn irgendwie hat der Mond schon eine große Anziehungskraft auf mich. Morgen vor genau 51 Jahren, am 24.07.1969 sind die drei Astronauten von ihrer Mondfahrt zurückgekommen und glücklich im Pazifik gelandet. Aber zum Mond gibt es natürlich grundsätzlich auch noch mehr zu sagen.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 129 vom 22.07.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Magdalenchen

In den gesellschaftlichen Krisen sind mir meine eigenen persönlichen Krisen besonders nahe. Ich denke daran, wann und wo sie waren und wie ich damit umgegangen bin. Das stelle ich auch bei großen Männer der Geschichte fest und lerne daraus für mein eigenes Leben.

Martin Luther hatte viele solcher Lebenskrisen. Schließlich hat er gegen den mächtigen Einfluss der Kirche aus Rom und des deutschen Kaisers Karl V. gekämpft. Bei einigen Updates habe ich schon davon geschrieben. Der heutige Tag, der 22. Juli erinnert mich an eine besondere Situation in seinem Leben. Heute ist der Namenstag von Magdalena. Er erinnert an Maria Magdalena, die in der Bibel eine herausragende Bedeutung als Frau und Jüngerin von Jesus hat. Nach ihr sind viele Mädchen benannt mit allen Ableitungen wie z.B. „Lena“, „Leni“, „Helena“, „Heleni“, „Helen“ usw. Martin Luther und seine Frau Katharina haben ihr drittes Kind Magdalene genannt. Das erste Kind war ein Hans, das zweite Kind eine Elisabeth. Sie ist schon mit neun Monaten gestorben. Magdalena wurde als drittes Kind am 4. Mai 1529 geboren. Sie ist gerade 13 Jahre alt geworden, als ihr geliebter Bruder Hans wegen seiner Ausbildung nach Torgau zum dortigen Schulmeister Krodel geschickt worden ist. Hans und Magdalene waren ein Herz und eine Seele. Kurz nach seinem Weggang wird Magdalene krank. Fast scheint es so, dass durch diese Trennung diese Krankheit ausgelöst wird.

Martin Luther schreibt seine Sorge und seinen Kummer in einen Brief an Krodel: „Ich bitte Dich, sag meinem Sohn Hans nicht, was ich Dir schreibe! Meine Tochter Magdalene ist dem Ende nahe und wird bald heimgehen zu ihrem wahren Vater im Himmel, wenn es Gott nicht anders gefällig ist. Aber sie sehnt sich so sehr darnach, den Bruder zu sehen, daß ich den Wagen schicken muß. Sie haben einander so lieb – vielleicht daß sein Kommen ihr neue Kraft geben möchte“. Es kommen Tage zwischen Furcht und Hoffnung. Aber die Krankheit verschlimmert sich. Luther ahnt den baldigen Tod seiner Tochter. „Lieb habe ich sie sehr. Aber wenn es dein Wille ist, du lieber Gott, daß du sie wegnehmen willst, ich will sie gerne bei dir wissen“. Er sagt zu ihr: „Magdalenchen, mein Töchterlein, du bliebest gern hier bei mir, deinem Vater, und du gehst auch gern zu jenem Vater“. Das Mädchen antwortet: „Ja, herzer Vater, wie Gott will“. Dann versucht Luther seine Frau zu trösten: „Liebe Käthe, bedenke doch, wo sie hinkommt! Sie kommt ja wohl“. In der Nacht vor Magdalenes Tod träumt Käthe „daß zwei schöne junge, wohlgeschmückte Gesellen gekommen wären und hätten ihre Tochter zur Hochzeit führen wollen“.

Am 20. September 1542 nach neun Uhr stirbt Magdalene Luther. Luther schaut auf das Mädchen im Sarg und sagt: „Du liebes Lenchen, du wirst wieder aufstehen und leuchten wie ein Stern, ja wie die Sonne!“. Es ist ergreifend, wie Luther dieses Sterben seiner Tochter miterlebt und aufgeschrieben hat. So kann ich auch noch nach so vielen Jahren selbst mit ihm mitfühlen und auch lernen, wie ich selbst mit eigener Trauer umgehen kann. Eigene Lebenskrisen so verarbeiten können, dass ich wieder neu ins Leben komme – Martin und Katharina Luther sind da für mich ein großes Vorbild.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 128 vom 21.07.2020

Tägliche Gedanken von pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gott schafft mir Recht

Wie gestalte ich mein Leben in einer Krise? Wie verhalte ich mich im fremden Land? Wie gestalte ich meinen Glauben in einer Umwelt, bei der Glaube an den Gott Jahwe nicht genehm ist? Diese Frage stellt sich in der Gegenwart nicht nur in Ländern, in denen der christliche Glaube aktiv verfolgt wird oder in denen das Praktizieren des Glaubens nicht anerkannt wird.

Aber das ist kein modernes Problem. Das ging schon den Menschen des Volkes Israel so. Vor allem im sog. babylonischen Exil des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts mussten sie lernen, mit der babylonischen Umwelt „zurechtzukommen“. Ich habe davon schon mehrmals geschrieben. Davon betroffen war auch Daniel. Das Buch über ihn findet sich in den Prophetenschriften des Alten Testamentes. Es wird am Anfang von ihm erzählt, dass er vom Kämmerer ausgewählt wurde, im Land Babylon erzogen zu werden. Nebukadnezar hat ihn dann als Diener ausgewählt. Daniel war klug und konnte dem König gute Ratschläge geben und Träume deuten. Später erobert der persische König Darius das babylonische Reich. Er setzte drei Fürsten über das Land, einer davon war Daniel. Das missfiel den anderen Statthalter und Fürsten. Es kam zum Mobbing. Daniel hat auch im fremden Land seinen Glauben an den Gott Jahwe aktiv gelebt. Die anderen Fürsten erreichten, dass Darius ein Gesetz erlassen würde, dass 30 Tage lang kein anderer Gott angebetet werden durfte außer dem König. Ohne die Hintergründe zu kennen, lässt sich der König auf diesen Ratschlag ein. Daniel jedoch betet weiter zu seinem Gott in seinem Haus. Weil das Fenster beim Gebet offen stand, wurde er entdeckt.

Diese „Straftat“ wurde vor dem König gebracht und Daniel sollte in der Löwengrube sterben. Ein Engel kommt und rettet ihn vor den Löwen. Der König war sehr froh und schenkt Daniel wieder die Freiheit. Daniel bedeutet „Gott schafft mir Recht“ und heute am 21.07. ist sein Namenstag. Der Name steht dafür, dass es sich lohnt, mitten in Krisenzeiten an Gott festzuhalten. Denn das Bekenntnis am Ende seiner Rettung gilt auch noch heute: „Er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt, und sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende. Er ist ein Retter und Nothelfer, und er tut Zeichen und Wunder im Himmel und auf Erden“ (Daniel 6, 27b – 28).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 127 vom 20.078.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Operation Walküre

Update 127 in der Coronakrise

Wie verhalte ich mich in einer gesellschaftlichen Krise? Welche Auswirkungen hat das auf mein persönliches Leben? Im Jahr 2020 spielt das nicht nur in diesen Coronazeiten eine Rolle, sondern auch rückblickend zum Ende des zweiten Weltkrieges. Denn seit 1945 sind genau 75 Jahre vergangen und immer wieder denke ich an Menschen, die damals die Entscheidung treffen mussten, wie sie sich konkret verhalten sollen. Vor zwei Tagen habe ich über den Prediger von Buchenwald geschrieben: Paul Schneider.

Der heutige Tag bleibt in Erinnerung an den Aufstand von Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20.07.1944. Die Menschen um ihn haben versucht, mit dem geplanten Attentat auf Adolf Hitler das Schlimmste zu vermeiden. Es ist ihnen nicht gelungen. Ein knappes Jahr vor Kriegsende versuchte dieser Kreis mit der „Operation Walküre“ durch einen Staatsstreich das Schlimmste zu verhindern. Dabei hat dieser Offizier eine tiefgreifende Lebensveränderung durchgemacht. Bei der Ernennung von Hitler 1933 zum Reichskanzler war er im Gegensatz z.B. von Dietrich Bonhoeffer ein glühender Verehrer des sog. „Führers“. Erst durch den zweiten Weltkrieg hat er dessen teuflisches Denken durchschaut und wohl zu spät die Auswirkungen des Nationalsozialismus gemerkt. Vorher gehörte er zu den großen Planern des deutschen Heeres und beteiligte sich z.B. aktiv im Oktober 1938 am deutschen Einmarsch im Sudetenland.  

Im Herbst 1943 und damit ziemlich spät suchte er bewusst Kontakt zu Hitlergegnern und organisierte das gescheiterte Hitlerattentat. Noch am Abend des 20. Juli 1944 wurden er und seine Mithelfer standesrechtlich erschossen. Sein berühmtes Zitat lautet: „Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem Gewissen…Ich könnte Frauen und Kindern der Gefallenen nicht in die Augen sehen, wenn ich nicht alles täte, dieses sinnlose Menschenopfer zu verhindern“.

Stauffenberg beruft sich bei seiner Tat auf sein Gewissen. Es hat ihn zur Umkehr in seinem Denken bewogen. „Kehret um und ihr werdet leben“ (Hesekiel 18,32). Er hat sein eigenes Leben trotz seiner inneren Umkehr nicht retten können, aber sein Gewissen hat ihn in der Krise des Niederganges am Ende des zweiten Weltkrieges handeln lassen. Auch der Apostel Paulus beruft sich immer wieder auf sein Gewissen, das er mit seinem Glauben an Jesus in Verbindung bringt. „Ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht, wie mir mein Gewissen bezeugt im heiligen Geist“ (Römer 9, 1).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 126 vom 19.07.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Dekan Jörg Sichelstiel

5 Wünsche für die Welt danach

1. Keine Rückkehr zur Normalität. Der so oft vorgebrachte Wunsch auf Rückkehr zur Normalität unterstellt, dass es früher besser oder gar in Ordnung gewesen wäre. Wir wissen alle, dass das nicht stimmt. Ich brauche nur an die Diskussionen zum menschengemachten Klimawandel, zum wachsenden Antisemitismus und zum Rechtsterrorismus zu erinnern. Die jetzt angekündigten „Lockerungen“ entwickeln bereits eine Dynamik hin zu einem Weiter-so-wie früher, die mir verhängnisvoll erscheinen. 

2. Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig Das vermeintlich starke globalisierte Wirtschaftssystem hat sich als äußerst anfällig und schwach erwiesen. Produktionsausfälle an einem Ort der Welt und zusammengebrochene Lieferketten haben Alarm ausgelöst. Zu viele Infizierte, Krankgeschriebene oder Sterbende kann sich kein Wirtschaftssystem und kein Staat leisten. Die Legitimationsbasis verflüchtigt sich, wenn der Staat nicht mit allen Mitteln eingreift, damit nicht noch mehr Tote mit Lastwägen abtransportiert werden. Dadurch rückten die „schwachen Berufe“ in den Fokus der Aufmerksamkeit – Berufe, die überdurchschnittlich von Frauen ausgeübt werden. Das gilt für die Pflege, aber genauso für die Verkäuferinnen.  Sie wurden systemrelevant. Ihre Kraft hält und trägt. Stärke und Schwäche haben den Platz gewechselt – zumindest eine Zeitlang in der öffentlichen Wahrnehmung. Mein Wunsch: Dass diese Erkenntnis Konsequenzen haben muss, auch in Form besserer Bezahlung und besserer Arbeitsbedingungen.

3. Zukunftsorientierter Neustart mit Nachhaltigkeit statt „Wiederhochfahren“. In diesen Komplex gehört das verhängnisvolle Wort vom „Wiederhochfahren“ der Wirtschaft. Der durch Corona erzwungene Stopp sollte zu einer Zäsur werden. Corona ist kein sog. „Black swan“, also kein unvorhersehbares Ereignis außer der Reihe, sondern es wird sichtbar und spürbar, was durch die sich gegenseitig verstärkenden Wechselwirkungen von gesellschaftlichen und technologischen Dynamiken und der rapiden Verschlechterung der globalen Umweltsituation ausgelöst wird. Es gibt einen elementaren Zusammenhang zwischen Tier-, Umwelt- und menschlicher Gesundheit. Konsequenter Klima- und Artenschutz bedeuten auch effektiven Gesundheitsschutz. Es braucht eine echte Weiterentwicklung von Energie-, Ernährungs- und Verkehrswende. (vgl. Der Schock hat System, SZ 15.4.2020, S. 9)

4. Buße als Normalität Martin Luther hat in seiner ersten der 95 Thesen geschrieben, dass das ganze Leben Buße sein soll. Die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen Bußfragen aufgebracht, Fragen nach Umkehr, Schuld, Neuorientierung. Das Gesundheitswesen wurde lange Jahre mit falschen  Zielvorgaben gesteuert. Schmerzhaft stellen wir fest, dass Schutzausrüstung fehlt. Die kleinen Krankenhäuser werden gebraucht, sterben aber reihenweise den Finanztod. Das sind nur einige Beispiele aus einem Bereich. Es betrifft auch Privates. Das Leben ist von Terminen und Freizeitstress geprägt. Corona zwingt zur Auszeit. Nachbarschaften werden neu entdeckt. Hilfsbereitschaft wächst.

5. Den Buß- und Bettag wieder einführen, mit neuem Namen: Tag der Umkehr oder Zukunftstag. Der Buße als Normalität entspricht, dass der Buß- und Bettag als gesamtgesellschaftlicher Umkehrtag neues Gewicht gewinnt. Der Name sollte ein in der pluralen Gesellschaft akzeptierter sein. Als evangelische Kirche werden wir ihn mit Gottesdiensten und Buße und Beichte feiern und unseren Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog leisten. Der Tag könnte Umkehrtag oder auch Zukunftstag heißen, denn es soll um eine bessere Zukunft gehen.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 125 vom 18.07.2020

Der Prediger von Buchenwald

Wie sollen sich Christen konkret in einer Krise verhalten? Was sollen Christen tun, wenn sie in einem Land leben, das diktatorisch regiert wird und in dem das Bekenntnis zu Jesus Christus verboten oder verfälscht ist? Von Anfang an wurde diese Frage verschieden beantwortet. Tausende sind wegen ihres Glaubens an Jesus getötet worden. Als erster christlicher Märtyrer gilt Stephanus. Seine Geschichte wird in der Apostelgeschichte in den Kapiteln sechs und sieben erzählt. Viele kennen Dietrich Bonhoeffer, der im Update Nr. 26 gewürdigt worden ist. Nicht ganz so bekannt ist die Geschichte von Paul Schneider. Er war gerade 17 Jahre alt, als seine Mutter starb. Mit 18 Jahren nahm er am ersten Weltkrieg teil und wurde schwer verwundet. Nach dem Krieg begann er das Theologiestudium und als Pfarrer stellte er sich von Anfang an gegen die Ziele der NSDAP. Er wurde Mitglied der Bekennenden Kirche und stellte sich offen gegen Zeitungsartikel von Joseph Goebbels. Er wandte sich gegen das sog. dritte Reich z.B. auch durch Wahlverweigerung. Mehrere Inhaftierungen folgten bis er schließlich zuletzt am 27. November 1937 in das KZ Buchenwald kam. Aber auch dort rebellierte er gegen das Regime und kam so in den Bunker. Von dort aus rief er immer wieder den Häftlingen auf dem Appellplatz Bibelverse und mutmachende Worte zu. Bekannt ist seine „Osterpredigt“ 1938. „Kameraden, hört mich. Hier spricht Pfarrer Paul Schneider. Hier wird gefoltert und gemordet. So spricht der Herr: Ich bin die Auferstehung und das Leben!“ Dann ließen massive Stockschläge ihn verstummen. So wurde er zum „Prediger von Buchenwald“. Er hätte das KZ verlassen dürfen, wenn er einer Versetzung in den „Wartestand“ zugestimmt hätte. Das lehnte er aber ab und so wurde das zu seinem Todesurteil. Schwer misshandelt und gekennzeichnet von Folterungen, hat ihn der Lagerarzt Erwin Ding-Schuler durch eine Überdosis des Herzmedikamentes Strophanthin ermordet. Genau heute vor 75 Jahren, am 18. Juli 1945 ist er dadurch gestorben und gilt als wahrer Bekenner des Glaubens an Jesus Christus, der auch seinen eigenen Tod nicht gescheut hat. Sogar Papst Johannes Paul II. würdigte ihn im Rahmen eines Märtyrergedenkens im Kolosseum in Rom am 7. Mai 2000 Mitten in der Coronakrise denke ich an diesen aufrechten Christen, der viele zum Vorbild wurde. „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“ (Offenbarung 2, 10).