Archiv des Autors: Pfr. Gerhard Metzger

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 325 vom 03.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die schreckliche Diagnose

Heute ist der 03.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 03.02.2014 lautet die Losung der Herrnhuter Losungen: „Gott, der Herr spricht: ich will noch mehr zu der Zahl derer, die versammelt sind, sammeln“ (Jesaja 65, 8).

Es ist ein Montag. Ich fahre mit dem Auto in Richtung Bamberg zur Klinik. Meine Frau ist über das Wochenende bei Simon geblieben. Während der Fahrt denke ich daran, wie wir damals 1996 von seiner Krankheit erfahren haben. Wir waren im Mai in der Uniklinik in Tübingen. Etwa eine Stunde haben wir mit zwei Ärztinnen geredet. Sie haben uns gesagt, dass Simon für knapp eine Woche zur Untersuchung kommen muss um eine genaue Diagnose stellen zu können. Im Juni fahren wir wieder hin. Meine Frau bleibt bei ihm und ich fahre wieder nach Alerheim zurück, etwa 190 km. Nach einer knappen Woche hole ich beide ab. Wir sollten auf das Ergebnis warten, das uns in etwa vier Wochen mitgeteilt werden sollte. Nach dieser Zeit kommt der Anruf und mir wurde mitgeteilt, dass das Untersuchungsergebnis nur persönlich mitgeteilt werden wird. Es sollte an einem Donnerstag sein. Ich melde mich von der Schule ab und wir fahren nach Tübingen. Dort kommt die niederschmetternde Diagnose: Simon wird keine lange Lebenserwartung haben. Seine Fähigkeiten werden abnehmen usw. usw. Wir sind wie erstarrt und können es nicht glauben. Zufällig kannten die Ärzte ein anderes Kind aus Tübingen mit der Krankheit MPS. Wir erhalten die Adresse und fahren dort hin. Die Mutter wurde einige Tage vorher informiert und war damit einverstanden. Es gibt ein langes Gespräch, das uns auf der einen Seite Hoffnung macht, auf der anderen Seite auch niederdrückt. Danach fahren wir die 190 km zurück und sind nicht fähig, auch nur ein Wort miteinander im Auto zu reden. Für mich kam es darauf an, jetzt gut nach Hause zu kommen und irgendwie diesen Tag zu überstehen.

Ich hatte noch ein Traugespräch vor mir. Ich überlege kurz, entschließe mich dann aber, diesen Termin nicht abzusagen. Das Gespräch fällt sehr viel kürzer als sonst aus. Das Ehepaar hat mir hinterher erzählt, dass sie schon gespürt haben, dass „ich anders war als sonst“. Dann bin ich nach Hause gegangen und wir haben die ganze Nacht über geweint und gebetet, Anrufe getätigt. Irgendwie haben wir auch diesen Tag und diese Nacht überstanden.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 324 vom 02.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Simon – der Kämpfer

Heute ist der 02.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 02.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen: „Darum werde wir nicht müde, sondern wenn auch unser äußere Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert“ (2. Korinther 4, 16).

Dieser Tag ist für mich unter normalen Umständen ein besonderer Tag. Schon als Kind hat mich mein Vater jedes Jahr darauf aufmerksam gemacht: „Heute haben wir Lichtmess. An diesem Tag sind die Knechte und Mägde zum nächsten Bauern gewandert oder sie sind da geblieben“. Diese Zeit, dass auf einem Bauernhof viele Menschen mitgearbeitet haben, ist längst vorbei. Auch wir hatten niemanden mehr. In jüngster Zeit arbeiten Menschen aus dem ehemaligen Ostblock wieder in den Höfen mit. Sie kommen vor allem aus Rumänien, der Slowakei und auch aus der Ukraine. Durch die Coronakrise mit den ganzen Einreise- und Ausreisebestimmungen fällt das wieder schwerer. Aber bis heute erinnern sich die Landwirte an diesen besonderen Tag, dem viele Sprichwörter und Bauernregeln nachgesagt werden. Der Bekannteste davon lautet: „An Silvester einen Schritt, an Hl. Drei Könige einen Sprung, an Lichtmess eine ganze Stund“. Beschrieben wird darin, dass es an diesem Tag genau eine Stunde heller bleibt im Vergleich zum hl. Abend. Das ist auch das, worauf ich mich jedes Jahr sehr freue.

Im vergangen Jahr hatten wir ein Zahlenpalindrom mit 02.02.2020. Das war zum letzten Mal am 11.11.1111. Vor einem Jahr war dieser Tag wie 2014 ein Sonntag. Wir hatten in der Thomaskirche ein besonderes Fest. Zwei Lektorinnen wurden eingeführt und wir haben richtig gefeiert. Wir ahnten nicht, dass das bald zu Ende sein würde.

Vor sieben Jahren feierten wir eine Taufe im sonntäglichen Hauptgottesdienst und einen Teeniegottesdienst um 11.00 Uhr. Danach bin ich nach Bamberg gefahren um Simon und meine Frau in der dortigen Klinik zu besuchen. Irgendwie war es für mich wie Routine. Natürlich war der Zustand von Simon besorgniserregend. Aber ich hatte das schon öfters erlebt. Dass er eine Lungenentzündung hatte, war nicht selten. In mir war Unsicherheit, aber auch Hoffnung, dass er es wieder schaffen würde. Und wie oft hatten Krankenschwestern und Pfleger schon gesagt: „Simon ist ein Kämpfertyp“.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 323 vom 01.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein folgenreicher Anruf

Heute ist der 01.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 01.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen: „Johannes schreibt: Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern u8nd sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt, unserem Gott, und dem Lamm!“ (Offenbarung 7, 9 – 10).

Es ist ein Samstag. Kurz nach Mitternacht gegen 1.00 Uhr klingelt bei uns das Telefon. Am anderen Ende ist eine Mitarbeiterin aus Bamberg. Sie erzählt uns, dass es Simon sehr schlecht gehe. Er hat Fieber und muss in die Klinik nach Bamberg gebracht werden. Sie melden sich demnächst wieder und sagen uns, wie es ihm konkret gehen würde. Meine Frau und ich sind aufgewühlt. Noch vor ein paar Stunden hatte ich zu einer ehemaligen Konfirmandin (siehe mein gestriges Update) gesagt, dass es ihm gut gehen würde. Nach einer weiteren knappen Stunde kommt ein weiterer Anruf mit leider schlechten Nachrichten. Simon muss in der Klinik bleiben und es geht ihm nicht gut.

Meine Frau und ich packen unsere „sieben Sachen“ und fahren nach Bamberg. Dort liegt Simon auf Intensiv. Er hat die Augen zu und eine Sauerstoffmaske auf. Wir bleiben bei ihm und beten. Es gibt Gespräche. Am Morgen entscheiden wir, dass meine Frau bei ihm bleiben wird und ich nach Hause fahre. Daheim erwarten mich die letzten Vorbereitungen für den sonntäglichen Gottesdienst. Danach wieder die Fahrt in die Klinik. Wieder Gespräche, Gebete, Hoffen und Bangen. Simon lässt die Augen zu. Wir können uns nur durch Berührung ihm unsere Gegenwart zeigen. Wie wird das alles weitergehen?

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Updatze 322 vom 31.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gewältige Veränderungen am Horizont

Heute ist der 31.01.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 31.01.2014 lautet der Wochenspruch: „Es werden kommen von Osten und von Westen, vom Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“ (Lukas 13, 29).

Es ist ein Freitag. In meinem Terminkalender steht für den Abend: 19.30 Uhr, Gründung des Kirchweihvereines in der Gastw. Scharrer. Hintergrund war, dass in Altensittenbach wie auch in vielen anderen Dörfern das Organisieren und Durchführen der Kirchweih auf eine Vereinsbasis gestellt werden sollte. Eine gute Idee. Damit gibt es Verantwortliche, die dieses Fest auch nach außen gut vertreten können. Am Abend waren viele Menschen jeglichen Alters da. Junge Menschen haben sich in die Vereinsführung wählen lassen, die ich selbst konfirmiert habe. Interessant finde ich bis heute die Wahl des Vereinsnamens. Ursprünglich sollte er einen Namen haben wie z.B. „Sittenbächer Kirwäbuam o.ä. irgendwann hatte ich in der Debatte den Eindruck, dass der Name neutraler sein sollte, damit er nicht maskulin geprägt sei. Ich habe mich dafür eingesetzt solch einen neutralen Namen zu finden. Tatsächlich! Nach längerer Diskussion einigten sich die Anwesenden auf den Namen „Sittenbächer Kirwä e.V.“. Heute feiert der Verein sein siebenjähriges Bestehen.

Am Ende erlebte ich eine Überraschung: Eine von mir konfirmierte Frau kam auf mich zu und fragte mich: „Wie geht es Ihnen und ihrem Simon“? Ich freute mich über dieses Interesse und denke bis heute gerne daran zurück. Nichts ahnend was ich in den nächsten Stunden und Tagen erleben sollte, antwortete ich: „Es geht ihm sehr gut in seiner Wohnung in Bamberg“. Wir hatten Simon im Oktober 2013 in eine intensivbetreute Wohnung in diese bekannte Stadt gebracht und ihn mindestens einmal in der Woche besucht. Wir waren froh und dankbar dafür. Nach einem sehr langen Aufenthalt von ungefähr fast drei Monaten in der Uniklinik in Erlangen konnten wir ihn nicht mehr zu Hause betreuen. Aber die Nacht sollte für uns als Ehepaar gewaltige Veränderungen bringen.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 321 vom 30.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wer ist zu bedauern?

Heute erzähle ich eine Weisheitsgeschichte, die vermutlich schon einige Leser/-innen kennen. Dass ich diese hier zum Lesen niederschreibe, hat einen persönlichen Grund. Aber zuerst einmal die Geschichte:

Ein Bauer hatte einen Sohn und ein Pferd auf einer Weide. Es war das schönste Pferd im ganzen Land und alle Leute lobten den Mann und seinen Sohn für ihr wunderschönes Pferd und bemerkten, dass sie wirklich sehr viel Glück hatte. Doch der Bauer war klug und weise. Stets war seine Antwort: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

Eines Tages büchste das Pferd aus und war fort. Die Leute kamen zum Bauer und sagten: „Oh du armer Mann, du hattest das schönste Pferd und nun ist es weg. Wie bist du arm dran!“ Doch der Bauer sprach weise und klug: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

So zog der Sohn aus, um nach dem Pferd Ausschau zu halten. Nach langer Suche fand er es endlich in einer großen Gruppe von edlen Wildpferden. Als er sein Pferd einfing, folgten alle Wildpferde bis nach Hause. Von da an hatten der Mann und sein Sohn viele teure und edle Wildpferde.

Die Leute aus der Umgebung kamen erneut und sprachen voller Bewunderung: „Oh du glücklicher Mann. Nun hast du einen Stall voll von edlen und teuren Pferden. Wieviel Glück du doch hast!“ Doch der Mann, weise und klug antwortete stets: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

Als der Sohn des Mannes eines Tages eines der Wildpferde einritt, stürzte er und brach sich das Bein. Wieder kamen die Leute und meinten: „Oh du armer Mann, dein Sohn ist so schwer gestürzt, was für ein großes Pech du doch hast!“ Der Bauer antwortete: „Ob gut, ob schlecht, wer weiß das schon.“

Einige Tage später brach ein Krieg übers Land und es kam die Nachricht des Königs, dass alle jungen Männer in den Krieg ziehen mussten. Alle, außer der der Sohn des Bauern, der sich das Bein gebrochen hatte…

Heute ist der 30.1.2021. Heute vor genau 88 Jahren ist Adolf Hitler an die Macht gekommen. Das sog. „Weimarer Reich“ war unfähig, die Demokratie nach dem ersten Weltkrieg so zu gestalten, dass es den Menschen Halt und Sicherheit gegeben hat. Und so nahm das unheilvolle Schicksal seinen Lauf.

Wenige Jahre vorher lag mein Urgroßvater mit gut 50 Jahren auf dem Sterbebett. Er ist dem Tod sehenden Auges entgegen gegangen. Kurz vor seinem Tod hat er alle seine engsten Verwandten zum Bett kommen lassen. Er wurde bedauert und man hat sein baldiges Sterben kommentiert mit den Worten: „Dein frühes Sterben ist zu bedauern. Du hättest noch so viel machen können. Wir hätten Dich gerne noch hier behalten“. Aber mein Urgroßvater denkt eine kurze Zeit nach und sagt dann: „Ihr müsst nicht mich bedauern. Ich bedauere euch. Ihr werdet es erleben, dass der Hitler doch eines Tages an die Macht kommen wird. Und dann wird Krieg und eine schlimme Zeit kommen“. Er hatte – leider – Recht. Ich bin gespannt, wie Menschen diese Zeit der Coronakrise im Rückgriff kommentieren werden. Ich hoffe, dass viele daraus lernen werden.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 320 vom 29.01.2021

Tägliche Gedanken in einer schwierigen zeit, heute von Silvia Dörr

Anker in der Zeit

  1. Es gibt bedingungslose Liebe,

die alles trägt und nie vergeht

und unerschütterliche Hoffnung, die jeden Test der Zeit besteht.

Es gibt ein Licht, dass uns den Weg weist, auch wenn wir jetzt nicht alles sehn.

Es gibt  Gewissheit unsres Glaubens, auch  wenn wir manches nicht verstehn.

2. Es gibt Versöhnung selbst für Feinde und echten Frieden nach dem Streit.

Vergebung für die schlimmsten Sünden, ein neuer Anfang jederzeit.

Es gibt ein ew‘ges Reich des Friedens.

In uns‘rer Mitte lebt es schon:

ein Stück vom Himmel hier auf Erden, in Jesus Christus Gottes Sohn.

Chorus: Er ist das Zentrum der Geschichte, er ist der Anker in der Zeit.

Er ist der Ursprung allen Lebens und unser Ziel in Ewigkeit, und unser Ziel in Ewigkeit.

3. Es gibt die wunderbare Heilung , die letzte Rettung in der Not.

Und es gibt Trost in Schmerz und Leiden, ewiges Leben nach dem Tod.

Es gibt Gerechtigkeit für alle, für uns‘re Treue ew‘gen Lohn.

Es gibt ein Hochzeitsmahl für immer mit Jesus Christus, Gottes Sohn.

Chorus: Er ist das Zentrum der Geschichte ……2x

Wenn ich dieses Lied von Albert Frey singe, überkommt mich eine Leichtigkeit und es fühlt sich an, als würde mir persönlich Trost zugesprochen.

Gerade in der jetzigen Situation kommen Fragen, Sorgen und Zweifel auf, die meinen Alltag prägen.

Da wir zur Zeit auch die Möglichkeit in Gottesdiensten zu Singen eingeschränkt haben, habe ich das Lied eingespielt und lade ganz herzlich zum Mitsingen ein.

Ich hoffe, ich kann damit einige Herzen erfreuen.

Der Liedtext stammt aus Kolosser 1 Vers 15 – 16

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 319 vom 28.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Brav sein?!

Vor mir liegt die Hersbrucker Zeitung (Regionalausgabe der Nürnberger Nachrichten) vom 27.01.2021. Ich schaue nach den Indzidenzwerten und lese die Zahl 51,52 für den Landkries Nürnberger Land. Wir stehen tatsächlich ganz unten in der Tabelle. Nur in der Stadt Bamberg ist der Wert noch niedriger. Vor knapp einer Woche war es abzusehen, dass unser Landkreis im Verhältnis zu anderen Regionen niedrige Zahlen hat.

Bei einem Gespräch mit einem Altensittenbacher sind wird auf dieses Thema gekommen. Wir haben gemeinsam überlegt, woher das wohl komme. Ein Grund ist vielleicht der, dass es einige Alten- und Pflegeheim schon getroffen hat und deshalb kaum mehr Infizierungen dort gezählt werden können. Mittlerweile sind viele Bewohner/-innen auch schon zweimal geimpft worden. Irgendwann bei unseren Überlegungen fällt der Satz: „Herr Pfarrer, wir sind halt sehr brav“.

Diese Beschreibung hat mich innerlich aufgerüttelt. Ich habe darüber nachgedacht, wo und wie ich in meinem Leben dieses Wort schon gehört habe. Ich denke dann an den Umgang mit kleinen Kindern. „Wir haben ein sehr braves Kind“ haben viele Eltern zu mir gesagt, um zu beschreiben, dass ihr kleines Baby schon durchschläft. Bei Besuchen sagen Erwachsene zu ihren Kindern: „Seid schön brav beim Opa und nicht so laut“. Das höre ich auch immer wieder, wenn mal Kinder im sonntäglichen Hauptgottesdienst dabei sind. Wenn sie relativ ruhig bleiben, dann sagen die Erwachsenen zu den Eltern: „Sie haben ja ein braves Kind“. Ich bin da inhaltlich übrigens völlig anderer Meinung. Kinder dürfen in Gottesdiensten durchaus mal laut sein! „Brav sein“ wird also mit „Ruhig sein, nicht aufsässig sein“ umschrieben. Spannend war es für mich, wenn mein Vater zu mir und meiner ein Jahr älteren Schwester beim Fortgehen zum Tanzen sagte: „Und seid auch schön brav“. Nicht ein einziges Mal hat er mir erklärt, was er damit gemeint hat. Ich habe auch nicht nachgefragt. Ich musste es mir denken, was er damit gemeint hat. Vielleicht haben die Leser/-innen ähnliche Geschichten jetzt in ihren Köpfen.

Brav sein“. Ist das eine Tugend? Oder ist das ein Merkmal für Duckmäusertum? Oder ist das ein Ergebnis eines bestimmten autoritären Erziehungsstiles? Für die 68-er-Generation im vergangenen Jahrhundert war diese Haltung des „Brav seins“ wohl mit ein Motiv für ihre Aufsässigkeit.

Auf der anderen Seite ist es auch eine positive Haltung, wenn Menschen genau nachfragen und bestimmte Regeln mitgehen um Schlimmeres zu vermeiden. In der Coronakrise wird das deutlich sichtbar. Wer weiß? Vielleicht leben die Menschen im Landkreis Nürnberger Land tatsächlich vorsichtiger und glauben den Politikern mehr als in anderen Regionen unseres Landes. Aber kann ich das dann mit „Brav sein“ umschreiben? Und ganz ehrlich: Wenn das dazu führen würde, dass der Inzidenzwert bei uns niedrig bleibt und wir somit schneller wieder mehr Freiheiten leben können als andere, dann kann das mir nur recht sein.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 318 vom 27.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Leid – ohne Namen

Es hätte so schön sein können. Ich hatte mir das vor Augen schon ausgemalt. Die Studienfahrt Ende August/Anfang September 2020 nach Polen in die Masuren. Leider ist es aus den bekannten Gründen anders gekommen. Pfr. Martin Kühn als Organisator und busfahrender Pfarrer hatte auf der Rückfahrt noch einen besonderen Ort ausgewählt: KZ Auschwitz mit dem Vernichtungslager Birkenau. Ich war noch nie dort. Mein einziger Besuch in einem KZ war 1990 im KZ Buchenwald. Es war der Ort, an dem Pfr. Schneider, der Prediger von Buchenwald umgebracht wurde (siehe mein Update 125 vom 18.07.2020).

Etwa 90 % der gefangenen Menschen in Auschwitz waren Juden. Dieses KZ steht symbolisch für alle ermordeten Juden im sog. dritten Reich. Heute vor genau 76 Jahren, am 27.01.1945, hat die Rote Armee den Lagerkomplex befreit. Seit 1996 ist dieser 27. Januar der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“.

In unserer Stadt Hersbruck findet in normalen Zeiten an diesem Tag ein besonderer Gottesdienst in der Spitalkirche statt mit anschließender Lichterkette zum sog. Bocchetta-Denkmal. Diese Skulptur trägt den Namen „1944 – 1945 ohne Namen“. Der Künstler selbst hat sie am 8. Mai 2007 enthüllt und der Öffentlichkeit übergeben. Von August 1944 bis April 1945 war in Hersbruck ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Die Häftlinge trieben eine unterirdische Stollenanlage für die Rüstungsindustrie in die Houbirg bei Happurg. Innerhalb kurzer Zeit, in der das Außenlager bestand, verloren nahezu 4000 Menschen ihr Leben. Die Skulptur steht am Rande des Geländes, auf dem das Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg vor der SS errichtet worden war.

Vittore Bocchetta litt als Mitglied des Veroneser Widerstandes zwischen 1940 und 1945 in Gefängnissen des italienischen Faschismus und in nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Er wurde aus dem Lager Bozen in das KZ Flossenbürg und in das Außenlager Hersbruck deportiert. Er hat diese Skulptur als Bildhauer, nicht als Verurteilter und ehemaliger Häftling, zur Erinnerung an all die Menschen, seine Kameraden, erschaffen, die im Außenlager in Hersbruck ihren Namen, ihre Würde und ihr Leben verloren haben. Mehrmals war er in unserer Stadt und hat in Schulen und anderen Veranstaltungen von dieser Erniedrigung von Menschen berichtet. Er gehört mit jetzt über 100 Jahren zu den noch wenig lebenden Zeitzeugen dieser schlimmen Epoche. Vor sechs Jahren gab es die Versöhnungsmärsche „Marsch des Lebens“. Einer ging von Hersbruck über mehrere Tage nach Dachau. In das dortige KZ mussten viele Gefangenen am Ende des zweiten Weltkrieges vom Außenlager Hersbruck zu Fuß gehen. Die Skulptur selbst spricht Bände und ich finde keine Worte, sie zu beschreiben. Da kann nur jede/r selbst mit seinen eigenen Gedanken und Gefühlen verweilen und hoffen, dass es solche schlimme Situationen nicht mehr geben wird.

Die Skulptur „1944 bis 1945 – ohne Namen“ in Hersbruck

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 317 vom 26.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Steh auf und geh!

Es ist der 15.01.2021. Wie immer höre ich nach dem Essen B 5 aktuell. Ich schlage damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich spüle die sperrigen Teile des Geschirrs mit der Hand und höre die neuesten Meldungen. Dann kommt eine Meldung, die mich vom Hocker reißt: Hoffnung für Querschnittsgelähmte. Der Reporter berichtet von einer Entdeckung der Ruhr-Universität Bochum, die weltweit für Aufsehen sorgt. Mit einer Gentherapie brachten die Wissenschaftler komplett gelähmte Mäuse wieder zum Laufen. Ich zitiere: „Bislang sind Lähmungen, die auf Verletzungen des Rückenmarks zurückzuführen sind, nicht heilbar. Die Forschungsergebnisse aus Bochum könnten dazu beitragen, neue Therapien für querschnittsgelähmte Menschen zu finden. Denn die müssen bisher davon ausgehen, dass sie ihr Leben lang im Rollstuhl sitzen…Ein Mittel, das rückgängig zu machen, gibt es noch nicht für Menschen. Bei Mäusen ist das jetzt erstmals gelungen“. Nach drei Wochen der Behandlung konnten Mäuse wieder tatsächlich die Pfoten aufsetzen und Schritte machen.

Der Schlüssel zu diesem Erfolg ist das Eiweißmolekül „Hyper-Interleukin 6“. Es regt die Nervenzellen dazu an, nachzuwachsen und sich wieder miteinander zu verbinden. Die Forscher haben Erbinformationen dieses Moleküls ins Gehirn der Mäuse gespritzt und das heilsame Protein breitet sich von dort auch in Zellen anderer Gehirnregionen aus. Jetzt liegt die Hoffnung darauf, dass diese Therapie irgendwann auch bei Menschen mit Querschnittslähmungen erfolgreich angewandt werden kann.

Mich hat das sofort an viele Bibelstellen und Bibelgeschichten erinnert. Denn eine Heilung von Gelähmten und anderen von unheilbaren Krankheiten Betroffenen war schon in biblischen Zeiten Zeichen für den Messias. Im elften Kapitel des Matthäusevangeliums sendet Johannes seien Jünger vom Gefängnis aus zu Jesus und lässt fragen: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten. Und dann gibt Jesus folgende Antwort: „Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt, und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert“ (Mt 11, 1 – 6).

Im Evangelium des Johannes im fünften Kapitel wird erzählt, wie Jesus den Lahmen am Teich Bethesda geheilt hat. Seit 38 Jahren war er krank und wartete darauf, geheilt zu werden. Dann kommt Jesus und heilt ihm am Sabbat, was für fromme Juden verboten war. Jesus aber schaut auf den Menschen mehr als auf Gesetze und Verbote. So erlebte dieser Mensch diese Wunderkraft von Jesus und das schon 2000 Jahre bevor menschliche Wissenschaftler sich auf den Weg machen, mit Hilfe von genetischer Therapie erste Erfolge bei Gelähmten zu verkünden.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 316 vom 25.01.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Woher hat der Neandertaler seinen Namen?

Ich will mit euch über unsere Vorfahren reden“. Dieses Eingangswort unseres Lehrers in der 5. Klasse der Hauptschule hat mein Interesse geweckt. Ich dachte noch: Was kommt jetzt? Geht es über Affen? Oder geht es über biblische Texte? Wird er von Adam und Eva reden? Aber ich bin doch jetzt nicht im Religionsunterricht? Der Lehrer zeigte ein Bild von einem Neandertaler. „So sahen unsere Vorfahren aus. Schaut genau hin und entdeckt die Unterschiede zu uns. Wir werden die Homo Sapiens genannt“.

Im Laufe der nächsten Unterrichtsstunden haben wir dann viel gelernt. Ich habe mir nicht sehr viel von damals gemerkt. Aber das bleib in meinem Kopf: Der Neandertaler hatte eine andere Kopfform und ist vor ungefähr 40.000 Jahren ausgestorben. Eine kleine Nebenbemerkung des Lehrers ist mir auch noch in Erinnerung: „Der Neandertaler war nicht sehr klug“. Übrigens: Der Neandertaler hat vermutlich 300 000 Jahre gelebt! Ob wir, die Homo Sapiens, das auch einmal schaffen werden bei diesem Raubbau mit der Schöpfung!!!!!????

Viele Jahre lang habe ich mich damit nicht mehr beschäftigt. Ich war schon Pfarrer als mir eine Predigt zum Lied. „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ in die Hände fiel. Ich staunte nicht schlecht. Der Liederdichter dieses Liedes, Joachim Neander, ist der Namensgeber dieses Vorläufers heutiger Menschen. Er war Sohn eines Pfarrers und studierte selbst reformierte Theologie in Bremen. 1674 wurde er Rektor der Lateinschule in Düsseldorf. Er verfasste viele Texte und Lieder. Inspiriert wurde er vor allem bei seinen Spaziergängen in der eindrucksvollen Schlucht der Düssel bei Mettmann. Und genau dort wurde der erste Neandertaler gefunden. Ihm zu Ehren wurde dieser Urmensch deshalb „Neandertaler“ genannt.

Schon mit 29 oder 30 Jahren ist Joachim Neander gestorben. Obwohl noch so jung, hat er viele beachtliche und bekannte Liedtexte hinterlassen. Allein sechs Lieder finden sich im EG (Evangelischen Gesangbuch). Der bekannteste Choral ist das oben genannte Lied, das unter den Nr. 316 bzw. 317 (ökumenischer Text) zu finden ist. Deshalb heute dieses Update. Und wie oft habe ich schon gedacht: Warum hat Gott diesen begnadeten Liederdichter in solch jungen Jahren sterben lassen? Wie viele Lieder hätte er noch schreiben können, die wir noch heute kennen würden? Wie viele Melodien von ihm würden wir noch heute singen können? Aber das weiß nur Gott allein. Zum Beispiel beim Lied „Wunderbarer König“ (EG 327) stammen Text und Melodie von ihm.

Wunderbarer König, Herrscher von uns allen, lass dir unser Lob gefallen. Deine Vatergüte hast du lassen fließen, ob wir schon dich oft verließen. Hilf uns noch, stärk uns doch; lass die Zunge singen, lass die Stimme klingen. Himmel, lobe prächtig deines Schöpfers Taten mehr als aller Menschen Staaten. Großes Licht der Sonne, schieße deine Strahlen, die das große Rund bemalen. Lobet gern, Mond und Stern, seid bereit, zu ehren einen solchen Herren“.

Dieses Lied wird gespielt von meiner Schwägerin Silvia Dörr