Archiv des Autors: Pfr. Gerhard Metzger

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 175 vom 06.09.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Lektor Erich Söhnlein

In welcher Art von Organisation wollen wir arbeiten?

Die meisten von uns gehen einer Arbeit nach, die irgendwie in einem Betrieb, einer Firma stattfindet. Und sobald wir dort ankommen, sind wir plötzlich in einer gewissen Rolle: Wir sind Mitarbeiter, wir sind Kollegen, wir sind vielleicht auch Vorgesetzte oder sogar Eigentümer. All das ist die sogenannte Organisation. Und in einer Firma, in einer Organisation, geht es darum, dem Zweck des Unternehmens zu dienen. Das kann dann sein, zum Beispiel möglichst leckeres Brot zu backen, oder Kindern etwas beizubringen, oder Autoteile herzustellen (in meinem Fall). Das kann aber auch ein Verein oder eine Kirchengemeinde sein.

Viele Unternehmen sind mittlerweile so groß, dass nicht einmal mehr der Chef in der Lage ist, alle Details genau zu kennen. Ab einer gewissen Größe kommt es zu einer Spezialisierung, zu einer Teilung der Aufgaben und zur Bildung von Abteilungen. Abteilungen sind genau das, was das Wort sagt: Unterteilung eines vormals zusammenhängenden.

Viele von Euch wissen vielleicht, dass ich mich derzeit beruflich mit dem Bilden von Organisationen beschäftige, und man kann dazu viele kluge Artikel und Bücher lesen, z.B. von Peter Drucker, Frederick Taylor oder Alfred Sloan, wie man das am sinnvollsten macht.

Wenn das Geschäft wächst, dann gibt dort viele gute Tipps, wie man sinnvoll unterteilt, Leute nach harten Kriterien als Leiter aussucht, auch gerne mal einen Spezialisten oder eine erfahrene Führungskraft von einem Konkurrenten abwirbt. Wichtig ist bei allem, was man an- und umbaut an der Organisation, dass es danach besser läuft, als vorher.

Ein besonderes Buch, dass ich allen Chefs ans Herz lege, ist die Bibel. Vor allem die Apostelgeschichte. Dort wird mit sehr vielen Details beschrieben, wie der engste Kreis um Jesus, die Zwölf, wie sie dort heißen, die erste Gemeinde gründen, missionieren, Gemeindewachstum begleiten, soziale Dienste ins Leben rufen und mit Konflikten innerhalb und außerhalb der Gemeinde umgehen müssen.

Klar, die gesamte Bibel ist voller guter und schlechter Beispiele für Führungskräfte. Die Apostelgeschichte hat jedoch den Charme, dass wir dort Menschen finden, die aus Lebenssituationen kommen, die wir heute auch so kennen, mit Problemen und Lösungen, die uns näher erscheinen, als manch andere Stelle in der Bibel.

Im Kapitel 6 finden wir so eine Situation:

Die Gemeinde in Jerusalem war in kurzer Zeit stark gewachsen. Immer noch lag an den 12 Gründungs-Aposteln, die Gemeinde zu leiten, zu predigen, Gottesdienste zu halten und auch die Sozialdienste zu koordinieren.

Bei ihnen lag praktisch alles, um das man sich in einer Kirchengemeinde kümmern musste, möglicherweise noch etliches mehr, da die Gemeinde im Wachstum war.

Jedes neue Gemeindeglied wollte eingebunden werden, es mussten ständig neue, größere Räume für Versammlungen gefunden werden, und im Zentrum stand der Auftrag Jesu, seine frohe Botschaft zu erzählen, dass möglichst viele Menschen zum Glauben kommen. Menschen, egal, wer sie sind.

Gut, in den allermeisten Fällen waren das Juden. Eine gewisse Anzahl der neuen Mitglieder waren hellenistische Juden, Menschen also, die aus dem griechischen Kulturkreis kamen, meist griechisch sprachen und sich auch anders benahmen. Und einer der karitativen Dienste in der Gemeinde war, eine Art Tafel, eine Versorgung der Witwen mit dem Nötigsten. Das war vor allem für Witwen etwas sehr wichtiges, weil sie oft nach dem Tod des Mannes komplett ohne Versorgung dastanden.

Es war den Aposteln wichtig, dass innerhalb der Gemeinde echte Christusliebe wirklich praktiziert wird, und allen Witwen so gut es ging geholfen wird. Aus anderen Kapiteln der Apostelgeschichte wissen wir, dass die Gemeinde das Teilen der Güter untereinander sehr ernst nahm.

Nun aber passierte etwas eigentlich vollkommen normales: Die Apostel waren zwar zu zwölft, aber halt auch nur zwölf, und es kam der Punkt, an dem auch zu zwölft nicht mehr alles mit gleicher Qualität zu schaffen ist. Ausgerechnet die Witwen auf Seiten der griechisch sprachigen Juden wurden vergessen bei der täglichen Versorgung! Schnell kam es Murren, dass es wohl Gemeindemitglieder erster und zweiter Klasse gäbe.

Die Zwölf mussten handeln. Sie hatten mehrere Möglichkeiten.

So hätten sie zum Beispiel das Murren ignorieren können. Bei einer Gemeinde im Wachstum kann sowas schon mal vorkommen und irgendwie hätte sich da schon einer drum gekümmert. Vielleicht noch aus der Ferne zugucken und erst reagieren, wenn es nicht mehr anders geht. Aussitzen nennt man das heute.

Eine andere Möglichkeit wäre auch gewesen, zwar einzugestehen, dass manches gerade nicht rund läuft, den Fehler aber eher außerhalb der eigenen Organisation zu suchen, vielleicht bei den griechischen Juden selbst, die sich da an die eigene Nase fassen sollten und proaktiv die eigenen Witwen besser versorgen sollten. Oder es liegt einfach daran, dass es eigentlich zu viele Witwen bei den griechischen Juden gibt. Heute ist das eine Art der Kommunikation, die nichts ändert, aber die Unternehmensleitung gut aussehen lässt. Ja, die 12 sind in gewisser Weise Unternehmer. Die Strategie und der Auftrag kommt von Gott.

Eine andere Möglichkeit wäre auch gewesen, zwar einzugestehen, dass manches gerade nicht rund läuft, den Fehler aber eher außerhalb der eigenen Organisation zu suchen, vielleicht bei den griechischen Juden selbst, die sich da an die eigene Nase fassen sollten und proaktiv die eigenen Witwen besser versorgen sollten. Oder es liegt einfach daran, dass es eigentlich zu viele Witwen bei den griechischen Juden gibt. Heute ist das eine Art der Kommunikation, die nichts ändert, aber die Unternehmensleitung gut aussehen lässt. Ja, die 12 sind in gewisser Weise Unternehmer. Die Strategie und der Auftrag kommt von Gott.

Oder, sie hätten Berater für Gemeindebau rufen können, die dann die Gemeinde mal umstrukturiert hätten, die Störer aus der Gemeinde entfernt hätten und zugleich Führungskräfte aus anderen Gemeinden einstellen können, ein paar Pharisäer. Die kannten sich schließlich sehr gut mit dem Teilen aus (vgl. Matth. 23).

Die Zwölf hätten als harte Manager reagieren können und recht schnell die erste Gemeinde in eine toxische Organisation umkippen können. Keine echte Liebe mehr, nur noch kalte Effizienz. Kein Verzeihen mehr, nur noch abstreiten und aussitzen von Verantwortung.

Und hier setzt das Lehrstück für heutige Führungskräfte an. Die 12 tun genau das richtige!

Die 12 stellen sich vor die versammelte Gemeinde und sprechen offen an, was in der Gemeinde vor sich geht.

Sie sprechen aber auch offen an, was ihnen wichtig ist, nämlich die Verbreitung des Wortes. Die Versorgung der Witwen ist es auch, aber der Auftrag der Wortverkündung darf darunter nicht leiden. Sie erklären klar, dass sie als 12er Leitungsteam sich auf das Wort konzentrieren wollen. Einfach, weil sie das am besten können.

Die Versorgung der Witwen soll in kompetentere Hände gelegt werden, und dafür darf die Versammlung 7 Männer bestimmen, die voll Geist und Weisheit sind sowie einen guten Ruf haben. Männer also, denen man dieses Amt zutraut. Leute, die durch ihre Art auch weitere Menschen anziehen, bei der neuen Aufgabe mitzumachen. Männer, die den Auftrag Jesu verstanden haben, die dienen wollen und nicht einfach ein prominentes Amt haben wollen. Männer, die in der Gemeinde gewachsen sind, die man kennt. Männer, die der Gemeinde und Gott dienen wollen.

Und man findet die 7 Männer, den Namen nach wohl alle selbst griechische Juden. Einer davon ist Stephanus, der später gesteinigt wird.

Und ganz wichtig: Es bleibt nicht dabei, die neue Organisation ernannt zu haben. Sie wird noch dem Gebet und dem Segen Gottes unterstellt. Erst dann kann sie wirken.

Die Rechnung geht auf! Die Gemeinde wächst schneller als vorher und das Problem war gelöst.

In welcher Organisation wollen wir sein? In einer toxischen? Jeden Morgen gehen wir mit Magenschmerzen hin und sind froh, wenn der Tag um ist. Die Zahlen passen, aber die Menschen, egal ob Mitarbeiter oder Führungskräfte brennen innerlich aus, der Urlaub wird zur Flucht aus der Organisation.

Oder träumen wir nicht von einer Organisation, wie sie Kraft des Heiligen Geistes und mit Jesus in der Mitte damals in Jerusalem entstanden ist? Tätige Liebe im Auftrag, aber auch im Miteinander. Liebe in der Wahrnehmung der Menschen, ihrer Unterschiedlichkeit und ihrer Probleme. Gemeinsames Gebet und Segnung der gefundene Lösung. Die Organisation als lebendiger Leib Christi.

Ein Traum? Etwas, das wir nur, wenn überhaupt im geschützten Biotop einer Kirche vorfinden? Nein, mitnichten! Es gibt sie tatsächlich, diese durch Liebe gewirkten Organisationen, heute, außerhalb von Kirchen oder ähnlichem. Es gibt sie, sogar mit großem geschäftlichen Erfolg.

Vielleicht kann ich in einem weiteren Update noch etwas mehr dazu schrieben. Seid gespannt.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 174 vom 05.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gut oder Böse?

„Einer für einen – alle für einen“. Das war der Leitsatz der drei Musketiere. Ich habe davon gestern geschrieben. So schön dieser Satz klingt und auch richtig ist. Als Erwachsener habe ich mich vor allem als Pfarrer in Alerheim von 1988 – 1996 ein bisschen mehr mit dem 30-jährigen Krieg befasst. Irgendwie hat mir die Rolle von Kardinal Richelieu als der böse Schurke nicht gefallen. Die Rollen sind in diesem Film zu klar und eindeutig verteilt und ich wollte die geschichtlichen Ereignisse hinter diesen Film näher anschauen.

Kardinal Richelieu war Premierminister mitten in diesen grausamen Krieg des 17. Jahrhunderts. Weil der damalige französische König Ludwig XIII. wohl ein eher schwacher Regent war, musste sich Richelieu um die Stärkung der Zentralmacht kümmern. Diese lag im politischen Kampf mit den Habsburgern und damit mit dem „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“. Die Fehde zwischen Frankreich und Deutschland reicht also weit zurück. Der Kardinal war ein kluger Staatsmann und sehr guter Stratege. Als die Schweden die Schlacht bei Nördlingen am 5./6. September 1634 verloren hatten, erkannte Richelieu die Gefahr für sein Land. Als katholischer Kardinal schickt er militärische Truppen gegen den Papst und den katholisch geprägten Habsburgern. Spätestens an dieser Stelle wird sichtbar, dass selbst der 30-jährige Krieg kein „Konfessionskrieg“ oder „Glaubenskrieg“ war. Allerdings wird die Religion oft missbraucht, um Emotionen und Ängste zu schüren (siehe mein Update 141 vom 03.08.2020).

Kardinal Richelieu war also keinesfalls der Böse, wie er im Film „Die drei Musketiere“ hingestellt wird. Er hat seine Verantwortung als Ministerpräsident wahrgenommen und klug politisch gehandelt. Er war auch nicht der finstere Gegenspieler des Königs. Das erkenne ich auch daran, dass er von König Ludwig XIII. eine eigene militärische Leibwache erhalten hat. Natürlich hat er politische Gegenspieler ausgeschaltet. Er hat die Hugenotten bekämpft, die in Frankreich zu der Zeit einen Art „Staat im Staate“ hatten.

Diese Seite von Kardinal Richelieu will ich nicht leugnen. Auf der anderen Seite ist es diesem katholischen Staatsmann zu verdanken, dass nicht ganz Europa und vor allem auch nicht ganz Deutschland wieder rekatholisiert wurde. Vielleicht denken Sie daran, wenn der Film „Die drei Musketiere“ wieder einmal im Fernsehen läuft. Und wie bin ich auf diese Impulse gekommen? Am 09.09.1585 und damit fast genau heute vor 435 Jahren ist dieser Staatsmann geboren und hat in diesem Jahr ein Jubiläumsjahr. War er gut? War er böse?

Und warum denke ich jetzt an Bil Gates? Vor fünf Jahren hat er eine große Stiftung gegründet. Sein Ziel ist es, dass vor allem Kinder in ärmeren Ländern durch Impfungen geholfen werden soll, damit sie keine Krankheiten bekommen sollen, die für sie lebensgefährlich sind. Jetzt wurde er für viele zum großen Feindbild. Die Coronaepidemie ist nur ein Fake, damit seine Sichtweise der Welt sich durchsetzen kann. Mit dem Forschen nach einem Impfstoff gegen den Virus hat er die Möglichkeit, diese Welt „zu erobern“ und eine Art Weltmacht zu installieren. Ich habe diese Ansicht auch von einigen Christen gehört. Es wird auf das Interview mit ihm in der Tagesschau im April dieses Jahres verwiesen. Ich habe es mir angehört. Diese Behauptung über ihn finde ich darin nicht bestätigt. Ist er gut? Ist er böse. Auch hier gilt vermutlich das Wort von Jesus aus dem Matthäusevangelium: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 7, 1).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 173 vom 04.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Einer für alle – Alle für einen

Meine Fernsehzeit als Kind war sehr überschaubar. Es gab nur drei Programme. Im Sommer gab es für Fernsehschauen kaum Zeit. Die Arbeit auf dem Hof dauerte oft bis in die Nacht hinein. Und wenn wir Kinder in unserem Dorf Zeit hatten, dann spielten wir Fußball oder gingen zum Baden in den nahegelegenen Feuerlöschteich. Wenn sich die Familie vor allem im Herbst und Winter vor dem Fernseher versammelte, dann musste geregelt werden, welche Sendung geschaut werden soll. In Zeiten von Mediatheken, Smartphones und Netflix ist das kaum mehr nachvollziehbar.

Bei uns waren vor allem Quizsendungen angesagt wie z.B. „Alles oder nichts“ oder auch Familiensendungen wie z.B. „Einer wird gewinnen“ mit H.J. Kulenkampf, „Der goldene Schuss“ mit Lou van Burg und auch „Vergißmeinicht“ mit Peter Frankenfeld. Diese Sendung hatte noch den großen Vorteil, dass sie pädagogisch ausgerichtet war. Es wurden nämlich die Postleitzahlen eingeführt und die Bevölkerung sollte daran erinnert werden, bei Briefen die Postleitzahl nicht zu vergessen. Diese Umstellung auf die Postleitzahlen fiel vielen Menschen in Deutschland sehr schwer. Gewohntes und Traditionelles wird eben nur ungern verändert. Neben den klassischen Filmserien wie „Flipper“, „Fury“, „Lassie“ usw. gab es nur wenige Filme, die wir Kinder anschauen durften. In Erinnerung bleiben mir Abenteuerfilme, die mit Geschichte viel zu tun hatten. Darunter fallen z.B. „Ivanhoe“ oder auch „Robin Hood“. Auch wenn bei beiden der Wahrheitsgehalt durchaus hinterfragbar war, so haben sich bei mir dadurch Bilder vom den „Kreuzzügen“ eingeprägt.

Ein Film hat mich aber besonders bis heute beeindruckt: „Die drei Musketiere“. Dieser Roman von Alexandre Dumas über D`Artagnan und seinen drei Freunden Athos, Porthos und Aramis zeigt in beeindruckender Art und Weise, was das Miteinander im Kampf gegen den Feind bewirken kann. Mit ihrer Freundschaft schaffen sie es, den französischen König Ludwig XIII. vor dem Umsturz durch Kardinal Richelieu zu retten. Am Schluss gewinnt D´Artagnan die Frau seiner Liebe und wird in den Kreis der Musketiere aufgenommen. Es kommt zum wichtigen Happy End. Die Handlung selbst ist durchaus spektakulär und aufregend. Die Einzelheiten kann sich kaum jemand merken.

Nicht zu vergessen ist aber der Leitsatz der Musketiere: „Einer für alle – Alle für einen“. Wie oft habe ich ihn seither schon gehört und selbst angewandt. Beim Sport, in der Politik, beim Umsetzen einer neuen Idee – dieses Motto taugt für viele Gelegenheiten. Auch in der jetzigen Coronapandemie habe ich ihn schon gehört. Für ein erfolgreiches Bestehen in dieser Krise ist er auch notwendig. Nur im Miteinander kann diese Krise weltweit gelöst werden. Ich bin gespannt, ob das in unserem Land und weltweit gelingen wird. Ich denke da auch an die Menschen in den ärmsten Ländern dieser Welt. Werden sie die nötigen Hilfe erfahren? Jede Sache hat eben seine zwei Seiten. Und das ist auch bei diesem Film „Die drei Musketiere“ so. Aber davon morgen mehr. Denn es hat schon seinen bestimmten Grund, warum ich dieses Update mit diesem Titel gewählt habe.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, update 172 vom 03.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Die Bernsteinhexe

In dieser Coronakrise gab es sehr viele Hilfeleistungen. Ganz am Anfang Mitte März wurden Helfer/-innen zu vielen Gelegenheiten gesucht. Viele vor allem ältere Menschen blieben zu Hause und trauten sich nicht mehr auf die Straße. Einkaufsmöglichkeiten wurden von Vereinen und Privatmenschen angeboten. Fast jeden Tag stand ein Bericht von Menschen in der Zeitung, die Masken genäht haben. Ein Verantwortlicher der Diakonie hat mir gesagt: „Wir haben viele Helfer, aber wir haben noch wenige, die solch ein Angebot in Anspruch nehmen. Aber das ist immerhin besser als umgekehrt“. Es ist manchmal eben nicht so leicht, helfen zu wollen. Und manchmal sind Helfer/-innen sogar frustriert, wenn ihre Hilfsangeboten nicht angenommen werden. Die Geschichte lehrt, dass es noch schlimmer kommen kann.

Ein Beispiel dafür ist die sog. „Bernsteinhexe von Usedom“. Ihre Geschichte ist der wichtigste Roman des Schriftstellers und Pfarrers Wilhelm Meinhold (1797 – 1851). Darin wir die Geschichte der „Pfarrerstochter zu Coserow“ erzählt. Meine Frau und ich waren nach acht Jahren wieder einmal auf dieser besonderen Insel an der Ostsee. Mitten auf der größten Erhebung in der Mitte der Insel, dem Streckelsberg (mit 58 m!!!) finden sich Spuren dieser Frau. Im dreißig-jährigen Krieg brachten die kaiserlichen Truppen viel Leid und Elend über die Menschen auf Usedom. Der Koserower Pfarrer Abraham Schweidler und seine Tochter Maria versuchen die Not zu lindern. Sie verkaufen Bernstein, der auf dem Streckelsberg gefunden wurde. Vom Geld erwerben sie Brot für die hungernden Koserower. Maria wird vom Amtshauptmann Appelmann begehrt und bedrängt. Die 15-Jährige weist ihn ab. Der Amtshauptmann ist verletzt und versucht das Mädchen zu schädigen. Er nimmt den unerklärlichen Geldbesitz Marias her, um sie der Hexerei zu bezichtigen. Sie erleidet unter den Ritualen der Hexenverfolgung Folter und Qualen. Am 30. August 1630 und damit genau fast heute vor 390 Jahren wird sie zum Scheiterhaufen geführt. Da kommt Graf Rüdiger von Nienkerken, befreit sie aus ihrer Not und nimmt sie zur Frau.

Dieses Tafel steht auf dem Streckelsberg zwischen Koserow und Kölpinsee und bringt die Geschichte in Kurzfassung.

Ich habe bei unserem diesjährigen Besuch bei Freunden in Koserow nachgefragt, ob diese Geschichte wirklich passiert ist. Die Freunde antworteten: „Vermutlich nicht so wie beschrieben. Aber sie hat sicherlich einen Wahrheitskern“. Immerhin lehrt sie uns, wie „Gutes tun wollen“ ins Gegenteil schlagen kann. Mir ist es deshalb wichtig zu erkennen, dass auch bei einem guten Motiv nicht immer das gute Handeln gewürdigt wird. 

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 171 vom 02.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Bewahre uns Gott

Es war wohl das am meisten gespielte Lied in kirchlichen Kreisen am Anfang der Coronakrise. Immer und immer habe ich es gehört. Meist ist es am Schluss eines Gottesdienstes eingespielt oder auch von höchstens zwei Leuten gesungen worden. Offenbar drückt dieses Lied eine Stimmungslage und ein Bitte um Bewahrung von Gott in Notzeiten aus wie kaum ein anderes Lied. „Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott“. Es steht unter der Nr. 171 im evangelischen Gesangbuch und deshalb wird es heute erwähnt.

Dieses Lied spricht in einer besonderen Art und Weise den Segen Gottes an. Die Bilder dieses Liedes sehe ich konkret vor meinen Augen. Ich spüre, wie dieses Lied über die Völker dieser Welt den Schutz Gottes herbeisehnt. Im letzten Vers wird die Bitte um den Hl. Geist ausgesprochen. Nur er vermag es, dass Leben verheißen wird und ich getrost meinen eigenen Weg gehen kann. Ich zitiere aus einer Predigt vom 29.03.2020: „Ich glaube, dass die Menschheit Gottes guten Geist gebrauchen kann, um in dieser schweren Krise den Kopf und vielleicht noch viel mehr das Herz nicht zu verlieren. Um solidarisch zu bleiben und barmherzig“.

Dieses Lied stammt aus Argentinien und wurde durch den Kirchentag von Eugen Eckert auch bei uns bekannt gemacht. Im neuen Gesangbuch stehen ja vermehrt solche ökumenische Lieder aus aller Welt, z.B. EG 600: „Singt Gott, unserm Herrn“. Das erinnert mich daran, dass ich mit Christinnen und Christen aus aller Welt verbunden bin. Solch ein Lied hilft mir, den Blick zu weiten und wahrzunehmen, dass überall auf dieser Welt Christus verkündigt wird. Christen in anderen Erdteilen haben eben eine andere Sprache und andere Melodien, um ihren Glauben weiterzugeben und um Gott zu preisen. Und deshalb soll jetzt der Blick nur noch auf den Text dieses Liedes gehen:

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns auf unsern Wegen. Sei Quelle und Brot in Wüstennot, sei um uns mit deinem Segen.

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns in allem Leiden. Voll Wärme und Licht im Angesicht, sei nahe in schweren Zeiten.

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns vor allem Bösen. Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft, sei in uns, uns zu erlösen.

Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns durch deinen Segen. Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt, sei um uns auf unsern Wegen.

Wenn Gott will, steht (noch) manches still, Update 170 vom 01.09.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Kannst Du das Meer auslöffeln?

Schon zweimal habe ich in diesem Rahmen in den letzten Tagen vom Kirchenvater Augustin geschrieben, der in diesen Tagen den 590. Todestag hatte. Kein anderer Theologe aus der Alten Kirche ist so wichtig wie dieser Bischof von Hippo. Von ihm wird eine Legende erzählt, die viel von seinem Denken verrät und die der ein oder andere vielleicht auch schon kennt.

„Man erzählt von ihm (= Augustin), dass er, zu der Zeit, als er das Buch über die Dreifaltigkeit vorbereitete, an einem Strand entlangging. Da erblickte er einen Knaben, der eine kleine Grube im Sand gemacht hatte und mit einem Löffel Wasser aus dem Meer schöpfte und in die Grube goss. Als Augustinus ihn fragte, was er da mache, antwortete der Knabe, er habe vor, mit dem Löffel das Meer trockenzulegen und in die Grube zu füllen. Augustinus erklärte, das sei unmöglich, und lächelte über die Einfalt des Knaben. Der aber erwiderte ihm, eher sei es für ihn möglich, das fertigzubringen, als für Augustinus, in seinem Buch auch nur den kleinsten Teil der Geheimnisse der Dreifaltigkeit zu erklären. Und er verglich die Grube mit dem Buch, das Meer mit der Dreifaltigkeit und den Löffel mit dem Verstand des Augustinus. Danach verschwand er. Da ging Augustinus in sich, betete und verfasste danach, so gut er konnte, das Buch über die Dreifaltigkeit“.

Und noch ein paar weitere Zitate von Augustin zum Nachdenken:

„Auferstehung ist unser Glaube, Wiedersehen unsere Hoffnung, Gedenken unsere Liebe“.

„Aus Gottes Hand empfing ich mein Leben, unter Gottes Hand gestaltet ich mein Leben, in Gottes Hand gebe ich mein Leben zurück“.

„Bete, als hinge alles von Gott ab. Handle, als hinge alles von dir ab“.

„Das Wort Gottes gleicht einer Fischangel, die dann ergreift, wenn sie ergriffen wird“.

„Der Mensch kann nur glauben, wenn er will“.

„Die Menschen klagen darüber, dass die Zeiten böse sind. Hört auf mit dem Klagen. Bessert euch selber. Denn nicht die Zeiten sind böse, sondern unser Tun“.

„Die Toten sind nicht tot, sie sind nur nicht mehr sichtbar. Sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer“.

„Die Worte der Schrift sollten in unseren Köpfen und Herzen Nester haben“.

„Eine Regierung ohne Gott ist im besten Falle eine einigermaßen gut organisierte Räuberbande“.

„Wer die Geduld verliert, verliert die Kraft“.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 169 vom 31.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wir schaffen das – hoffentlich

Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das“. Dieser Satz von Angela Merkel am 31.08.2015 und damit genau heute vor fünf Jahren gehört wohl zu den bekanntesten und nachhaltigsten Sätzen, die je in Deutschland gesprochen worden sind. Das erkenne ich daran, dass er bis heute heftig und kontrovers diskutiert wird und dass ihn fast jeder Deutsche kennt und darüber hinaus auch viele in der Welt.

Ich habe vor einer Woche einen interessanten Rundfunkkommentar gehört. Darin beschreibt der Kommentator, dass tatsächlich viele – vor allem männliche Flüchtlinge – sehr gut in Deutschland integriert sind. Viele Familien haben eigene Wohnungen gefunden und die sog. Flüchtlingsheime haben stark abgenommen. In der Schule bemerke ich, dass viele Kinder von Flüchtlinge mittlerweile sehr gut Deutsch sprechen. Vor zwei Woche kam ich darüber ins Gespräch mit einer Kurdin, die mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Sie hat zwei Kinder und die große Tochter kommt in diesem Jahr in die Grundschule von Altensittenbach. Ich habe sie danach gefragt, ob mit den Kindern deutsch gesprochen wird. Ihre Antwort war für mich interessant und deckt sich auch mit meinen eigenen Beobachtungen. „Zu Hause sprechen wir mit ihr kurdisch, im Kindergarten und mit Freunden sprechen die Kinder deutsch. Die deutsche Sprache können sie sehr viel besser als die kurdische Sprache“. Ich entdecke: Die Familie hilft mit, dass Integration gelingt.

Wir schaffen das“ – ich habe in diesen Coronazeiten oft über diesen Satz nachgedacht. Schaffen wir es auch, diese Pandemie so zu überwinden, dass nicht erst in weiter Zukunft ein einigermaßen normales Leben wieder möglich ist? Wer schenkt uns dazu Kraft und die notwendige Einstellung und Motivation? Meine Gedanken gehen zurück an die Geschehnisse vor 2000 Jahren in Galiläa. Jesus versammelt seine Jünger um sich und verabschiedet sich von ihnen. Es kommt zu den berühmten Worten „Matthäi zum Letzten“. Es ist der Missionsbefehl: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 19 – 20).

Jesus sagt das zu elf Jüngern. Das ist einer weniger als die ursprünglich Berufenen. Viele von ihnen waren einfach Leute wie z.B. Fischer. Und dann solch ein Auftrag!! Heute sprechen wir von einem „globalen“ Auftrag für die ganze Welt. Menschlich gesehen sind diese elf Männer damit völlig überfordert. Diesen Auftrag auszuführen war wie eine Herkulesaufgabe. Fast alle Jünger sind dem Märtyrertod gestorben. Aber sie wussten: Jesus hat sie dazu gesandt. Von ihm her bekommen wir die Kraft, die nötig ist. Und das ist auch eine Verheißung für die Verantwortlichen dieser Zeit: Überlegt, diskutiert und beschließt im Namen von Jesus Christus. Seine Gegenwart geht mitten in dieser Krise nicht verloren (siehe auch Update 165 vom 27.08.2020).

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 167 vom 29.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein bisschen Schläue gehört auch zu einem Examen

Kannst Du mir ein paar Tipps für das erste Examen geben?“ Diese Frage richtete ich an einen Mitstudenten, der gerade diese Prüfung hinter sich gebracht hatte und darauf wartete, dass ihm sein Ort für das Vikariat mitgeteilt wird. Er überlegt nicht lange. „Versuch rechtzeitig heraus zu bekommen, welche Prüfer du in den einzelnen Fächer haben könntest. Und wenn welche von der theologischen Fakultät in Erlangen dabei sind, dann gehe in ihre Vorlesungen. Dann erfährst Du etwas über ihre Art des Denkens und über ihre Vorlieben für Theologen“.

Ein sehr guter Rat, den ich als Erlanger Student sofort umgesetzt habe. Und so habe ich schon acht Monate vor den Prüfungen im Landeskirchenamt angerufen und die Namen der Prüfer (es waren keine Frauen dabei!!) erfahren. Weil wir 1982 80 Examenskandidaten waren (eine Traumanzahl im Vergleich zu heute), wurden mir für jedes Fach zwei Prüfer genannt. Immerhin war damit die Chance noch 50 %, einen Prüfer aus Erlangen zu erwischen.

Ein Treffer ins Schwarze war der Bereich „Kirchengeschichte“. Ich habe bei Prof. Beyschlag zwei Semester lang die Vorlesung zum Bereich „Alte Kirche“ gehört. Ungefähr 70 % des gesamten Inhaltes befassten sich mit dem Kirchenvater Augustin (siehe mein gestriges Update 166). Ein Satz von ihm ist mir dabei ganz haften geblieben. „Augustin war der größte Mystiker der Kirchengeschichte“. Das Examen kam. Es werden immer zwei Themen angeboten. Das erste Thema hieß: „Die Reformationsgeschichte von 1521 – 1530“. Da wusste ich schon etwas. Aber ich dachte mir: Da darf ich keine Kleinigkeit vergessen. Da muss ich jedes Ereignis nennen. Naja. Schau ich mal auf das zweite Thema: „Die Mystik im Laufe der Kirchengeschichte“. Dieses Thema war also das glatte Gegenteil vom ersten Thema. Bei diesem zweiten Thema ging es um einige Grundzüge von Jesus bis zur gegenwärtigen charismatischen Bewegung, die ich selbst von innen kannte. Ich überlegte mir kurz: Die meisten werden wohl das erste Thema nehmen, weil nicht viele über die Mystik Bescheid wissen. Aber ich hatte den Satz von Prof. Beyschlag im Kopf und wusste sehr viel über den Kirchenvater.

Also schrieb ich insgesamt sieben von 13 Seiten über Augustin mit dem Schlussergebnis: „Augustin war der größte Mystiker der Kirchengeschichte“. Im Hinterkopf hatte ich: Sollte ich Wesentliches vergessen habe, so stimmt immerhin der Schluss und das wird Prof. Beyschlag doch wohl honorieren. So war es dann auch. Nur vier von den über 80 Examenskandidaten haben das Thema „Mystik“ genommen und ich habe eine sehr gute Note bekommen, auf die ich auch ein wenig stolz war. Von daher habe ich den Hl. Augustin sehr viel zu verdanken.

Und bis heute wirkt er anregend auf mich, auch wenn viele seiner Thesen durchaus anders beurteilt werden können. Aber seine theologische Leistung ist so herausragend, dass ich noch heute diese Vorlesungen von Prof. Beyschlag in guter Erinnerung habe und viele Zitate dieses Kirchenvaters zum Nachdenken anregen.

Hier zwei Beispiele: „Die Seele nährt sich von dem, worüber sie sich freut“ und „Gott sieht die Welt als wäre sie ein einzelner und er sieht den einzelnen, als wäre er die Welt“. Und sein bekanntestes Zitat als größter Mystiker der Kirchengeschichte lautet: „Ich hätte dich, Gott nicht gefunden, wenn Du, Gott mich nicht gefunden hättest“. Und in drei Tagen beim Update 170 gibt es noch ein paar mehr Zitate dieses großen Kirchenvaters.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 166 vom 28.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Das Kind der Tränen

Ein Mann von 31 Jahren geht abends durch die Straßen von Mailand. Er ist auf dem Weg nach Hause. Eigentlich könnte er ganz zufrieden sein. Nach einigem hin und her in seinem Leben, lebt er als Professor im Zentrum des römischen Kaiserreiches. Er wird oft als Festredner bei Geburtstagen und anderen Anlässen eingeteilt. Diese Funktion ist nach heutigen Maßstäben mit einem Regierungssprecher zu vergleichen Er lebt mit eine Frau in einer nichtehelichen Gemeinschaft zusammen und die beiden haben einen Sohn. Er trennt sich von der Frau. Er soll heiraten. Aber innerlich ist er der Meinung, dass er ehelos bleiben müsste in seinem Streben nach konsequenten Christsein. Er ist völlig verunsichert. Er steckt in einer tiefen Lebenskrise und sucht nach Antwort. Er spürt, dass er eine fundamentale und radikale Lebenswende braucht. Er hat dazu aber nicht den Mut.

Er ist allein im Garten und ringt um eine Entscheidung. Da ist es ihm als höre er eine Kinderstimme: „Tolle, lege“. „Nimm und lies“. Was soll er nehmen? Was soll er lesen? Er greift zur Bibel und schlägt sie auf. Was er liest, trifft ihn wie ein Schlag: „Lasst uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt“ (Röm 13, 13 – 14).

Er weiß sofort: Gott hat zu ihm deutlich gesprochen. Es kommt zur Lebenswende. Er entscheidet sich endgültig für Ehelosigkeit, gibt seinen Beruf als Redner auf und zieht sich mit Freunden und Verwandten auf ein Landgut zurück. Er informiert seine Mutter, die eine fromme Frau war und oft wegen des Lebenswandels des Sohnes geweint hat. „Die Tränen der Mutter haben mich gerettet“ formuliert er später in seinen Lebenserinnerungen. „Ein Kind solcher Tränen der Mutter kann nicht verloren gehen“ – so schreibt er. Er nimmt Taufunterricht und lässt sich am Ostersonntag 387 von Bischof Ambrosius in Mailand taufen. Die Mutter stirbt bald darauf. Aber sie hat noch erfahren, wie ihr Sohn diesen Lebenswandel vollzogen hat.

Gebildet und intellektuell war er. Sprachlich hat ihm niemanden etwas vorgemacht. Sieben Jahre später wird er Bischof von Hippo im heutigen Nordafrika. Bis heute ist er der Mann der Antike, dessen Leben wie bei keinem anderen offen vor uns steht. Denn er hat sein Leben selbst in einer geistlichen Autobiographie geschrieben. Und so kennen wir den Kirchenvater Augustin fast in allen Einzelheiten. „Confessiones“ nennt er seine Lebensbeschreibung. „Bekenntnisse“ – das waren und sind sie auch.

Er wird damit bis heute zum Urbild all jener Christen, die den Wandel ihres Lebens vor und nach dem Ja zu Christus in alle Einzelheiten beschreiben. Ich selbst habe das so nicht erlebt. Ich bin schon als kleines Kind mit Jesus aufgewachsen und habe mein Ja zu Christus an der Konfirmation ganz bewusst gesagt. Aber ich kenne Menschen, die das so ähnlich wie Augustin erlebt haben.

Über seine einzelnen theologischen Meinungen lässt es sich trefflich streiten. Aber er hat Einfluss über Jahrhunderte bis heute auf viele geistliche Menschen genommen. Nicht zuletzt auch auf Martin Luther, der in ein Kloster der Augustiner-Chorherren eingetreten ist. Aber eines bleibt festzustellen: Aus der Krise heraus hat Augustin ein neues Leben gefunden. Heute vor genau 1.590 Jahren, am 28.08.430 n. Chr. ist er gestorben. Deshalb ist heute sein Heiligengedenktag. Und weil seine Mutter Monica mit ihrem Glauben und mit ihren Tränen für den Sohn solch einen großen Einfluss hatte, hat man den Tag vorher, den 27.08. ihr gewidmet. Das vielleicht berühmteste Zitat von Augustin lautet: „Mensch, lerne tanzen, sonst können die Engel im Himmel mit dir nichts anfangen“.

Wenn Corona will, steht (noch) manches still, Update 165 vom 27.08.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gott ist gegenwärtig

Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfrucht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder“.

Dieses bekannte Lied von Gerhard Terstegen steht unter der Nr. 165 im Evangelischen Gesangbuch. Es hat mich heute für das Schreiben von Update 165 inspiriert. Terstegen hat es 1729 in seinem “Geistlichen Blumengärtlein inniger Seelen“ veröffentlicht. Mit der Melodie von Joachim Neander gehört es für mich zu den schönsten alten Chorälen. Terstegen gehört zu den bedeutendsten evangelischen Mystikern überhaupt. Deshalb hat er viele Gegner gehabt und nur wenige seiner Lieder sind im Gesangbuch übernommen worden. Evangelische Christen haben jahrelang einseitig Wert auf das Wort gelegt und andere Gedanken sind kaum zum Zug gekommen.

Wer das Lied genau liest, dem fällt vermutlich vor allem der Vers fünf auf: „Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben. Meer ohn Grund und Ende, Wunder aller Wunder: ich senk mich in dich hinunter. Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden“. Terstegen beschreibt als letztes Ziel des Glaubens die Sehnsucht des mystischen Einswerdens mit Gott. Heute gehen auch viele evangelische Christen zu ignatianischen Exerzitien, üben das sog. Herzensgebet und üben in der Stille das „Hören auf Gott“. Ich bin darüber sehr froh. Mir selbst liegt die Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes sehr nahe und ich fühle mich wohl, wenn biblische Sprüche und Gedanken mein geistliches Leben bereichern. Aber das ist oft „kopflastig“. Gerhard Terstegen hilft mir, immer wieder zu sehen, dass das Wort der Bibel mich ganzheitlich betrifft.

Vor allem hilft mir dieses Lied auch daran festzuhalten, dass auch in Krisenzeiten die Gegenwart Gottes größer ist als alle Angst. Und wenn jemand in mystischer Versenkung diese Gegenwart Gottes in besonderer Art und Weise für sich spürt, finde ich das sehr gut. Gott hat viele Wege, Menschen anzusprechen. Und bei diesem Lied von Gerhard Terstegen wird der Abstand von Gott als personales Gegenüber zum Menschen ja nicht aufgehoben. Paulus sagt in seiner Areopagrede in Athen: „…fürwahr, er (Gott) ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir“ (Apostelgeschichte 17, 27b – 28a).