Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 340 vom 18.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Wir sind Bettler, das ist wahr

Heute ist der 18.02.2021. Heute vor genau 475 Jahren, am 18.02.1546 ist Martin Luther in seiner Geburtsstadt Eisleben. Er hat eine Mediation nach einem Streit der beiden Mansfelder Grafen gut zu Ende führen können. Noch drei Tag vorher (siehe mein gestriges Update Nr. 339) hat er in einem Brief an seine Frau seine Freude über die baldige Heimkehr zum Ausdruck gebracht. Aber es sollte anders kommen. Wir kennen die Situation bis in kleinste, weil diese von Justus Jonas und Michael Cölius genau festgehalten worden sind.

Am Tag vorher, den 17.02.1546 sollen die Verhandlungsergebnisse protokolliert werden. Luther scherzt mit den Worten: „Ich will heimziehen und mich in den Sarg legen und den Würmern den Leib zu verzehren geben!“. Diese sarkastischen Worte sollten bald Wirklichkeit werden. Abends gegen 8 Uhr geht er in sein Stüblein um zu beten und sich Schlafen zu legen. Seine beiden Söhne Martinus (14 Jahre alt) und Paulus (13 Jahre alt) folgen ihm. Plötzlich ruft Martin: „Mir ist so bange wie zuvor um die Brust!“ Seine beiden Freunde Justus Jonas und Michael Cölius geben ihm „Einhorn“ und reiben ihn mit warmen Tüchern ab. Martin fühlt Besserung. Um 9 Uhr schläft er etwa 90 Minuten. Er wacht auf und die Freunde sitzen immer noch am Bett. Er schläft bis die Uhr eins schlägt. Dann wacht er wieder auf und es friert ihn, obwohl die ganze Nacht das Feuer gebrannt hat. Luther sagt zu Jonas: „Ach, lieber Doktor Jonas, ich achte, ich werde hier zu Eisleben, wo ich geboren und getauft bin, bleiben“. Er legt sich in das Bett und klagt, dass ihn die Brust sehr hart drückt. Die Anwesenden fühlen, dass der Atem des Todes durch das Haus weht. Die zwei Ärzte von Eisleben werden geholt, Simon Wild und Dr. Ludwig. Kräuter werden gebracht um ihn zu stärken. Luther aber antwortet: „Lieber Gott, mir ist weh und Angst, ich fahre dahin, ich werde nun wohl zu Eisleben bleiben. Es ist ein kalter Todesschweiß, ich werde meinen Geist aufgeben, denn die Krankheit mehret sich“. Er betet lange und endet mit den Worten: „Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Gott der Wahrheit“. Die Chronisten schreiben: „Er tat einen tiefen, sanften Atem holen, mit dem er seinen Geist aufgab“.

Als es Tag geworden ist und die Spannung ein wenig nachgelassen hat findet man auf seinem Tisch einen Zettel von seiner Hand, wo er in einigen eilig hingeworfenen lateinischen Notizen die Unfähigkeit beklagt, in der Zeit eines menschlichen Lebens die Heilige Schrift zu begreifen, geschweige denn auszuschöpfen. Und dem fügt er in deutscher Sprache das Bekenntnis hinzu: „Wir sind Bettler, das ist wahr“. Und so gelten diese Worte als die letzten von Martin Luther.

Am 18.02.1996 waren es genau 450 Jahre her, dass Martin Luther gestorben ist. Überall wurden Gedenkgottesdienste gefeiert, weil es noch dazu ein Sonntag war. Ich habe den Gottesdienst damals ausschließlich mit Liedern von Martin Luther gefeiert. Ein besonderes Erlebnis für mich und den anderen Gottesdienstbesuchern.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 339 vom 17.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Auf ein Nimmer-Wiedersehen

Heute ist der 17.02.2021. Heute vor genau 475 Jahren, am 17.02.1546 weilt Martin Luther in seiner Geburtsstad Eisleben. Es haben ihn aber keine nostalgischen Gefühle hingetrieben. Im Gegenteil: Er hatte ganz schwierige Wochen hinter sich. Die beiden Mansfelder Grafen, die Herren seines Geburtsortes, sind zerstritten. Nachdem alle Versuche einer Einigung fehlgeschlagen sind, wird Martin Luther wie so oft in seinem Leben als Schiedsrichter angerufen. Heute würde man sagen: Er soll als Mediator fungieren.

Am 23.01.1546 nimmt er Abschied von seiner Frau, von seiner Familie und von seinen Freunden. Er reist von Wittenberg in seinen Geburtsort. Seine Lieben sollten ihn nicht mehr wiedersehen. Am 6. Februar beklagt er sich in einem Brief an Melanchthon über die festgefahrenen Verhandlungen: „Hier sitzen wir und liegen herum, müßig und geschäftig, lieber Philippus: müßig, indem wir nicht fertigbringen, geschäftig, indem wir Unendliches erdulden, da uns die Nichtswürdigkeit Satans übt“. Am 7. Februar schreibt er in einem Brief an seine Frau: „Meiner lieben Hausfrau Katharina Lutherin, Doktorin, Saumärkterin zu Wittenberg, meiner gnädigen Frau zu Händen und Füßen…Ich hatte heute im Sinn, den Wagen zu schmieren in meinem Zorn. Du kannst Dich damit trösten, dass ich Dich gerne lieben hätte, wenn ich könnte, Du weißt ja…“.

Am 10. Februar erzählt er „Der heiligen sorgfältigen Frau, Frau Katharina Lutherin, Doktorin, Zülsdorferin zu Wittenberg“ eine Geschichte, bei der er hätte leicht zu Tod kommen können. In seinem Gemach rieselt seit zwei Tagen über seinen Kopf Kalk und Lehm herab, bis sie Handwerker beauftragen, nach dem Rechten zu sehen. „Die rührten den Stein an mit zwei Fingern, da fiel er herab, so große wie eine langes Kissen und eine große Hand breit. Wir wollten nun gerne sofort los sein und heimfahren, wenn es Gott wollte! Amen. Eure Heiligkeit williger Diener M.L.“.

Aber Luther hält aus. Er bleibt in Eisleben und versucht vermutlich „über seine Kräfte hinaus“ zu schlichten. Endlich ist es am 14. Februar so weit. Der Streit ist geschlichtet. Er tut dies mit folgenden Worten kund: „Am Tag der Scholastica 1546. Meiner freundlichen lieben Hausfrau, Frau Katharina Lutherin von Bora, zu Wittenberg. Gnade und Friede im Herrn! Liebe Käthe, wir hoffen, diese Woche wieder heimzukommen, so Gott will. Gott hat große Gnade hier erzeigt“. Er ist bester Dinge. Er sorgt sich für das Wohl der Seinen und schreibt: „Ich schicke Dir Forellen, welche mir die Gräfin Albrecht geschenkt hat; die ist von Herzen froh über die Einigung“. Die Freude über die Vollendung des schwierigen Werkes der Mediation durchstrahlt den ganzen Brief. Er hat Vorfreude darauf, seine Frau nach der langen Trennung bald wieder zu sehen. Aber es sollte anders kommen.

Meine Schwägerin, Silvia Dörr, spielt auf dem Klavier das bekannte Weihnachtslied von Martin Luther „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Text und Melodie sind vom Reformator.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 338 vom 16.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ein paar Krapfen und das war es dann auch schon

Heute ist der Faschingsdienstag 2021. Geboren und aufgewachsen in einem tief protestantischen Gebiet, war für uns als Kinder dieser Tag fast ein Tag wie jeder andere. Halt! Es stimmt nicht ganz. Wir haben uns als Kinder vor allem als Cowboys und Indianer verkleidet. In der Regel haben die Cowboys gegen die Indianer beim Kampf immer gewonnen. Irgendwie fühlten wir uns dieser Gruppe näher als den „Rothäuten“. Hoffentlich bekomme ich jetzt keinen Shitstorm, wenn ich diesen Begriff verwende.

Ganz ehrlich! Ich habe mich in dieser Rolle als Cowboy schon vor über 50 Jahren nicht wirklich wohlgefühlt. Ich war auf der einen Seite nicht das abenteuerlustige Kind. Ich habe mich lieber ein wenig im Hintergrund gehalten und zugeschaut. Im Gegensatz zum Sport gehörte ich da nicht zu den Anführern. Auf der anderen Seite kannte ich als Kind natürlich auch die Winnetoufilme. Irgendwann wurde mir der erste Teil dieser Filmreihe als Quartett geschenkt. Noch heute sind mir diese Karten im Kopf, wenn ich wieder einmal Winnetou I schaue. Die Sympathien bei diesen Filmen sind bei mir eindeutig bei den Indianern und ihren „weißen“ Helfern wie Old Shatterhand oder Sam Hawkins. Das war für mich schon als Kind so. Aber das habe ich mit ungefähr neun Jahren nicht vor den anderen Spielkameraden thematisiert. Dafür war ich zu feige.

Anders war es bei einem bestimmten Brauch am Faschingsdienstag. Wir sind als Kinder durch das kleine Dorf gezogen und haben Faschingskrapfen erhalten. Dumm war nur, dass diese auch zu Hause gebacken wurden. Kein Kind hatte wirklich Freude daran, wenn er noch zusätzlich etwa 10 Krapfen erhalten hat. Ich erinnere mich, dass manche Familien ein 50-Pfennig-Stück gegeben haben. Das war uns tatsächlich lieber. Es wanderte in die Spardose, die damals ein wichtiges Utensil war. Denn immerhin gab es dafür so ungefähr 3 % Zinsen. Nach heutigen Maßstäben war das eine Traumzahl.

Das war es dann auch mit dem Faschingsdienstag. Wir sind nirgends zu irgendwelchen Veranstaltungen oder gar Kinderfaschingsnachmittagen hingegangen. Das alles vermisse ich bis heute nicht. Ich bin also eher der typische protestantische „Faschingsmuffel“. Außerdem gab es noch keine Faschingsferien. Am Aschermittwoch ging die Schule nach zwei Tagen Pause wieder an. Und da galt es dann, die Schulvorbereitungen am Abend vorher zu treffen. Und in diesem Jahr bekommen die Schüler/-innen ein klein wenig ein Feeling dafür, wie sich Faschingstage ohne Ferien anfühlen.

Das einzige Faschingsbild von mir, das ich in den Unterlagen gefunden habe.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 336 vom 14.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

„Großer Gott, wir loben Dich“ für das „Bier auf Hawaii“

Viele Updates habe ich jetzt geschrieben vom Sterbeprozess von Simon vor sieben Jahren. Jedes Jahr Anfang Februar werde ich besonders mit diesen Erinnerungen konfrontiert. Aber jetzt soll es dafür erst einmal genug sein.

Stattdessen stelle ich heute ein Rätsel. Was passiert da? Sie laufen einen Berg hoch und hören Musik. Ein schon älterer Mann spielt auf einem Akkordeon „Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier“. Sie laufen weiter auf einer Rundstrecke und kommen nach knapp einer halben Stunde wieder dort an. Der Musiker spielt „Großer Gott, wir loben Dich“. Sie laufen die Rundstrecke noch einmal und hören das Lied: „In München steht ein Hofbräuhaus“ auf dem Instrument. Sie stutzen ein wenig und laufen diese Rundstrecke noch einmal. Es erklingt „Ja, wenn der alte Peter“. Sie laufen zum sechsten und letzten Mal die Rundstrecke und hören das Lied: „Nun danket alle Gott“. Sie zeigen die Hand zum Gruß und der Musiker sieht, dass es ihnen gefällt.

Die Auflösung des Rätsels: Sie befinden sich auf der Nordic-Walking-Strecke am Tiergarten in Nürnberg. Sie walken insgesamt sechs Mal die Runde und waren dann knapp drei Stunden unterwegs bei einem Halbmarathon. So ist es mir im vergangenen September ergangen. Ich habe davon im Update Nr. 182 geschrieben. Dieses heutige Update hat die Nr. 336. Im evangelischen Gesangbuch stehen unter den Nummern um 330 viele solche Loblieder über Gott. Das hat mich zu diesem Update heute angeregt. Ich schmunzle heute noch, wenn ich an diesen Tag denke mit diesen unterschiedlichen Musikstücken. Aber ich habe es gleichzeitig auch als Ermunterung für diesen Laufwettbewerb gesehen. Ich habe mich auch gefreut, dass dieser Mann „mitten im Leben gestanden“ ist und solche weltliche und geistliche Musik dargeboten hat. Vermutlich gehört wirklich beides zusammen.

Großer Gott, wir loben dich; Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

Herr, erbarm, erbarme dich. Lass uns deine Güte schauen; deine Treue zeige sich, wie wir fest auf dich vertrauen. Auf dich hoffen wir allein: lass uns nicht verloren sein“.

Und zur musikalischen Auferbauung spielt jetzt meine Schwägerin Silvia Dörr dieses bekannt  Lied Nr. 331 aus dem evangelischen Gesangbuch.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 337 vom 15.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ich kann es nicht glauben!

Heute ist der Rosenmontag 2021. Vor genau acht Jahren fiel er am 11.02.2013 fast auf dasselbe Datum wie in diesem Jahr. Mein Frau und ich hatten es uns angewöhnt, am Montag (offiziell der freie Tag des Pfarrers) nach Hersbruck zu gehen und dort in der Pizzeria Zucca Barucca zu Mittag zu essen um den Tag bis zum Heimkommen von Simon gemeinsam zu verbringen. Manchmal waren wir auch in Nürnberg und ein Betreuer war pünktlich um 16.00 Uhr beim Heimkommen von Simon da.

Am Rosenmontag 2013 erlebte ich aber eine für mich große Überraschung. Wir saßen am Tisch und warteten auf das Essen. Am Nachbartisch saß der ehemalige Bürgermeister von Hersbruck, Wolfgang Plattmeier mit einigen Freunden. Offenbar war das am Montag Mittag für ihn Tradition. Plötzlich wendet er sich mir zu und sagt: „Herr Metzger, der Papst ist zurückgetreten“. Ich schaue ihn ungläubig an und meine: „Das kann nicht sein. Benedikt XVI. hat am Ende der Zeit von Papst Johannes Paul II. als Kardinal Ratzinger gesagt, dass ein Papst nicht zurücktreten wird“.

Nur Gott kann ihn abberufen“. Das waren seine Worte. Ich habe über diesen Satz, den er in der Osterwoche 2005 gesagt hat, oft nachgedacht. Ich sehe dann die Bilder des kranken und sterbenden Papstes vor mir, der 2005 an Ostern nicht mehr fähig war, den Segen „Urbi et Orbi“ zu sprechen. Und genau dieser Kardinal Ratzinger soll jetzt als Papst Benedikt XVI. zurückgetreten sein? Ich habe das für einen Faschingsscherz gehalten und das auch so gesagt. Aber Wolfgang Plattmeier zeigt mir sein Smartphone und ich lese diese Nachricht.

Ich kann es heute immer noch nicht glauben. „Wir sind Papst“ hatte die BILD am Tag nach der Wahl (19.04.2005) getitelt. Viele Deutsche waren stolz. Er war vor der Wahl auf der sog. „Pool-Position“ und hatte dann tatsächlich gewonnen. Für ihn galt nicht der berühmte Spruch: „Wer als Papst in das Konklave geht, der geht als Kardinal wieder heraus“. Schon damals lag der Argentinier Jorge Mario Kardinal Bergoglio auf dem zweiten Platz. Offenbar rief er aber dann dazu, Ratzinger zu wählen, damit das Konklave zu Ende gehen könnte. Seine Zeit kam dann acht Jahre später. Aber der Rücktritt von Benedikt XVI. ist für mich das nachhaltigste Erlebnis an einem Rosenmontag.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 335 vom 13.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Gib mir die richtigen Worte

Meine Updates in den letzten Tagen haben mich selbst ziemlich aufgewühlt. Ich habe einige Rückmeldungen bekommen. Manche/r Leser/-in war dabei als Simon vor sieben Jahren gestorben ist. Ich hatte eine Gebetsgruppe, die von mir besonders in seinen letzten Tagen informiert worden ist. Da sind vermutlich nicht nur bei mir Erinnerungen hochgekommen. Das Gute daran war auch, dass ich diese meine Erinnerungen jetzt einmal niedergeschrieben habe und sie formuliert worden sind. Habe ich den richtigen Ton getroffen? Oder hat es eher so gewirkt, als müsste ich mich nach außen herausstellen? War manches voyeuristisch? Ich weiß es nicht. Manche Worte wirken auf Leser ja auch ganz unterschiedlich. Mit diesem Update 335 habe ich immerhin an 14 Tagen den/die Leser/-in miterleben lassen, wie das für mich und meiner Familie vor sieben Jahren war. Ab morgen werden auch wieder andere Themen im Mittelpunkt stehen bei meinen „Täglichen Gedanken“. Aber bei der einen oder anderen Gelegenheit komme ich doch noch einmal auf Simon zu sprechen. Schließlich fällt in diese kommende Zeit der Jahrestag seiner Beerdigung und auch sein Geburtstag. Deshalb soll für mich jetzt ein Lied von Manfred Siebald dieses Update beenden. Dieses Lied steht nicht nur über meine Worte bei den „Täglichen Gedanken“ in dieser Coronakrise. Es gilt für alle Worte, die Menschen sprechen.

Gib mir die richtigen Worte, gib mir den richtigen Ton.

Worte, die deutlich für jeden von dir reden – gib mir genug davon.

Worte, die klären, Worte, die stören, so man vorbeilebt an dir;

Wunden zu finden und sie zu verbinden – gib mir die Worte dafür.

Gib mir die guten Gedanken, nimm mir das Netzt vom Verstand,

und lass mein Denken und fkühlen vor dir spielen so wie ein Kind im Sand.

Staunend und sehen, prüfend, verstehend nehm ich die Welt an von dir,

sie zu durchdringen, dir wiederzubringen – gib mir Gedanken dafür.

Gib mir den längeren Atem, mein Atem reicht nicht sehr wiet.

Ich will noch einmal verstohlen Atem holen in deiner Ewigkeit.

Wenn ich die Meile mit einem teile, der er alleine nicht schafft,

lass auf der zweiten mich ihn noch begleiten gib mir den Atem, die Kraft.

Das Lied wird von meiner Schwägerin Silvia Dörr gespielt.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 334 vom 12.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Freitagsweg zum Sportplatz

Heute ist der 12.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 12.02.2014 lautet die Losung der Herrnhuter Losungen: „Der Mensch hat keine Macht über den Tag des Todes“ (Prediger 8, 8). Wie wahr ist dieser Spruch auch in diesen Tagen!!

Weil heute ein Freitag ist, erinnere ich mich an viele Freitagnachmittage mit ihm. Ich habe schon vor zwei Tagen davon geschrieben, dass ich vor allem an Wochenenden viel mit ihm unterwegs war. Freitage hatten ein bestimmtes Ritual. Ich bin um 14.30 Uhr zur Jungschargruppe gegangen und war dort knapp eine halbe Stunde dabei. Ab 14.50 Uhr ging mein Blick aus dem Fenster in Richtung Nürnberger Straße. Irgendwann sah ich den Bus, der Simon nach Hause gebracht hat. Dann bin ich weggegangen um Simon in Empfang zu nehmen. Im Haus gab es in der Regel noch etwas zu Essen und zu Trinken. Dann habe ich mich mit ihm auf dem Weg gemacht.

Unser Weg ging in Richtung Sportplatz des SV Altensittenbach. Er liegt relativ nahe. Simon liebte es, beim Fußballtraining der Jugendlichen und beim Tennistraining zuzuschauen. Jedenfalls freute er sich darüber und lachte oft laut auf. In mir war manchmal auch ein wenig Wehmut. Weil ich selbst sportbegeistert bin, habe ich mir dann fast immer vorgestellt, wie es mit einem gesunden Simon wäre. Hätte er gerne Fußball oder Tennis gespielt? Wie hätte ich ihn unterstützen können? Es ist ja nicht nur bei mir so, dass ein Vater gerne mit einem Kind diese Begeisterung teilt und sich freut, wenn der Filius es gut macht. Das Gute an dieser Geschichte war, dass ich dann auch immer Kinder und Erwachsene aus der Kirchengemeinde getroffen habe und ein kleiner Plausch die Beziehung gefestigt hat.

Nach dem Tode hatte ich mir vorgenommen, das weiterzuführen. Es ist mir nicht so gelungen wie ich es gerne gehabt hätte. Irgendwie war dann die Erinnerung an dieses Ritual mit Simon so stark, dass es mich zu sehr aufgewühlt hat.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 333 vom 11.02.2021

Wir danken Dir für Simon

Heute ist der 11.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 11.02.2014 lautet die Losung der Herrnhuter Losungen: „Bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Lichte sehen wir das Licht“ (Psalm 36, 10).

Heute sieben Jahre später erinnere ich mich an ein Schreiben vom 24.06.2008. Wir waren damals zur Kur in Kölpinsee/Usedom. Zum fünften Mal waren wir damals dort. Im Laufe der Zeit haben wir auch Einheimische kennengelernt. Wir sind sonntags zu den Gottesdiensten nach Koserow gefahren und fielen damit auf. Wir hatten auch immer Simon dabei und so gab es hinterher Gespräche über unsere Familiensituation. Im Brief steht ein Gebet.

Es lautet: „Jesus, ich danke Dir für diesen Tag. Ich danke Dir für Simon. Ich danke Dir für sein gelungenes Leben. Ich danke dir, dass Du mir zeigst heute, wie groß und wichtig Simon ist. Wie bedeutend er für Dich ist. Ich danke Dir für diese Freude an ihm, die Du mir jetzt ins Herz legst und die aus deinem Herzen kommt – an der du mich teilhaben lässt. Simon bereitet dir den Weg wie Johannes. Ich danke dir für die Begegnung mit Simon und für die Gespräche mit seinen Eltern. Segne alle miteinander. Amen

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 332 vom 10.02.2021

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Tut, Tut

Heute ist der 10.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 10.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen:  „Alle Dingen sind durch das Wort gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Johannes 1, 3 – 4).

Es ist ein Montag. Simon ist genau einen Tag tot. Ich bin mit meiner Familien wieder zu Hause in Altensittenbach. Am Nachmittag suche ich die frische Luft. Ich gehe auf dem Weg neben den Gleisen nach Reichenschwand. Wie oft bin ich diesen Weg mit Simon gegangen? „Gehen Sie so oft wie möglich mit ihm spazieren. Dann erhalten sie lange die Gehfähigkeit Ihres Sohnes“. Diese Worte von einem Vater eines MPS-Kindes aus dem Jahr 2000 haben sich in mir eingeprägt. So oft ich konnte, habe ich das in die Tat umgesetzt.

Vor allem am Freitagnachmittag und am Samstag war das oft der Fall. Nach Reichenschwand und zurück waren es immerhin gute 6 Kilometer. Er war immer an der Hand und wurde so von mir geführt. Später habe ich ihn damit festgehalten, damit er nicht umgefallen ist. Er konnte irgendwann sein Gleichgewicht nicht mehr halten. Diesen Weg neben den Zuggleisen liebte Simon. Er war immer begeistert, wenn ein Zug gefahren ist. Und es fuhren in einer Stunde sechs Personenzüge und zwei Güterzüge. Wenn einer „anrauschte“, dann bin ich mit ihm auch ein wenig in Richtung Gleise gegangen und er hat schon von weitem den Zug gesehen. Er hat sich gefreut und immer wieder einmal „Tut, tut“ gesagt. Das war seine Umschreibung für „Zug“.

Wenn ich heute diesen Weg nehme, sind die Erinnerungen an ihm natürlich sehr hoch. Denn Erinnerungen können mir nicht genommen werden. Ein besonderes Erlebnis habe ich auch nicht vergessen. Eines Tages laufe ich mit Simon fest an der Hand in Richtung Fußballplatz. Er konnte damals noch richtig gut laufen, ich musste ihn aber festhalten. Er hat dabei so stark gezogen, dass ich in meiner linken Hand oft ein Ziehen spürte und ich schon ein wenig Angst hatte, einen Tennisarm zu bekommen. Kurz vor der Einmündung in die Fred-Schäfer-Straße hält ein Auto neben mir und ein Mann steigt aus. Er fragt danach, warum ich diesen Jugendlichen so stark führen würde. Offenbar hatte er eine Entführung vermutet. Jedenfalls kam ihm das „spanisch“ vor. Ich habe ihm alles erklärt und er war zufrieden. Immerhin hatte er bemerkt, dass Simon krank war. Aber solche oft falsche Wahrnehmungen anderer Menschen hat es ja in der Coronakrise auch schon gegeben, wenn manche Leute andere wegen Nicht-Beachtung der Coronaregeln angezeigt haben.

Wenn Corona will, steht (wieder überall) fast alles still, Update 331 vom 09.02.2021

Tägliche Gedanken von Pf.r Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Der Regenbogen als Zeichen Gottes

Heute ist der 09.02.2021. Heute vor genau sieben Jahren, am 09.02.2014 lautet der Lehrtext der Herrnhuter Losungen: Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?“ (Römer 8, 35).

Es ist ein Sonntag. Es ist 2.00 Uhr. Ich bin von einem kurzen Schlaf aufgewacht und gehe zum Bett von Simon. Er atmet wie durch ein kleines Röhrchen – ganz langsam. Ich bin erleichtert. Er atmet!! Ich singe zwei Lieder mit Gitarre und lege mich wieder hin. Um 3.00 Uhr kommen zwei Pfleger in das Zimmer und richten Simon im Bett schön hin. Alle vier Stunden sollte das sein. In dieser Zeit bin ich immer im Gemeinschaftszimmer und rede ein paar Worte mit den anderen. Dann gehe ich wieder in das Zimmer von Simon. Gegen 5.00 Uhr wache ich auf. Wieder nehme ich die Gitarre und singe ein paar Lieder. Ich lege mich wieder hin.

Um 7.00 Uhr kommen die Betreuer wieder in das Zimmer und schauen, dass Simon gut liegt. Ich bin nur etwa 5 Sekunden im Gemeinschaftszimmer, als plötzlich ein Pfleger hereinstürmt und ruft: „Ich glaube, Simon stirbt jetzt“. Ich eile zu ihm hin und sehe, dass er nicht mehr atmet. Ich fühle seinen Puls. Ganz schwach ist er. Nach ein paar Sekunden spüre ich seinen Puls nicht mehr. Ich nehme ihn die Sauerstoffbrille ab und plötzlich macht Simon einen großen „Schnaufer“ – und das war es. Ich wundere mich, dass ich so ruhig bleiben kann. Ich spreche ein Gebet und den Psalm 23. Ich halte seine Hände und streichle seinen Kopf. Ich schließe seinen Mund und warte – warte ein paar Sekunden, Minuten. Erst dann kann ich weinen. Ich gehe von seinem Bett weg und schaue auf die Uhr. Es ist 7.05 Uhr. Also ist er genau um 7.00 Uhr gestorben. Ich weiß nicht warum. Aber irgendwie wollte ich die genaue Todeszeit festhalten. Ich greife zum Telefon und rufe meine Familie an. Sie waren in einer Ferienwohnung untergebracht – etwa einen Kilometer entfernt. Ich teile Ihnen den Tod von Simon mit. In wenigen Minuten werde ich sie holen. Vorher rufe ich noch meine Kollegen an, welche die beiden Gottesdienste in Oberkrumbach und Altensittenbach übernommen haben. Sie sollten den Tod von Simon der Gemeinde nach dem Gottesdienst mitteilen. Dann gäbe es wenigstens keine Gerüchte, sondern Klarheit. Ich gehe wieder zum Totenbett von Simon. Ich verweile ein wenig und fahre dann zu meiner Familie.

Alle zusammen fahren wir zurück in die Wohnung von Simon und trauern zusammen. Irgendwie sind wir auch gefasst. Sein Tod kam nicht überraschend und plötzlich! So waren wir darauf vorbereitet. Da bemerkt meine Frau an diesem Sonntagmorgen einen Regenbogen. Es ist ein besonderer, ein doppelter Regenbogen. Hatte ich vorher noch nie gesehen. Wir nehmen das als ein Zeichen Gottes für uns. So wie für Noah mit dem Regenbogen ein neuer Bund mit Gott aufgestellt wurde, ein Zeichen für die Nähe Gottes nach der Flutkatastrophe, so nehmen wir dieses Zeichen am Todestag von Simon als Zeichen der Nähe Gottes für uns. Interessant war, dass die Geschichte von Noah am Sonntag vorher Predigtthema war und meine Frau darüber eine sehr tiefgründige und seelsorgerliche Auslegung im Gottesdienst in Bamberg gehört hat. Auch so können die Wege Gottes sein. „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (1. Mose 8, 22).