Archiv des Autors: Pfr. Gerhard Metzger

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 102 vom 25.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Das ist für jeden angehenden Pfarrer ein wichtiger Brief. Der Regionalbischof schreibt. Und damit endet langsam aber sicher das sog. „Lehrvikariat“. In diesen zwei Jahren war er einem Pfarrer zugeordnet und nimmt immer mehr Einblicke in das Leben eines evang.-luth. Geistlichen. Im Laufe der Zeit übernimmt er fast alle Tätigkeiten, die er dann später als Pfarrer braucht.

Aber eines fehlt noch: seine Ordination. Mit dieser Ordination wird er in das „Amt der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung“ berufen. Im Brief des Regionalbischofes wird erwähnt, dass der Lehrvikar sich melden soll um einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Denn vor der Ordination soll geklärt werden, welche Stellung er zur Confessio Augustana hat. Es ist das grundlegende Bekenntnis für die lutherischen Kirchen.

Heute vor genau 490 Jahren, am 25.06.1530 ist sie auf dem Reichstag zu Augsburg dem Kaiser Karl V. von den reformatorischen Reichsständen vorgetragen worden. Martin Luther war zu dieser Zeit auf der Veste Coburg, weil er seit dem Wormser Konzil von 1521 mit der Reichsacht belegt war und nicht dorthin reisen konnte. Aber Reiter überbrachten ständig Informationen durch Briefe hin und her. Melanchthon betonte dabei auch die Übereinstimmungen von Katholiken und Reformatoren. Aber die Unterschiede waren dann doch so gewaltig, dass sie von der Gegenseite nicht akzeptiert wurde und die evangelischen Stände ein Jahr später den Schmalkaldischen Bund gegründet haben, der sehr viel Krieg und Leid gebracht hat. Luther hat Melanchthon unterstellt, er hätte zu zaghaft formuliert. Aber letztliche ist dieses Bekenntnis die Grundlage aller lutherischen Kirchen auf der Welt. Natürlich hat dieses Bekenntnis in den evangelischen Kirchen nicht die Wertigkeit wie eine dogmatische Erklärung in der katholischen Kirche. Über einzelne Artikel kann heftig geredet und gestritten werden. Aber es ist eine sehr gute Grundlage dafür, über Geschichte und Bedeutung der Reformation bis heute nachzudenken. Und sie ist ein sehr gutes Gerüst für mich als Pfarrer, dieses „Amt“ in dieser Kirche auszuüben. Manche Landeskirchen nennen sich konkret nach diesem Bekenntnis wie z.B. „Evangelische Kirche A. B. (steht für Augsburger Konfession) in Österreich“ oder auch die „Evangelische Kirche A. B. in Rumänien“. Ich jedenfalls schmunzle immer ein wenig, dass ausgerechnet die grundlegende Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche nicht von Martin Luther stammt.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 101 vom 24.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

1995 mussten wir wieder einmal ein neues Auto kaufen. Das alte Gefährt war 11 Jahre alt und es hätte eine größere Reparatur gegeben. Weil ich in Alerheim mindestens einmal in der Woche nach Donauwörth zur Wirtschaftsschule fahren musste, kam ich damals auf ca. 25000 KM/Jahr. Ich habe die Kosten kurz überschlagen und gedacht: Diesmal lohnt sich ein Diesel. Gesagt – getan. Auch in der Werbung und bei den Umweltbilanzen wurden die Diesel im Gegensatz zu heute über den Klee gelobt. Der Autoverkäufer meinte noch: „Mit den Abgasen können sie einen Menschen wiederbeleben“. Gut. Das habe ich nie ausprobiert. Ein wenig schmunzeln muss ich aber doch, wenn ich an die gegenwärtige Dieseldebatte denke. Bei einem Neuwagen ist es ja so, dass es eine Garantiegewährleistung gibt. Die Autowerkstatt lag nur 4 km entfernt und ich bin im ersten Jahr immer mal dort hingefahren.

Eines Tages sind mir dort rege Bautätigkeiten aufgefallen. Ich spreche den Besitzer darauf an. Er meinte: „Ja Herr Metzger. Stillstand ist Rückschritt. Es muss immer vorwärts und aufwärts gehen“. An dieses Zitat habe ich mich in den letzten Wochen bei den Diskussionen um die Zukunft der Wirtschaft oft erinnert. Selbst der Bundespräsident hat das in seiner Osteransprache aufgenommen und gemeint, dass dieses Denken jetzt der Vergangenheit angehören soll und muss. Ich bin gespannt, ob seine Worte gehört werden.

Meine Gedanken gehen bei diesem Themenkreis zu einem besonderen Mann in der Bibel: Johannes der Täufer. Seine Mutter war die Tante von Maria und dadurch war er auch mit Jesus verwandt. Er war der Bußprediger in der Wüste von Judäa: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“ (Matthäus 3, 1). Er lebte also gleichzeitig mit Jesus und ihre Botschaften waren teilweise gleich gelagert. Wie war das Verhältnis zueinander? Jesus hat in Hochachtung von ihm gesprochen. „Unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer“ (Matthäus 11, 1a). Jesus hat sich von ihm taufen lassen. Johannes selbst hat von Jesus gesprochen mit dem Satz. „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Johannes 3, 30).

Das ist interessant für mich, wie er seine eigene Berufung zu Jesus einschätzt und das mit einem Vergleich aus der Wirtschaft benennt. Zu erkennen, dass es nicht nur um „Wachstum“ geht, sondern dass eine Zeit kommen kann, an der ich mich zurücknehmen kann und muss. Dass es eine Zeit geben kann, an der „weniger“ meine neue Aufgabe und Berufung ist. Vielleicht auch, dass ich Verantwortung und Leiterschaft in einem Betrieb, in einem Wirtschaftszweig oder in meiner Lebensplanung akzeptieren kann und muss.

Das gilt auch für christliche Gemeinden. Auch dort wird „Wachstum“ leicht mit „mehr Gemeindemitglieder, mehr Gottesdienstbesucher, mehr Kreise“ beschrieben. Aber stimmt das? Ist das quantitative Aufzählen wirklich ein Zeichen von Wachstum? Jedenfalls ist dieser Ausspruch des Täufers der Grund, warum heute der Johannistag begangen wird. Der heutige 24.06. liegt genau in der Mitte zum Hl. Abend. Die Sonne nimmt jetzt wieder ab, so wie ab dem 24.12. die Tage wieder länger werden. Seit ein paar Jahren lebt der Brauch der „Johannisfeuer“ wieder auf. Dann werden auch sog. „Feuerreden“ gehalten. Leider wird dann nur ganz selten angesprochen, warum es an diesem Tag „eigentlich“ geht: es ist der Hinweis darauf, dass Jesus das Licht der Welt ist. Und dass Johannes der Täufer dafür steht, dass er auf dieses Licht der Welt vorbereitet. Deshalb dürfte bei keiner Rede am 24.06. der Hinweis auf Jesus fehlen. „Jesus Christus spricht. „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Johannes 8, 12).

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 100 vom 23.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Vor mir liegt die Hersbrucker Zeitung vom 26.05.2020. Vor fast genau vier Wochen war das die Hauptüberschrift für den Lokalteil: „Wenn das weiß Gold wertlos wird“. Selbst als Beauftragter für Landwirtschaft musste ich kurz nachdenken, was damit gemeint ist. Fast eine ganze Seite wird sich dann dem Thema gewidmet, welche schlimmen Folgen Corona für die Milchbauern hat. Die Milchpreise stehen sowieso schon unter Druck und der gewünschte Mindestpreis von 40 ct ist kaum durchzudrücken. Durch die Coronakrise verschlimmert sich das noch. Im Artikel wird darüber diskutiert, welcher Weg sinnvoller ist: Reduktion der Mengenerzeugung, private Lagerhaltung oder öffentliche Intervention durch Ankauf der EU-Kommission zu festgelegten Preisen in Form von Magermilchpulver und Butter von März bis September. Was ist der bessere Weg?

Mich hat das erinnert an meine Zeit als Bauernsohn eines Milchviehbetriebes in den 60-er und 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Wir hatten immerhin 16 Milchkühe. Durch den Bau eines modernen Stalles 1961 hatten wir eine moderne Melkanlage erhalten. Die Milch wurde bis 1970 in Kannen abgefüllt und in die Melkkammer getragen, später kam eine Rohrmelkanlage dazu. Einmal im Monat kam der „Milchmesser“. Er hat sich erst einen Tag vorher angekündigt, damit ein Landwirt nicht ein paar Tage vorher schon „zugefüttert“ hat umso eine höhere Milchleistung zu erreichen. Immerhin gab es am Ende des Jahres eine Plakette. Je nach Milchleistung pro Kuh gab es die grüne, die rote oder die gelbe Plakette. Wie stolz war ich, als wir zum ersten Mal die gelbe Plakette erhielten mit der Bestätigung, dass wir pro Kuh 5000 Liter Milch/Jahr produziert haben.

Immer wieder kam im Laufe des Jahres der „Zuchtwart“ vom Amt für Landwirtschaft in Rothenburg. Er hat dann alles noch einmal überprüft und Ratschläge und Tipps weitergegeben. Eines Tages sagt er zu meinem Vater: „Ihr gebt ja euren Kühen komische Namen: Rebekka, Sarah und vor allem Salome. Die Tiere heißen doch sonst vor allem Susi und Berta“. Mein Vater hat ihn dann aufgeklärt. „Die Namen sucht mein Sohn Gerhard aus. Der will biblische Namen“. Für die in der Landwirtschaft Unkundigen: Der Name der Kuh hatte als Anfangsbuchstaben immer auch den Anfangsbuchstaben des Namens der Mutter. Wir hatten einmal eine „Susi“ im Stall, die 12 Kälber geboren hat. Diese hohe Kälberzahl kommt in der heutigen Zeit praktisch nicht mehr vor. Aber dadurch hatten viele Kühe von uns den Anfangsbuchstaben S.

Mir hat der Name Salome wirklich gut gefallen. Er erinnert mich an eine der drei Frauen, die am Ostermorgen zum Grab von Jesus gehen um den Leichnam zu salben (Markus 16, 1). Der Name erinnert mich aber auch an eine besondere Geschichte in der Bibel, die so wichtig, wenn auch traurig und skrupellos ist. Sie steht ausführlich im Markusevangelium im sechsten Kapitel. Johannes der Täufer war von König Herodes gefangengenommen worden, weil dieser die Heirat des Königs mit seiner Schwägerin Herodias kritisierte. Salome tanzt vor dem König und der gibt ihr einen Wunsch „bis zur Hälfte des Königreiches“ frei. In Rücksprache mit der Mutter wünscht sie sich den Kopf von Johannes. Dieser wird enthauptet und der Kopf wird hereingetragen. Interessant ist für mich, dass der Name Salome in der Bibel gar nicht erwähnt ist. Er wurde erst im 5. Jahrhundert konkret genannt. Zum anderen finde ich auch den Kommentar meines Pfarrers und Religionslehrers aus der zweiten Klasse interessant, den ich mir gemerkt habe. „Herodes hätte sagen können, dass Johannes zur anderen Hälfte des Königreiches gehört. Dann wäre Johannes nicht umgebracht worden“.

Ich finde das bis heute eine interessante Einschätzung bei allen Worten und Bemerkungen zur Lösung der Coronakrise. Wie ehrlich und wahrhaftig überlegen sich Verantwortliche ihr Tun, Verhalten und ihre Strategie im Angesicht der Menschen, die davon im Alltag betroffen sind. Denn immerhin ist der Name Salome vom hebräischen „Shalom“ abgeleitet und bedeutet „die Friedliche, die Friedfertige“. Ich wünsche mir, dass die Milchlandwirte auch Frieden finden in den Verhandlungen mit den Behörden, damit sie gut leben und überleben können. Salome hat also sehr viel mit Johannes dem Täufer zu tun. Aber davon morgen mehr.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 99 vom 22.06.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Pfr. Dr. Siegfried Schwemmer

Albert Camus, die Pest und Corona

Im März 2020, mit der ersten Phase der Ausgangssperre und den persönlich erfahrbaren Konsequenzen der sogenannten Corona-Krise ist Albert Camus Klassiker der Weltliteratur »Die Pest« in der 88. Auflage erschienen. Camus (1913-1960), der »Philosoph des Absurden« bringt seine Philosophie auch in seinen Romanen und Stücken zum Ausdruck.

Am Ende von »Die Pest« feiern die Menschen in der Stadt Oran das Ende der Quarantäne. Der Arzt, Doktor Rieux, beendet als Chronist des Geschehens seinen Bericht: „Während Rieux den Freudenschreien lauschte, die aus der Stadt aufstiegen, erinnerte er sich … daran, dass diese Freude immer bedroht war. Denn er wusste, was dieser Menge im Freudentaumel unbekannt war und was man in Büchern lesen kann, dass nämlich der Pestbazillus nie stirbt und nie verschwindet, dass er jahrzehntelang in den Möbeln und in der Wäsche schlummern kann, dass er in Zimmern, Kellern, Koffern, Taschentüchern und Papieren geduldig wartet und dass vielleicht der Tag kommen würde, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und zum Sterben in die glückliche Stadt schicken würde“ (ebd. 350)

Der Pestbazillus ist da, so wie Corona immer da war und da sein wird. Auch Corona gehört zum Leben und ist lebendig, wird sich verändern, mutieren, so wie sich der Virus schon immer verändert hat. Auch der Grippevirus ist lebendig und Teil unseres Lebens. Wir entkommen dieser Realität nicht. Und doch wiegen wir uns in scheinbarer Sicherheit, hoffen auf die Impfung, auf Medikation, auf die Zeit danach. Wir verdrängen und vergessen. Der Alltag ergreift Besitz von uns. Wir kehren zurück zu unseren den Geschäften.

Der Alte in Camus Roman sagt es am Ende lachend und röchelnd: „Ich höre sie jetzt schon: »Unsere Toten …«, und dann gehen sie zum Essen … Der Alte hatte recht, die Menschen waren immer gleich. Aber das war ihre Kraft und ihre Unschuld, und hierin fühlte Rieux, dass er sich ihnen über allen Schmerz hinweg anschloss“ (ebd., 349).

Und doch: Die Pest, die Pandemie, der Corona-Virus … Sie alle zeigen und erinnern uns: Das Leben ist nicht selbstverständlich. Es ist wertvoll. Es ist bedroht. Es ist in der Gefahr uns genommen zu werden. Jesus mahnt uns zur Achtsamkeit: „Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber Schaden nimmt an seinem Leben?“ (Matthäus 16,26)

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 98 vom 21.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Heute wäre in dem Dorf Oberkrumbach ein besonderer Tag. Heute würden die Menschen dort das diesjährige Kirchweihfest feiern. Es findet immer statt an dem Sonntag, der dem Johannistag (24.06.) am nächsten liegt. Sie wird also frühestens am 27.06. eines Jahres. Oberkrumbach gehört zu den Ortschaften, die Kaiser Heinrich II. am 2. Juli 1011 dem kurz vorher neu gegründeten Bistum Bamberg übergab. Vor neun Jahren wurde das 1000-jährige Gründungsfest mit einem Festgottesdienst und einem Dorffest gefeiert.

Das Dorf selbst hatte eine sehr wechselvolle Geschichte und wurde immer wieder von einem „Herrn“ zum anderen gegeben. Im Zuge des Landshuter Erbfolgekrieges 1504 sicherte sich Nürnberg die Herrschaft im gesamten Pegnitzraum und verleibte sich auch das Oberkrumbacher Gebiet ein. Das hatte zur Folge, dass dieses Gebiet 1525 evangelisch wurde, weil die Stadt Nürnberg zu den ersten Städten in Deutschland gehörte, die den lutherischen Glauben übernahmen. Noch heute ist deshalb dieses Gebiet überwiegend evangelisch.

Im Laufe der Zeit erlebte dieses Dorf viele gute und schlechte Zeiten. Ich erinnere mich an mein zweites Kommen nach Altensittenbach im Juni 1996. Ich hatte kurz vorher die Nachricht erhalten, dass ich die Pfarrstelle Altensittenbach m. Oberkrumbach ab dem 01.10.1996 übertragen bekommen werde. Ein Kirchenvorsteher aus Altensittenbach meinte: „Als Pfarrer für Oberkrumbach zuständig zu sein, ist ein Privileg. Das ist das schönst gelegene Dorf in Mittelfranken“. Es hat dann noch einmal zwei Wochen gedauert bis ich in das Dorf gefahren bin. Mein Eindruck war: Der Mann hat Recht. Ich fahre die Straße Richtung Kirchensittenbach, biege links ab und nach Unterkrumbach liegt ein Tal vor mir, wie ich es nur von Fotos von Urlaubsgebieten her kannte. Eine einzige Straße führt ins Dorf. Nur wer die Gegend genau kennt, benutzt im Sommer die Straße „über den Berg“ Richtung Schnaittach, die aber eigentlich nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge erlaubt ist. In mir war damals schon der Gedanke: Das ist wie im Kleinwalsertal. Romantisch gelegen, mit Worten kaum zu beschreiben, und nur für in Oberkrumbach aufgewachsene Menschen wirklich nachzuvollziehen. Ein Mann hat mir mal gesagt: „Einmal Oberkrumbach, immer Oberkrumbach“.

Die Denkweise und die Gefühle der Menschen für ihr Dorf sind sehr intensiv. Aber ich will keine Nostalgie betreiben. Es gibt dieselben Probleme wie in anderen kleinen Dörfern. Junge Menschen wandern ab, die Einwohnerzahl lässt nach und die Menschen haben miteinander auch immer wieder Probleme wie in einer gute Ehe. Aber dass ich jetzt fast 24 Jahren auf dieser Pfarrstelle bin, hat auch mit diesem kleinen Dorf zu tun, das mich in vielem an mein Heimatdorf erinnert, in dem ich aufgewachsen bin.

Ein großes Problem wird aber sicherlich der Erhalt der Margaretenkirche sein. Ob so wenige Menschen auf Dauer diese besonders schmucke Kirche erhalten können, weiß ich nicht. Es wird viele Anstrengungen bedeuten. Aber die Menschen lieben ihre Kirche, auch wenn der Kirchenbesuch schon sichtbar nachgelassen hat. Aber letztlich zählt für mich ein Wort, das der Lehrtext aus den Herrnhuter Losungen für den 2. Juli 2011 genannt hat und damit genau 1000 Jahre nach der ersten Erwähnung. „Weil wir solche Hoffnung haben, sind wir voll großer Zuversicht“. (2. Korintherbrief 3, 12). Und was es mit der Margarete als Namensgeber für die Margaretenkirche auf sich hat, davon mal mehr in einem anderen Update.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 97 vom 20.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

„Wie viel Angst verträgt die Freiheit?“ So lautet ein Artikel aus der Zeitschrift „Sechs+sechzig, Magazin für selbstbewusste ältere Menschen“ vom April dieses Jahres. In dem Artikel geht es um die Verteidigung der Grundrechte angesichts der Einschränkungen in der Coronakrise. Und dann lese ich Ausführungen zum Thema. Nicht nur in diesem Artikel wird das thematisiert. Seit einigen Wochen gibt es Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen und Gegendemonstrationen für die Maßnahmen. Das ist ein Zeichen einer demokratischen Gesellschaft, dass solche Meinungsäußerungen auf öffentlichen Plätzen möglich sind. In Ländern wie China oder Nordkorea ist das nicht der Fall. Jeder kann sich selbst informieren und seine eigene Meinung treffen. Persönlich stelle ich fest, dass es in Zeiten der digitalen Technik immer schwieriger geworden ist, einigermaßen objektive Informationen zu erhalten. Ich habe auch den Verdacht, dass sich hinter manchen Demonstrationen radikale politische Kräfte verstecken und Tür und Tor für Verschwörungstheorien geöffnet ist.

Freiheit“ ist in der Bibel ein besonderer Begriff. Im gesamten Alte Testament spielt die Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten eine besondere Rolle. Die Gefangenschaft des Volkes in Babylon im sechsten Jahrhundert v. Christus hat den Glauben an den Gott Jahwe grundlegend verändert und hat zu einer Erneuerung in der Beziehung des Volkes zu ihrem Gott geführt.

Im Neuen Testament spielt „Freiheit“ vor allem im Zusammenhang des Verständnisses zum „Gesetz“ eine große Rolle. Durch den Glauben an Jesus sind Christen keine Knechte des Gesetzes mehr. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen“ (Galater 5, 1). Diese Freiheit hat in der Bibel aber auch immer mit Verantwortung zu tun. Paulus führt im selben Kapitel aus: „Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen…durch die Liebe diene einer dem anderen“ (Galater 5, 13).

Ich habe ein sehr schönes Zitat von Hans-Joachim Eckstein gefunden. Er schreibt. „Wenn ich nicht mehr unter dem Gesetz bin, sondern unter der Gnade, dann kann ich endlich tun und lassen…was Christus will“. Und das gilt auch in diesen Zeiten: ich will so handeln, dass es den Willen Gottes entspricht. Ich will dafür eintreten, dass dem Mitmenschen gedient wird. Ich will so leben, dass ich den anderen nicht gefährde. Und dafür nehme ich auch Einschränkungen in Kauf. „Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Korinther 3, 17).

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 95 vom 18.06.2020

Tägliche Gedanken in einer schwierigen Zeit, heute von Gabriele Metzger

In Nicht-Corona-Zeiten bieten wir als Kirchengemeinde 14-täglich ein Treffen an, das den Namen „Auf Gott hören“ trägt. In dieser Zeit sind wir in der Stille, öffnen unsere Herzen für Gott und bitten IHN zu uns zu reden. Das, wovon wir denken, es von Gott gehört zu haben, teilen wir uns einander mit. Dabei werden wir immer wieder ermutigt. Beim letzten Treffen vor dem Lockdown waren folgende Gedanken in meinem Herzen:

Ich bin der Fels auf dem ihr stehen könnt und sollt. „Vertraut auf den HERRN für immer, denn ER ist ein ewiger Fels…“

Jesaja 26, 4: „Darum verlasst euch auf den HERRN immerdar, denn Gott der HERR ist ein Fels ewiglich“.

Jesaja 26, 3: „Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden, denn er verlässt sich auf DICH“.

Egal, was ihr gerade erlebt, ob das das Coronavirus ist oder persönliche Probleme, Nöte oder auch Glück, egal, was ist – haltet unerschütterlich fest an MIR, ICH bin euer unerschütterlicher Fels.

ICH bin. ICH bin beständig. ICH halte euch, ICH stärke euch, ICH führe und leite euch und ICH schütze euch. Euer Leben und das Leben eurer ganzen Familien sind in Meiner Hand.

In meine Hände habe ICH euch gezeichnet und eure Zeit steht in Meinen Händen.

Befehlt MIR alles an und vertraut auf MICH, ICH werde es wohl machen.

ICH weiß einen guten Weg, den ICH mit euch gehe, ob es auf oder ab geht, ob steinige Wege, satte Wiesen, frisches Wasser, luftige Höhen – ICH bin da.

ICH bin für euch da. Mit euch auf allen euren Wegen. ICH bin da, immer und überall da.

Heile Welt ist nicht in deiner Welt, aber ICH bin da.

Alles Leben in dieser Welt ist unvollkommen (unperfekt) und bruchstückhaft, aber das genügt – für MICH seid ihr vollkommen, wie ihr seid – vollkommen genügend durch MICH.

ICH bin das I-Tüpfelchen – der Doppelpunkt – das Ausrufezeichen – das, was euch ausfüllt, vollkommen macht.

ICH bin das, was ihr so nötig braucht, ICH bin der Fels in der Brandung – der sichere Halt – der Leuchtturm – euer Wegbegleiter – eure Sicherheit in jeder Lebenssituation, Herausforderung und Krise.

ICH bin und ICH bin da. Meine Verheißung – mein Versprechen ist absolut verlässlich.

ICH bin absolut vertrauenswürdig.

ICH habe einen Bund mit euch geschlossen und der steht von meiner Seite unumstößlich. Mein Bund bleibt ewiglich bestehen.

Meine Erlösung bleibt ewiglich bestehen. Meine Gnade ist da für Euch und sie bleibt ewiglich bestehen.

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 94 vom 17.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Schaut Euch genau die Bilder an und sagt, was ihr seht“. Ich werde diese Worte meines Lehrers Dieter Weth in der zweiten Klasse nicht vergessen. Er war ein äußerst bemerkenswerter Pädagoge und ich erinnere mich teilweise an Kleinigkeiten seines Unterrichts. Insgesamt drei Jahre habe ich davon profitiert. Er kam vom ersten Examen und wurde als Lehramtskandidat wie viele Lehrer in den 60-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in eine kleine Dorfschule geschickt. Immerhin: In der Klasse saßen die Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse und nicht mehr wie noch ein Jahr vorher alle acht Klassen eines Dorfes. So profitierte ich vom Unterricht in den beiden höheren Klassen.

Aber warum sollten wir ausgerechnet an diesem Tag so besonders genau hinschauen? Er hatte ein Leporello an die Tafel geheftet. Darauf waren protestierende Menschen und angstmachende Panzer zu sehen. Auch Rauch von Gewehren war zu erkennen. Es waren die Tage vor dem 17. Juni. Dieses Datum war bis zur Wiedervereinigung 1990 der „Tag der deutschen Einheit“. Heute haben wir den 17. Juni  und dieser Gedenktag an den Aufstand in der damaligen DDR hat mich als Kind und Jugendlicher sehr geprägt. Ich bin aufgewachsen im sog. „Kalten Krieg“ und die Bedrohung im Konflikt von Ost und West habe ich auch als Kind mit acht Jahren gespürt. Für Landwirte kam dieser Tag sehr oft ungelegen. Schließlich lag er mitten in der Heuernte und „Rüben hacken“ war auch angesagt. Zu dieser Zeit wurde Gras noch kaum siliert und das klassische „Heu machen“ war angesagt. Später haben wir als Evangelische Landjugend auf diesen Tag unser Indiacaturnier auf Kreisebene gelegt.

Jedes Jahr am 17. Juni denke ich an diese Zeit zurück und wie der junge Lehrer dieses Ereignis uns nahe gebracht hat. In mir steigen dann die Gedanken und Gefühle auf, die ich als Kind hatte. Und darunter waren auch immer Ängste und Sorgen, ob der Frieden bleiben wird und es nicht zu einem fürchterlichen Krieg kommen werden würde. Denn so viel habe ich als kleines Kind schon gespürt: um den Frieden muss gerungen werden. Und das zeigt nicht nur die Jahreslosung von 2019: „Suche Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34, 15).

Wenn Corona will, steht (noch) vieles still, Update 93 vom 16.06.2020

Tägliche Gedanken von Pfr. Gerhard Metzger in einer schwierigen Zeit

Ich sitze relativ entspannt auf dem Stuhl in meinem Büro. Da kommt ein Anruf. Das ist am Dienstagmorgen nicht ungewöhnlich. Denn zu dieser Zeit ist auch Besuchsverkehr im Pfarramt. „Herr Metzger, wo bleiben Sie? Sind Sie etwa krank?“ Au Backe. Ich habe den Religionsunterricht in der Grundschule in Altensittenbach vergessen. Kann ja mal vorkommen. Schnell aufs Rad und dann hin. Dort angekommen, gelingt mir auch noch ein relativ angemessener Unterricht. Schließlich bin ich ja kein Anfänger.

Es vergehen drei Wochen. Es ist wieder Dienstag. Ich sitze gegen 12.15 Uhr in meinem Arbeitszimmer. Wieder ein Anruf. Wieder ist es eine Lehrerin aus der Schule. Wieder die Anfrage. Jetzt bin ich über mich wirklich ärgerlich. Ich frage mich, ob ich langsam (oder schnell) alt werde und der Kalk schon ziemlich stark rieselt. Mit 62 Jahren müsste ich gar keinen Religionsunterricht mehr geben. Pfarrer sind davon ab 60 Jahren befreit. Aber ich liebe den Kontakt zu den Schüler- und Schülerinnen. Die Gespräche mit ihnen und ihre Gedanken helfen mir, dass ich geerdet bleibe. Kinder in der Grundschule gehen „die Sache mit Gott“ noch auf einfache Art und Weise an. Ihre Antworten helfen mir, eine einfache Sprache beim Reden über Gott zu behalten. Und beim einen oder anderen Update habe ich davon auch geschrieben.

Ich erinnere mich an einen Impuls meines Mentors in meinem Lehrvikariat. „Herr Metzger, predigen sie so, dass es auch Grundschüler, ja sogar Kindergartenkinder verstehen können“. Das habe ich mir gemerkt. Es ist ein Ziel für mich, so die Botschaft des Evangeliums weiterzusagen. Das gelingt natürlich nicht immer, vielleicht sogar eher selten. Aber ich nehme es mir vor. Und damit ich den Schulunterricht am Dienstag in der 6. Stunde auch ja nicht vergesse, habe ich mir diesen Zettel an die Tür geklebt.

Heute ist der erste Dienstag nach den Pfingstferien. Aber ich werde nicht in der Schule sein. Leider. Ich vermisse das Gespräch mit den Schulkindern: Manchmal sind es tatsächlich nur Kleinigkeiten, die durch  Corona ausgelöst wurden. Aber sie wirken tief im Herzen.